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    Die neun Pforten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Die neun Pforten
    Von Björn Helbig

    Meisterregisseur Roman Polanski (Chinatown, Der Pianist) interessierte sich schon immer fürs Okkulte. Mit seinem Film „Die neun Pforten“ wagte er sich 1999 ein weiteres Mal in übersinnliche Gefilde. Doch nicht nur im Film geht es nicht mit rechten Dingen zu – auch bei der Rezeption desselbigen scheinen düstere Kräfte am Werk. Es ist vollkommen unverständlich, warum dieser stimmungsvoll inszenierte, doppelbödige Mystery-Thriller zu Polanskis schwächeren Werken gezählt wird.

    Der skrupellose Buchdetektiv Dean Corso (Johnny Depp) verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Auffinden literarischer Raritäten, die er nicht immer mit lauteren Mitteln an sich bringt und an den Meistbietenden verkauft. Ein besonders interessanter Fall erwartet Corso, als er von dem zwielichtigen Teufelsbuch-Sammler Boris Balkan (Frank Langella) angeheuert wird, um die Echtheit einer Ausgabe von „Die neun Pforten ins Reich der Schatten“ anhand der zwei anderen existierenden Exemplare zu überprüfen. Auch wegen der horrenden Summe, die Balkan ihm bietet, willigt Corso ein. Bald findet er allerdings heraus, dass viel mehr hinter den Büchern steckt als er dache. Auch andere Personen machen Jagd auf die Bücher und die gehen sogar über Leichen...

    „Die neun Pforten“ funktioniert auf mehreren Ebenen. Vordergründig handelt es sich um einen Mystery-Thriller, der sich frech über einige Regeln des Genres hinwegsetzt und es nicht eilig hat, seine Geschichte preiszugeben. Wie Corso rätselt auch der Zuschauer, was es mit den Büchern auf sich hat. Schon früh ist zu ahnen, dass es um die Beschwörung dunkler Mächte geht. Wer allerdings welches Interesse an den Büchern hat und welche Rätsel diese verbergen, erfährt der Zuschauer erst allmählich. Um all die zahlreichen Hinweise und Anspielungen mitzubekommen, macht es Sinn, sich den Film mehrmals ansehen. Viele Situationen, in die der Buchdetektiv gerät, finden sich später in den Holzschnitt-Abbildungen des Buches wieder. Aber das ist nur eins der vielen unterhaltsamen Details. Polanski kommt es bei der Inszenierung nicht auf Spannung und vordergründige Effekte an, sondern auf die stilvolle Umsetzung besagter Details, die den ganzen Film so rätselhaft machen wie das titelgebende Buch selbst. Er versteht es, vieles in der Schwebe zu lassen und keine endgültigen Antworten zu geben. Das ist Mystery im besten Sinne und gleichzeitig eine gekonnte Abrechnung mit der Teufelsanbeter-Szene.

    Obwohl „Die neun Pforten“ eher ein ruhiges, gemächliches Werk ist, bei dem Polanski immer wieder auf Understatement setzt, übt es – auch nach mehrmaligem Gucken - noch einen unheimlichen Sog aus. Dass der Film diesen Effekt hat, liegt aber nicht nur an Polanskis Inszenierungsgabe, sondern auch an der Performance des Hauptdarstellers. Johnny Depp (Sweeney Todd, Sleepy Hollow, Dead Man) agiert genauso zurückgenommen wie der ganze Film. Und trotzdem schafft er es, seiner Figur das gewisse Etwas und eine Form von Subtilität zu verleihen, die anderen Charakteren oft abgeht. Corso ist eine faszinierende Person und – wie im Übrigen auch die anderen Figuren des Films – nicht gerade leicht zu durchschauen. Er ist skrupellos, egozentrisch, getrieben und hartnäckig. Außerdem schimmert immer wieder eine gewisse Schwäche und Manipulierbarkeit durch, die an die Antihelden der Schwarzen Serie erinnert. Zusammen mit Frank Langella als zwielichtiger Boris Balkan, Lena Olin (Königin der Verdammten als teufelsbesessene Liana Telfer und Emmanuelle Seigner (Frantic) als geheimnisvolle, namenlose Schönheit liefert Depp einmal mehr eine kongeniale Leistung ab.

