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    Battle For Haditha
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Battle For Haditha
    Von Christian Roman

    Am 19. November 2005 detonierte in der irakischen Provinz Haditha ein Sprengsatz, ein US-Soldat verlor sein Leben. Die Reaktion war eine grausame Bluttat: Die amerikanischen Soldaten eröffneten das Feuer und töteten 24 irakische Zivilisten. Später hat die US-Regierung versucht, die Ereignisse zu vertuschen – ohne Erfolg. Nun liefert der britische Dokumentarfilmer Nick Broomfield mit „Battle For Haditha“ seine Version des Massakers ab. Herausgekommen ist ein bitteres Kriegs-Drama, das ein authentisches Bild der Ereignisse auf amerikanischer und – man staune – auch auf irakischer Seite zeichnet.

    „Das war das schöne Haditha. Der Ort, den alle gern besucht haben, um sich zu erholen. Nun ist es eine Stadt des Todes“, weiß ein kahlköpfiger Araber zu berichten. Kurz darauf bekommt er in einem Lager der Al Qaeda nahe der irakischen Provinzstadt eine selbstgebaute Bombe samt Fernzünder ausgehändigt. Das Ziel steht fest: Ein Konvoi der US-Armee soll in die Luft gejagt werden. Der Sprengsatz zündet erst, als der vierte Geländewagen die markierte Stelle an der Landstraße passiert. Die Detonation reißt den Jeep in Stücke. Ein Soldat ist auf der Stelle tot, zwei weitere werden schwer verletzt. Corporal Ramirez (überzeugend: Ex-US-Soldat Elliot Ruiz) und seine Männer vom United States Marine Corps erwidern das Feuer der Attentäter. Die Schüsse dringen bis zur wenige hundert Meter entfernten Wohnsiedlung durch, wo Ahmad (Falah Ibrahim) um das Leben seiner Familie bangt. „Unter keinen Umständen dürfen mehr Marines getötet werden, egal was dafür nötig ist“, dröhnt es Ramirez aus seinem Funkgerät entgegen. Minuten später stürmen die Marines die Wohnsiedlung, in der sie die Terroristen vermuten. Ahmad, seine beiden Kinder und 21 weitere Unschuldige kommen durch die Kugeln und Granaten der US-Soldaten ums Leben…

    Regisseur Nick Broomfield („Ghosts“) gelingt es in der eineinhalbstündigen Laufzeit, die Geschehnisse des 19. Novembers 2005 historisch korrekt auf die Leinwand zu bringen – zumindest soweit das anhand von Protokollen und Zeugenaussagen möglich ist. Schließlich widersprechen sich die Berichte des US-Militärs und der irakischen Bevölkerung an vielen Stellen. Freiheiten, wie die Änderung der Namen von Soldaten und Opfern, sind reine Formsache. Seine langjährige Erfahrung als Dokumentarfilmer hat dem Briten bei seiner aktuellen Produktion sicher nicht geschadet. So verwundert es kaum, dass „Battle For Haditha“ eher dem Wesen eines Dokumentar- denn eines Spielfilms entspricht. Schon der Auftakt überrascht: Der verwöhnte Cineast bekommt anstelle eines aufwendigen Intros zunächst spröde Interviewfetzen mit US-Soldaten vorgesetzt. Ohnehin hat das Publikum häufig das Gefühl, eher einer Reportage als einem Kriegsfilm zu folgen. Aber eben diese Wirklichkeitsnähe sorgt für die beispiellose Intensität des Films. Die stets präsente Todesgefahr im kriegsgebeutelten Irak und die zermürbende Ungewissheit darüber, wer Freund und wer Feind ist, spürt der Zuschauer von der ersten bis zu letzten Sekunde. Nicht zuletzt durch seine explizite Gewaltdarstellung macht der Regisseur unmissverständlich klar: So sieht Krieg wirklich aus!

    Auch handwerklich ist der Produktion die Herkunft des Regisseurs anzumerken. Broomfield, der in den 1970er Jahren den Stil des Cinéma vérité für sich entdeckte, setzt auch in der Inszenierung von „Battle For Haditha“ auf größtmögliche Authentizität. Der beharrliche Einsatz der Handkamera ist zwar wenig originell, unterstützt aber das realistische Szenario. Neben den verwackelten Bildern geizt der Kameramann auch nicht mit hektischen Zooms, Überblendungen und häufig nachziehenden Schärfereglern. All das weckt unweigerlich Erinnerungen an die Fernsehbilder während der Berichterstattung über den Irak-Krieg.

    Erstaunlich ist, dass einen weniger die penible Rekonstruktion des Massakers als vielmehr die Neutralität, mit der sich der Regisseur an den Krieg herantastet, in den Bann zieht. Zwar lässt Broomfields brutale Visualisierung der eigentlichen Tat kaum Interpretationsspielraum für den Zuschauer. Entscheidend ist aber, was in der knappen Stunde vor der Explosion passiert. „Battle For Haditha“ widmet sich hier Einzelschicksalen. Der Zuschauer verfolgt das Geschehen aus drei verschiedenen Blickwinkeln. Anfangs dominieren die Attentäter und ihre Vorbereitung des Anschlags. Daneben wird die Beziehung des unbeteiligten Vaters Ahmed zu seiner Familie in den Mittelpunkt gerückt. Lediglich bei der drakonischen Darstellung der US-Soldaten schießt der Regisseur zuweilen über das Ziel hinaus. Mithilfe dieser episodenhaften Dreiteilung gewährt „Battle For Haditha“ den Blick in unterschiedliche Mikrokosmen, in denen gänzlich gegensätzliche Probleme auf der Tagesordnung stehen. Thematisiert werden die miserablen Lebensbedingungen der US-Soldaten und ihre Art, mit der ständigen Angst umzugehen; der tief verwurzelte Hass der Aufständischen auf ihre Besatzer; und nicht zuletzt die Angst der irakischen Zivilbevölkerung zwischen die Fronten zu geraten.

    Fazit: „Battle For Haditha“ besitzt die rohe Energie eines Kriegsfotos: authentisch, entsetzlich und dennoch faszinierend. Subtil ist was anderes – aber angesichts der brisanten Thematik ist das nicht weiter schlimm. Ob die Gräueltaten von Haditha in dieser Intensität auf die Leinwand gehören, sollte jeder Zuschauer für sich entscheiden. Wer sich von der Brutalität nicht abschrecken lässt, bekommt mit „Battle For Haditha“ ein packendes Kriegs-Drama serviert, das den Blick über den amerikanischen Tellerrand hinaus richtet.

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