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    Boston Streets
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Boston Streets
    Von Lars-Christian Daniels

    Schauspieler Brian Goodman (Catch Me If You Can, München) konnte für sein autobiografisch geprägtes Regiedebüt „Boston Streets“ zwei Hauptdarsteller gewinnen, die bereits bei einer ganzen Reihe hochkarätiger Thriller mitgewirkt haben. Während Ethan Hawke für seinen starken Auftritt in Training Day als bester Nebendarsteller für den Oscar nominiert wurde, stand Mark Ruffalo unter anderem für David Finchers Meisterwerk Zodiac und Michael Manns Collateral vor der Kamera und sucht derzeitig an der Seite von Leonardo DiCaprio nach dem Geheimnis von Martin Scorseses Shutter Island. In Goodmans Thriller-Drama „Boston Streets“, dem der Kinostart in Deutschland verwehrt blieb, spielen Hawke und Ruffalo zum ersten Mal Seite an Seite und erweisen sich schnell als harmonisches Duo. Dass der schnörkellos erzählte Film aber letztlich nicht über gesundes Mittelmaß hinauskommt, ist insbesondere einer zu selten nach oben ausschlagenden Spannungskurve und einer viel zu schlampigen Einleitung geschuldet.

    Brian (Mark Ruffalo, Vergiss mein nicht, The Kids Are All Right) und Paulie (Ethan Hawke, Der Club der toten Dichter, Daybreakers) lernen im Problemviertel South Boston früh die Gesetze der Straße kennen. Sie wachsen in einer Welt voller Drogen und Gewalt auf und übernehmen schon als Kinder Botengänge und Gefälligkeiten für den lokalen Boss. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis aus ihnen erwachsene Kleinganoven werden, deren Alltag aus Schutzgelderpressung, Überfällen und Drogenhandel besteht. Beide landen schließlich für fünf Jahre hinter Gittern. Nach ihrer Entlassung will Paulie einen letzten großen Coup durchziehen, um finanziell auszusorgen und ein für alle Mal den Absprung aus dem Sumpf des Verbrechens zu schaffen. Dafür braucht er aber die Hilfe seines Freundes Brian, der mittlerweile eine Familie gegründet hat und eigentlich auf der Suche nach ehrlicher Arbeit ist…

    Der Knast kann Menschen verändern, das ist sicher. Während sich Dramen wie Tony Kayes American History X oder Marc Roccos Murder In The First intensiv mit diesem Prozess auseinandersetzen, entscheiden sich die Drehbuchautoren Brian Goodman, Donnie Wahlberg und Paul T. Murray für einen anderen Weg: Sie gliedern „Boston Streets“ in zwei Teile. Während die erste Dreiviertelstunde nach kurzer Skizzierung der Kindheit ausführlich vom Alltag der erwachsenen Verbrecher Paulie und Brian erzählt, beleuchtet die zweite Filmhälfte vor allem Brians inneren Kampf, der sich zwischen seinem neuen, ehrlichen Leben als Familienvater und der verlockenden Aussicht auf das schnelle Geld nicht entscheiden kann. Den fünf Gefängnisjahren, in denen Brian realisiert, wie sehr seinen Kindern der Vater fehlt, werden nur wenige Minuten eingeräumt. Da „Boston Streets“ keine Charakterstudie sein will, ist dies zu verschmerzen. Als problematisch erweist sich aber die Entscheidung der Filmemacher, die Kindheit von Brian und Paulie fast komplett auszusparen.

    Wer die beiden Freunde sind, aus was für Familien sie stammen und was sie antreibt, bleibt fast gänzlich im Dunkeln. Dies ist umso verwunderlicher, weil Goodman Teile seiner eigenen kriminellen Jugend auf die Leinwand bringen will und es dem Drehbuch demnach an interessantem Stoff nicht mangeln sollte. Die erste Hälfte gibt dem Zuschauer aber kaum Gelegenheit, sich in die zwei Hauptfiguren hineinzuversetzen. Während sich große Gangster-Dramen wie Sergio Leones Es war einmal in Amerika oder Martin Scorseses GoodFellas die Zeit nehmen, ausführlich die Kindertage ihrer Protagonisten zu schildern und so notwendige Motive für das weitere Geschehen liefern, verzichtet „Boston Streets“ auf jegliche Erklärung, warum Brian und Paulie auf die schiefe Bahn geraten. Das hemmt die Spannung enorm, weil lange kein emotionaler Zugang zu den beiden möglich ist. Paulie, der kriminelle Junggeselle mit den ständig wechselnden Liebhaberinnen, und Brian, der trinkende Rabenvater, der regelmäßig die Baseballspiele seines Sohnes verpasst – die Geschichte der Figuren ist schnell erzählt.

    So wird es erst nach einer guten Stunde wirklich interessant, als Brian nach seiner Entlassung dem Gaunerleben abschwören und sich stärker Frau und Kindern widmen möchte. Mark Ruffalos Spiel erweist sich dabei jederzeit als überzeugend, er verleiht Brian Authentizität und vermittelt glaubhaft dessen inneren Konflikt, als ihm Paulie vom geplanten Überfall auf einen Geldtransporter erzählt. Ethan Hawke wird in seiner Rolle deutlich weniger abverlangt, er muss lediglich den kriminellen Draufgänger mit dem schlechten Einfluss mimen. Als Lichtblick erweist sich die hervorragend aufspielende Amanda Peet (Identität, 2012), die in der Rolle der besorgten Ehefrau bei den Streitgesprächen mit ihrem um die Häuser ziehenden Mann für die starken Momente des Films sorgt.

    Vielleicht hätte aus „Boston Streets“ ein richtig gutes Thriller-Drama werden können, hätten Brian Goodman und Donnie Wahlberg nicht gleich alles selbst übernommen: Regie, Drehbuch und Nebenrollen. Ein wenig mehr Ursachenforschung und ein bisschen weniger 08/15-Crime – es wäre mehr übrig geblieben, als ein mäßig spannender, von vorne bis hinten durchschnittlicher Film, der in den Filmografien seiner beiden Hauptdarsteller definitiv zu den schwächeren zählt.

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