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    The Young Victoria
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Young Victoria
    Von Ulf Lepelmeier

    Die Filmindustrie widmet sich nur zu gern der ereignisreichen Geschichte des englischen Königshauses, bietet dieses doch Jahrhunderte von Herrscherschicksalen zwischen persönlichen Wünschen und Ambitionen auf der einen sowie staatstragenden Ereignissen und Entscheidungen auf der anderen Seite. Zudem bieten die historischen Stoffe im aristokratischen Milieu Dekorateuren und Kostümbildnern die Möglichkeit, sich ordentlich auszutoben – ein zumindest visuell ansprechendes Produkt scheint damit garantiert. Auch das romantische Historien-Drama „The Young Victoria" schwelgt in prunkvollen Interieurs, präsentiert aufwendige Roben und ausladende Festivitäten. Regisseur Jean-Marc Vallée stellt dabei die opulent bebilderte Liebesgeschichte der ungestümen Victoria und ihres Cousins Albert in den Mittelpunkt des von allerlei Intrigen umspielten Geschehens.

    Die junge Victoria (Emily Blunt) wächst in den 1820er Jahren fern vom königlichen Hof bei ihrer Mutter, der Herzogin von Kent (Miranda Richardson), und deren engem Vertrauten Sir John Conroy (Mark Strong), dem Nachlassverwalter ihres früh verstorbenen Vaters, im Kensington Palace auf. Am Tage ihrer Geburt noch auf der fünften Stelle der Thronfolge kristallisiert sich in ihren Jugendjahren immer deutlicher heraus, dass ihr einmal die englische Krone zustehen wird. Für ihren Cousin Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (Rupert Friend), der sich nach dem Willen des Königs von Belgien (Thomas Kretschmann) mit ihr verbinden und somit das Haus Coburg noch weiter im europäischen Hochadel verankern soll, hegt die von der Außenwelt abgeschirmte Königin sofort große Sympathie. Aus der von der Verwandtschaft herbeigesehnten Bindung entwickelt sich eine wahre Liebe. Aber auch wenn die Briefkorrespondenz mit ihrem Geliebten aus dem fernen Coburg sie aufheitert und stärkt, muss die junge und noch unerfahrene Herrscherin mit ihren 18 Jahren um Anerkennung kämpfen und übler Nachrede und Intrigen am neu bezogenen Buckingham Palace trotzen. Sie wünscht den besonnenen Albert an ihrer Seite, um der Bürde der englischen Krone besser gerecht werden zu können...

    Gleich am ersten Abend ihrer Begegnung sitzen sich Victoria und Albert unter den wachsamen Augen der Herzogin von Kent und ihrem Vertrauten Sir John Conroy am Schachbrett gegenüber. Dass die beiden Jugendlichen, die sofort etwas füreinander übrig haben, wie Schachfiguren im Spiel der europäischen Monarchien hin- und hergeschoben werden, ist offensichtlich. Doch diese unmissverständliche Symbolik reicht offenbar nicht aus. Unbedingt müssen beide während der Partie auch noch erwähnen, dass sie sich wie leblose Figuren fühlen, denen der Lebensweg diktiert wird. Regisseur Jean-Marc Vallée (C.R.A.Z.Y.) scheint für eine subtile Erzählweise nicht all zu viel übrig zu haben, was die zahlreichen erklärenden Voice-Over-Passagen noch weiter unterstreichen.

    Die Inszenierung ist gediegen und macht einen etwas antiquierten Eindruck. Während die Geschichte trotz der dramatischen Ereignisse etwas vor sich hinplätschert, ist die gefühlvolle Schilderung der aristokratischen Liebesbeziehung zwischen Victoria und Albert - dank der guten Chemie der Hauptdarsteller - gelungen. Eine wirkliche Auslotung der Gefühlswelt der Namensgeberin des viktorianischen Zeitalters darf allerdings nicht erwartet werden. Denn auch wenn der Film die menschlichen Aspekte gegenüber den politischen Vorkommnissen in der frühen Regierungszeit Victorias in den Vordergrund stellt, ist „The Young Victoria" nie eine Charakterstudie, sondern immer eine Lovestory vor historischem Hintergrund. Die erlesenen Möbelstücke und die stets in Halbtotalen vor jedem Eintreten eines Charakters in ihrer prunkvollen Gänze gezeigten Räumlichkeiten scheinen sogar teils von größerem Interesse zu sein, als die Konflikte und Intrigen, mit denen sich die noch naive und ungestüme Regentin herumschlagen muss.

    Mark Strong (Sherlock Holmes, Der Mann, der niemals lebte) und Miranda Richardson (Sleepy Hollow, Der Prinz und ich) haben eigentlich nur verschlagen, beziehungsweise streng und besorgt dreinzuschauen, während Rupert Friend (Cheri) als charmanter und verständnisvoller Albert von Sachsen-Coburg und Gotha einen ordentlichen Eindruck hinterlässt und hervorragend mit Hauptdarstellerin Emily Blunt (Wolfman, Sunshine Cleaning) harmoniert. Blunt, die mit ihrer Rolle als biestige Assistentin in Der Teufel trägt Prada auffiel, stellt Victoria zwischen jugendlichem Ungestüm und zunehmender Ernsthaftigkeit ansprechend dar und meistert die Titelrolle der von königlichen Bürden und Pflichten belasteten Jugendlichen souverän. Doch wirklich ergreifend gerät ihre Verkörperung der Monarchin trotzdem nicht. So spielte etwa Cate Blanchett als junge Elizabeth in Shekhar Kapurs gleichnamigem Historien-Drama, das sich ebenfalls auf die ersten steinigen Regierungsjahre einer großen englischen Herrscherin konzentriert, in einer anderen Liga.

    Fazit: „The Young Victoria" ist ein etwas steif inszenierter Historienfilm mit markant romantischer Note, der den Liebesbriefen stets mehr Aufmerksamkeit entgegenbringt als den politischen Problemen der jungen Herrscherin. Trotz der recht überzeugend aufspielenden Hauptdarstellerin und der eindrucksvollen Kulissen bleibt der Eindruck eines belanglosen Kostümfilms, dem etwas mehr Schwung und Esprit gut getan hätte.

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