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    Fünf Gräber bis Kairo
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Fünf Gräber bis Kairo
    Von Björn Becher

    In der großen Interviewserie mit Cameron Crowe („Hat es Spaß gemacht, Mr. Wilder?“) zeigt sich Regisseur Billy Wilder durchaus kritisch gegenüber den meisten seiner Werke. An fast jedem Film hat er etwas zu bemängeln. Über „Fünf Gräber bis Kairo“ verliert er dagegen kein schlechtes Wort. „Das war ein guter Film, den mochte ich“, antwortet Wilder, als ihn Crowe auf seine zweite Hollywood-Regiearbeit anspricht. Und da kann man Wilder nur beipflichten. „Fünf Gräber bis Kairo“ ist ein extrem spannendes Kriegs-Abenteuer-Drama, bei dem überrascht, wie gut es den Zeitgeist überdauert und auch völlig losgelöst von der Epoche, in der es entstand, funktioniert.

    Afrika, 1942: Die Briten ziehen gegen die deutschen Truppen immer öfter den Kürzeren. Nach einer weiteren verheerenden Schlacht fährt ein einsamer Panzer voller Leichen durch die Wüste. Nur ein Soldat hat überlebt: John J. Bramble (Franchot Tone) fällt schwer verletzt aus dem rollenden Sarg. Er schleppt sich zu einem nahegelegenen britischen Stützpunkt, den er wie durch ein Wunder erreicht. Doch nach dauerhaften Bombardements sind die Briten geflohen und jeden Moment können die feindlichen Truppen eintreffen. Der Hotelbesitzer Farid (Akim Tamiroff) nimmt sich gegen den Widerstand seines Zimmermädchens Mouche (Anne Baxter), das um ihr Leben fürchtet, des Soldaten an. Kurz darauf trifft niemand Geringeres als der deutsche Feldmarschall Erwin Rommel (Erich von Strohheim) ein, um das Hotel zu seinem Stützpunkt zu erklären. Bramble wird deshalb als Kellner Davos ausgegeben, der in Wahrheit bei den Bombenangriffen ums Leben gekommen ist. Davos war jedoch zur Überraschung aller ein deutscher Spion. Diesen Wink des Schicksals und den ungehinderten Zugang zu Rommel will Bramble nutzen. Doch bei seiner ersten Aktion macht die undurchsichtige Mouche ihm einen Strich durch die Rechnung…

    Billy Wilders Spezialität sind Komödien. Dank seines Gespürs für pointierte Dialoge und das richtige Maß an Situationskomik sind es vor allem die lustigen Filme wie Manche mögen‘s heiß, Eins, zwei, drei oder Das Appartement, die eng mit seinem Namen verbunden sind. Aber Wilder war vielfältiger, wie der Gerichtsthriller Zeugin der Anklage, der Film Noir Frau ohne Gewissen, das Noir-Drama Boulevard der Dämmerung und das eindringliche Alkoholiker-Drama Das verlorene Wochenende beweisen: Allesamt Klassiker, die zu den größten Hollywoodfilmen aller Zeiten zählen. Und auch im Abenteuergenre hat Wilder erfolgreich gewildert: „Fünf Gräber bis Kairo“ ist Wilders erster - wenn auch leicht in Vergessenheit geratener - Klassiker.

    Mit seinem langjährigen Autorenpartner Charles Brackett gelang Wilder ein spannendes Drama vor damals aktuellem Hintergrund: Als der Film Anfang 1943 gedreht wurde, war es gerade erst wenige Monate her, dass die Alliierten Rommels Afrika-Feldzug bei El Alamein stoppen konnten. Noch immer herrschte Ver- und auch ein wenig Bewunderung, dass es Rommel gelang, die ägyptische Stadt Tobruk einzunehmen. Wie konnte der deutsche Feldmarschall die englischen Truppen nur so vernichtend schlagen? Der zwischen den beiden Ereignissen angesiedelte „Fünf Gräber für Kairo“ liefert dafür zwar eine in eine Agentenstory gekleidete Erklärung, diese ist jedoch nur sekundär. Sie ist vielmehr nur Mittel zum Zweck, um Brambles Mission riskanter zu gestalten und die Spannung hochzutreiben.