    Der Film beruht auf dem Roman „El Club Dumas“ des spanischen Journalisten und Schriftstellers Arturo Pérez-Reverte und müsste, wenn man den englischen Titel „The Ninth Gate“ wörtlich übersetzt, eigentlich „Die neunte Pforte“ heißen – was im Hinblick auf die Filmhandlung auch mehr Sinn machen würde. Aber das ist nur eine von mehren kleinen Dissonanzen, die nach der Fertigstellung des Films auftraten. So lief beispielsweise die Anti-Raucher-Lobby Sturm gegen den Film, denn Johnny Depp zündet sich eine Zigarette nach der anderen an. Dies führte sogar dazu, dass „Die neun Pforten“ von mehreren amerikanischen Sendern boykottiert wurde. In diesem Zusammenhang kam auch gleich der nächste unsachliche Kritikpunkt auf: Der Protagonist raucht „Lucky Strike“ und das ist nur einer von vielen Fällen von Product Placement. In wie weit das finanziellen Gründen geschuldet ist oder sogar von Polanski mit dem Filmthema thematisch verknüpft wurde, um eine weitere Bedeutungsebene zu gewinnen, lässt sich in aller Ausführlichkeit kaum darstellen – ist aber auch völlig irrelevant in Bezug auf die Qualität des Films.

    Und die wurde, wie weiter oben schon angemerkt, zumindest von den amerikanischen Kritikern als nicht besonders hoch eingeschätzt. Etwa als „ein Film, der keine Idee hat, was er eigentlich sein will“ (Chris Kaltenbach, Baltimore Sun) oder einfach als „unsinniger Mischmasch“ (Gemma Files, Films.com) wurde Polanskis Werk bezeichnet. Noch deutlicher wird das Problem, das Kritiker und auch viele Zuschauer mit dem ironischen Unterton von „Die neun Pforten“ haben, durch die Aussage von Lisa Nesselson in „Variety“: „Der Film erzählt eine zotige Teufelsgeschichte, deren alberner, ironischer Ton die Zuschauer, die einen Horrorfilm erwarten, verschrecken könnte.“ Wenn man den Film lediglich daran misst, wie er als Horror- oder zumindest als Gruselfilm funktioniert, wird man Polanskis Intention nicht gerecht. Dieser hat sich im Laufe seines Schaffens - ob in parodistischer (Tanz der Vampire), unheimlicher („Der Mieter“) oder nervenaufreibender Manier (Rosmaries Baby) – immer wieder mit übersinnlichen Motiven befasst. Nachdem Polanskis Frau Sharon Tate 1969 von Charles Manson und seinen Teufelsanbetern ermordet wurde, dauerte es viele Jahre, bis er sich wieder explizit mit Satanismus beschäftigte. Angesichts dieser schrecklichen Erfahrung ist es schon erstaunlich, wie leichtfüßig Polanski sich in „Die neun Pforten“ mit dem Thema auseinandersetzt.

    In Deutschland erwiesen sich die Kritiker bezüglich des Films offener. Auch wenn der große Jubel ausblieb, war man sich doch bewusst, dass Polanski mit „Die neun Pforten“ etwas nicht Alltägliches gelungen war. „Elegant ironische Teufelei, ein intensiver Film über die Stille, suggestiv erzählt wie ein fesselnder Roman. Sinnlich, witzig, mysteriös“, resümierte etwa „Blickpunkt Film“ und kommt damit Polanskis Ansinnen näher als die meisten amerikanischen Blätter. Denn auch wenn Polanski den Okkultismus-Thriller nicht neu erfindet, ist ihm doch ein starker Beitrag zum Genre gelungen.

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