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    The Firm - 3. Halbzeit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Firm - 3. Halbzeit
    Von Lars-Christian Daniels

    Fans von „The Football Factory" dürfen sich freuen: Nick Love is back! Der britische Filmemacher und Ex-Hooligan kehrt nach seinem Independentfilm „The Business" und dem Crime-Drama „Outlaw" zurück zu seinen Wurzeln und orientiert sich in „The Firm - 3. Halbzeit" inhaltlich und stilistisch wieder an seinem Achtungserfolg von 2004. Loves Remake des TV-Films „The Firm" beleuchtet erneut das raue „Firmen"-Milieu der englischen Fußballszene und lässt zugleich den Londoner Zeitgeist der farbenfrohen 80er Jahre wiederaufleben. Anders als die in der Hauptrolle mit Gary Oldman besetzte BBC-Produktion von 1988 setzt Love in seiner Neuverfilmung auf einen weitestgehend unbekannten Cast und erzählt die Geschichte aus der Sicht des Jugendlichen Dom, der den gewalttätigen Gangleader Bex umgarnt und sich schließlich der Firma von West Ham United anschließt. Der in Deutschland direkt auf DVD erscheinende Film erreicht nicht ganz die Qualität von „The Football Factory" oder Lexi Alexanderss„Hooligans", kann die Erwartungen aber über weite Strecken erfüllen.

    Der 17-jährige Dom (Calum McNab) und sein bester Kumpel Terry (Billy Seymour) geraten bei einem nächtlichen Discobesuch mit dem ausgelassen feiernden Bex (Paul Anderson) aneinander. Was die Teenager nicht ahnen: Hinter dem Mann, der tagsüber im feinen Zwirn als seriöser Immobilienmakler auftritt, verbirgt sich der Anführer der berüchtigten „Inter City Firm", die sich am Wochenende bei Massenprügeleien regelmäßig mit den Schlägertrupps rivalisierender Fußballclubs misst. Als die beiden sich am nächsten Tag bei dem einflussreichen Raufbold entschuldigen, findet dieser Gefallen an Doms selbstbewusstem Auftreten und nimmt ihn kurzerhand unter seine Fittiche. Dom sieht in Bex ein Idol und ist zunehmend begeistert vom Zusammenhalt innerhalb der Firma. Er versucht mit allen Mitteln, Eindruck bei seinem Vorbild zu schinden und schreckt dabei auch vor erbittert geführten Straßenkämpfen nicht zurück...

    Wie schon in „The Football Factory" verzichtet Nick Love auf eine ausführliche Einleitung und setzt beim Publikum Grundwissen und Interesse an der Thematik voraus. Wer mit „The Firm" nur John Grisham oder Tom Cruise verbindet, wird Schwierigkeiten haben, sich im ruppigen Hooliganmilieu der Londoner Arbeiterklasse zurechtzufinden und wenig Verständnis für die vermeintlich existenziellen Fragen aufbringen, welcher Trainingsanzug nun gerade angesagt und welches Schuhmodell für den Hobbykick auf Kunstrasen am geeignetsten ist. Anders als in „Hooligans" und „The Football Factory", den ewigen Rivalen um die Krone des besten Genrebeitrags, spielen die englischen Fußballclubs diesmal aber eine eher untergeordnete Rolle: Statt kollektiv bei der Pokalauslosung mitzufiebern und fest die Daumen zu drücken, dass die „Hammers" wieder gegen den Erzrivalen aus Millwall spielen, wird fast beiläufig erwähnt, in wessen Territorium die Auswärtsreise am Samstag diesmal führt.

    Bereits die erste Straßenkampfsequenz lässt erahnen, dass den Zuschauer kein hirnschmalzfreier Hau-Drauf-Film im Stile von „Hooligans 2" erwartet: Eine von der Kamera wackelig eingefangene Massenschlägerei wird durch einen Schnitt abrupt beendet, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat. Das Drehbuch setzt einen anderen Schwerpunkt und konzentriert sich auf die Beweggründe seines Protagonisten Dom und dessen Verhältnis zu Bex. Für das Einzelkind ist Bex großer Bruder und Ersatzvater in Personalunion, schließlich möchte Dom nicht wie sein Dad auf dem Bau oder wie seine Mutter vor dem Fernseher enden. Parallelen zu Tony Kayes Meisterwerk „American History X" sind stellenweise nicht zu übersehen, wenngleich der kriminelle Anführer keine Läuterung erfährt, sondern seinen Zögling immer stärker in eine Spirale aus Gewalt und Konfrontation hineinsaugt. Sowohl Paul Anderson als auch Calum McNab gelingt es, ihren Figuren Profil und Glaubwürdigkeit zu verleihen, wenngleich Doms Faszination für blutige Prügeleien ein wenig zu schnell aufflammt und deshalb zumindest fragwürdig erscheint.

    Im Hinblick auf das Doppelleben des charismatischen Firmenbosses lässt Nick Love die Steilvorlage seines eigenen Drehbuchs ungenutzt und schöpft das Konfliktpotential des Stoffes nicht voll aus. Nicht nur Kenner von David FinchersFight Club" wissen schließlich, dass es zwangsweise zu Problemen führt, Bürojob und Platzwunden unter einen Hut zu bringen. Bex aber sieht in Anzug und Trenchcoat auch tagsüber aus wie aus dem Ei gepellt und muss sich daher keinen fragenden Blicken von Kollegen und Vorgesetzten erwehren. Die strenge perspektivische Ausrichtung auf Dom erweist sich hier als Nachteil – und ist umso ärgerlicher, da der Film mit einer Länge von gut 80 Minuten ohnehin ein wenig kurz geraten ist.

    Fazit: Nick Love gewährt ein weiteres Mal Einblick in die Strukturen der von Ehre und Kameradschaft geprägten englischen Hooliganfirmen. Er hinterlegt „The Firm – 3. Halbzeit" mit britischen Synthie-Pop-Klängen und nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise ins London der 80er Jahre. Trotz der genannten Schwächen gelingt es dem Filmemacher, fast nahtlos an „The Football Factory" anzuknüpfen, wenngleich seinem authentischen Milieustreifen ein wenig mehr Spieldauer gut zu Gesicht gestanden hätte. Schließlich entwickeln auch Fußballspiele ihre Dramatik häufig erst ab der 90. Minute.

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