    Als der Film gedreht wurde, tobten die Kämpfe in Afrika noch. Rommel war zwar gestoppt, aber nicht besiegt. Trotzdem verweigert sich Wilder klassischer Propaganda. Der frühere Stummfilmregisseur und spätere Bösewicht-Darsteller Erich von Strohheim (Die große Illusion) verkörpert Rommel zwar mit einem parodistischen Anstrich, dennoch geht Wilder äußerst respektvoll mit dem Feind um. Da passt auch die differenzierte Zeichnung des von Peter van Eyck (Lohn der Angst) gespielten Lt. Schwegler gut ins Bild. Eine undurchsichtige Figur, die zwischenzeitlich sogar die Sympathien des Zuschauers gewinnt, bei der man aber nie genau weiß, woran man eigentlich ist. Auch diese Figur trägt nicht den Stempel „Böser Nazi“. Patriotische Anklänge fehlen völlig, wobei es Wilder natürlich nutzte, dass die amerikanische Armee keine Rolle spielt. Nur da der Held Brite ist, waren einige kritische Untertöne erlaubt. Bramble schwingt zwar hin und wieder pathetische Reden, aber selbst diesen verleiht Wilder immer etwas Doppelbödiges, das den Zuschauer subtil dazu auffordert, die Äußerungen zu hinterfragen. Einzelne Figuren vollbringen Heldentaten, doch es geschieht aus der Situation heraus und ohne pathetisches Aufopferungsgehabe.

    Dass sich Wilder den Zeitgeist-Zwängen so konsequent widersetzte, ist letztendlich dafür verantwortlich, dass „Fünf Gräber bis Kairo“ die Dekaden deutlich besser überstanden hat als viele Filme mit ähnlicher Thematik, die trotz spannender Inszenierung heute bisweilen etwas sonderlich wirken. Der eigentliche Grund für die Klasse des Films ist das nicht, aber doch das Tüpfelchen auf dem I. Im Vordergrund steht Wilders Doppeltalent als Autor und Regisseur: Schon die Einführungssequenz, in der ein Panzer voller Toter durch die Wüste rollt, ist bemerkenswert. Danach schlägt die Story einen Haken nach dem anderen, wobei Wilder wunderbar Agententhriller und Verwechslungskomödie kreuzt. Zwischendurch wird das Geschehen immer wieder geschickt aufgelockert. Gerade der leicht panische, von Akim Tamiroff (Im Zeichen des Bösen) schön überdreht gespielte Hotelbesitzer verbucht einige amüsante Szenen.

    Obwohl „Fünf Gräber bis Kairo“ eine der günstigeren Paramount-Produktionen war, konnte Wilder auf erstklassiges Personal zurückgreifen. Vor der Kamera verzückt die schöne Anne Baxter (Alles über Eva, Ich beichte, Der Glanz des Hauses Amberson) als undurchschaubares Zimmermädchen, das bis zum Finale eine potentielle Gefahr für den Helden darstellt. Dass Superstar Cary Grant (Über den Dächern von Nizza, Der unsichtbare Dritte, Leoparden küsst man nicht) die Hauptrolle ablehnte, weil es ihm am Drehort zu heiß war, erwies sich im Nachhinein als Glücksfall: Franchot Tone („Meuterei auf der Bounty“) ist eben kein klassischer Held und kein x-mal gesehenes Hollywoodgesicht, das die Geschichte überschattet hätte. Mit Cutter Doane Harrison und Kameramann John F. Seitz (mit dem Wilder noch drei Mal erfolgreich zusammenarbeitete) standen dem Regisseur erstklassige und sehr erfahrene Partner zur Seite, deren Arbeit jeweils mit einer Oscar-Nominierung gewürdigt wurde.

    Fazit: „Fünf Gräber bis Kairo“ leidet ein wenig unter der überragenden Qualität von Wilders Gesamtwerk. Wilder hat sicher einige noch bessere Filme gedreht, doch das schmälert den Wert dieses ebenso spannenden wie amüsanten Abenteuer-Dramas nicht im Geringsten. Was in den Filmographien der meisten einen absoluten Spitzenplatz einnehmen würde, reicht bei Wilder eben nur fürs obere Drittel.

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