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    It Might Get Loud
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    It Might Get Loud
    Von Sascha Westphal

    Für seine politisch engagierte, aber letztlich doch ein wenig stromlinienförmige Dokumentation Eine unbequeme Wahrheit hat Davis Guggenheim den Oscar gewonnen. Und das war alles andere als eine Überraschung. Schließlich lag sein Porträt Al Gores ganz auf der Linie der Academy. Hier von einem Kino des kleinsten gemeinsamen Nenners zu besprechen, wäre sicher etwas unfair, aber die Versuchung ist trotzdem recht groß. Bei „It Might Get Loud“, seiner neuesten Dokumentation, ist Guggenheim nun einen ganz anderen, weitaus unkonventionelleren Weg gegangen. Es dreht sich hier zwar alles um die E-Gitarre und ihre Rolle in der Rock-Musik der vergangenen 60 Jahre. Aber Guggenheim ist zum Glück nicht der Versuchung erlegen, einfach nur deren Mythos noch einmal von Neuem zu beschwören.

    Guggenheims Ansatz ist viel intimer und zugleich auch konkreter. Er lässt einfach drei große Gitarristen, Jimmy Page von Led Zeppelin, The Edge von U2 und Jack White, den Gründer der Raconteurs und die eine Hälfte des Duos The White Stripes, erzählen und bringt sie zu einem Gipfeltreffen zusammen. Eine Jam-Session und drei kleine Biopics, in denen die Musiker ihren Werdegang Revue passieren lassen, daraus setzt sich diese angenehm vielstimmige, aber am Ende leider dann doch ein wenig zu konfliktscheue Dokumentation zusammen. Allerdings können die drei alleine durch ihre Leidenschaft selbst eingeschworenen Skeptikern, denen der ganze Wirbel um die E-Gitarre entschieden zu weit geht, etwas von der einzigartigen Kraft und Faszination dieses Instruments vermitteln.

    Jimmy Page, The Edge und Jack White sind nicht nur drei Ausnahmemusiker, die ihren ganz eigenen Gitarrenstil entwickelt und perfektioniert haben. Sie stehen auch für drei Generationen und damit drei ganz unterschiedliche Richtungen innerhalb der Rockmusik. Als Jugendlicher hatte Jimmy Page begonnen, Skiffle, eine britische Variante des Folk-Pop, zu spielen, und sich dann einen Namen als Studiomusiker gemacht, bevor er schließlich als Mitglied der Yardbirds und Gründer von Led Zeppelin zur Legende wurde. Mittlerweile ist er, der zumindest seit den frühen 70er Jahren für eine zum Bombast tendierende, von nicht endenden Soli geprägte Form des Rock’n’Roll steht, mit seiner schlohweißen Mähne so etwas wie der Elder Statesman des Hard Rock, einer, der vielleicht ein wenig zu sehr an seinen Mythos glaubt. Aber Guggenheim zeigt auch eine ganz andere Seite dieses Musikers, etwa wenn er eine alte Platte mit Link Wrays „Rumble“ auflegt und sich dabei wieder in den leidenschaftlichen jungen Mann verwandelt, der einfach nur Gitarre spielen wollte.

    Die Geschichte der Rock-Musik ist eine des ewigen, immer wieder von neuem beginnenden Aufstands der Söhne gegen die Väter. The Edge ist damals im Dublin der späten 70er Jahre mit dem festen Vorsatz angetreten, endlich Schluss zu machen mit diesem aufgeblähten Stadion-Rock und seinen selbstverliebten Soli. Auf der Suche nach einem eigenen Stil und einem unverwechselbaren Klang hat er sich der Technik zugewandt und sich dabei auf das Spiel mit Toneffekten verlegt. Eine Vielzahl von Pedalen erlaubt es ihm, die Töne, die er seiner Gitarre entlockt, in ganz andere Klänge zu verwandeln. Die Möglichkeiten, die sich so bieten, sind nahezu unbegrenzt. Aber sie haben auch sehr Artifizielles in die Rock-Musik gebracht, und dagegen läuft nun Jack White Sturm.

    Gleich zu Beginn des Films baut White aus Draht, einem Stück Holz und einer leeren Cola-Flasche eine improvisierte Gitarre. Dann schließt er das selbstgebastelte Instrument an einen Verstärker an und entlockt ihm genau die rauen, erdigen Töne, diese irgendwo zwischen dem düsteren Blues der 30er Jahre und dem wütenden Punk der 70er Jahre angesiedelten Klänge, mit denen er gegen die Vormacht der Technik wie gegen alles Künstliche und Unnatürliche ankämpft. Diese primitive Gitarre und ihr harter Sound führen zurück zu den Wurzeln der Rock-Musik, ein Kreis schließt sich. Whites Begeisterung für den Blues-Musiker Son House ist dabei nur ein weiterer Ausdruck seiner Sehnsucht nach Klarheit und Authentizität.

    Vielleicht sind die ideologischen Differenzen zwischen Jimmy Page, The Edge und Jack White am Ende tatsächlich unerheblich, vielleicht müssen sie angesichts der Wertschätzung, die sie als Gitarren-Künstler einander entgegenbringen, wirklich verblassen. Insofern muss alles auf diesen einen Moment ganz am Ende des Films hinauslaufen, in dem sie sich gemeinsam an eine Coverversion des „The Band“-Songs „The Weight“ wagen. Dieses schon so oft nachgespielte Stück, das sich letztlich immer wieder selbst behauptet, ganz unabhängig davon, welcher Gitarrist sich nun an ihm versucht, ist sicheres Terrain. Statt die Differenzen herauszubringen, die diese drei Musiker eben doch trennen, vereint es sie auf neutralem Boden. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, schließlich markiert diese Jam-Session den Höhepunkt des Films. Nur hätte Guggenheim zuvor nicht jedem Konflikt aus dem Weg gehen müssen. Ein wenig Konfrontation oder zumindest eine gemeinsame Diskussion über ihre grundsätzlichen Haltungen hätte „It Might Get Loud“ auf jeden Fall gut getan.

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