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    Short Cut to Hollywood
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Short Cut to Hollywood
    Von Martin Thoma

    Medienschelte ist eine der Lieblingsdisziplinen der deutschen Intellektuellen. Daher verwundert es nicht, dass sich nach Hans Weingartner, der in Free Rainer für ein fernsehbefreites Deutschland warb, auch das Duo Jan Henrik Stahlberg und Marcus Mittermeier (Muxmäuschenstill) auf diesem Gebiet versucht. Die fatalen Folgen politischer Manipulation mit Hilfe der Medien hatte Stahlberg schon in seinem vorigen Film Bye Bye Berlusconi behandelt. Bekanntlich ist der Mann, der inzwischen zum dritten Mal zum italienischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, der fröhlich mit Faschisten paktiert und dank selbst geänderter Immunitätsgesetze wohl niemals als Wirtschaftskrimineller verurteilt werden wird, im Besitz der wichtigsten Fernsehsender und Zeitungen seines Landes. Während Weingartner in „Free Rainer“ bemüht propagandistisch und mit pädagogisch erhobenem Zeigefinger auf, nun ja, Fernsehniveau langweilte, macht Stahlberg mit „Short Cut To Hollywood“ vieles besser. Seine gegen den Zynismus und die Schlichtheit von Bohlen, Klum und Co. gerichtete Satire ist böse und unterhaltsam, zudem werden die richtigen Punkte in den Vordergrund gestellt. Leider ist aber nichts von dem, was in diesem Film gesagt wird, und auch nichts an der Art, wie es gesagt wird, neu. Jeder weiß, dass Leute wie Dieter Bohlen zynisch agieren. Wenn man sie deswegen angreift, lächeln sie bloß und freuen sich über die zusätzliche Aufmerksamkeit.

    John F., der eigentlich Johannes heißt, und seine beiden besten Freunde Matt und Chrismon (Marcus Mittermeier, Christoph Kottenkamp) gehen langweiligen Berufen nach und machen gemeinsam Musik in einer Schlagercombo. Ersteres mit sehr mäßigem, letzteres mit gar keinem Erfolg. Insbesondere für Johannes, dem sein Psychologe ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom attestiert, ist das ein unhaltbarer Zustand. Er möchte ein internationaler Superstar werden und zwar auf dem kürzesten Weg. Deshalb löst das Trio Flugtickets nach Hollywood, um von dort aus die Welt zu erobern. Sein Plan ist schlicht, aber ergreifend: Salinger gelobt öffentlich, sich am Ende seiner Karriere vor laufender Kamera von seinen Bandkollegen umbringen zu lassen. Seinen potenziellen Fans will er damit die bestmögliche Show bieten und sich selbst einen Platz im Rockstarolymp sichern. Zum Beweis, dass es ihm wirklich ernst ist, lässt er sich zunächst einen Finger absägen, weitere Gliedmaßen sollen in regelmäßigen Abständen folgen. Wider Erwarten zucken die großen amerikanischen TV-Produzenten wegen eines fehlenden Fingers nicht einmal mit der Wimper. Erst als die drei zukünftigen Superstars mit Sonnenbrillen, Palitüchern und Bombenattrappen versehen ein gut gefülltes Lokal in Panik versetzen, bringt ihnen das die landesweite Aufmerksamkeit ein, die Johannes benötigt, um wirklich erfolgreich für sein ganz anders geartetes Selbstmordkommando zu werben. Dann geht alles sehr schnell, schneller noch als er sich das vorgestellt hatte...

    Wie in seinem grandiosen Erstlingswerk Muxmäuschenstill verkörpert Co-Regisseur und Drehbuchautor Stahlberg auch in „Short Cut To Hollywood“ die Hauptfigur - hier einen Mann, der sich den schönen Künstlernamen John F. Salinger zugelegt hat. Dieser ist ähnlich wie Mux ein Soziopath, mit dem sich der Betrachter in gewissem Maße identifizieren kann. Allerdings ist Salinger eher bemitleidenswertes Opfer als fragwürdiger Täter, weshalb „Short Cut To Hollywood“ die Hinterhältigkeit, mit der in Muxmäuschenstill die Zuschauer streckenweise zu Sympathisanten eines modernen Blockwarts gemacht wurden, leider vermissen lässt. Mux weckte eine verschämte Bewunderung, während Salingers Traum, als Star ganz groß herauszukommen, zwar von vielen geteilt wird, aber seine Methode wenig verlockend ist.

    Stahlberg und Mittermeier bringen ihre These unmissverständlich zum Ausdruck: Der Zynismus mancher Medienleute lässt diese über Leichen gehen. Wen sein – von der Unterhaltungsindustrie genährtes – Bedürfnis nach größtmöglicher Aufmerksamkeit zu selbstzerstörerischen Aktionen antreibt, der kann keine Hilfe erwarten, im Gegenteil, der wird von eben dieser Industrie gnadenlos missbraucht. Dieses geschieht in „Short Cut To Hollywood“ mit atemberaubender Geschwindigkeit: Während der sich für besonders clever haltende Johannes noch davon überzeugt ist, dass ihm sein Selbstopfer ewigen Ruhm einbringen wird, haben die kühlen Rechner vom Fernsehsender schon genau ermittelt, wann die öffentliche Erregung verpufft und er sich also spätestens umgebracht haben muss – und auch an eine Fortsetzung haben sie schon gedacht. Die pervertierte Ideologie von der freien Selbstentfaltung des Individuums öffnet die Schleusen für seine hemmungslose Ausbeutung als Produkt.

    Der Aussage sind Aktualität und Relevanz nun wirklich nicht abzusprechen, wenngleich sie nicht gerade Neuigkeitswert besitzt. Nur ist ein satirischer Film wie „Short Cut To Hollywood“ nicht unbedingt das beste Medium, um sie zum Ausdruck zu bringen. Stahlberg und Mittermeier steigern in ihrer Fiktion das schon in der Realität Extreme einfach noch um eine weitere Stufe. Der Erkenntnisgewinn hält sich da in Grenzen, auch das Ziel der Entlarvung ist letztlich zu leicht zu treffen. „Short Cut To Hollywood“ ist weitgehend frei von Überraschungen und wirkt seiner wütenden Anklage zum Trotz seltsam glatt. Die Macher bemühen eine bewusst konventionelle Dramaturgie – auch eine Liebesgeschichte darf nicht fehlen – und eine Hollywood-gemäße Bildsprache. Ein paar Spielereien mit den Realitätsebenen kommen noch dazu, doch die wirken aufgesetzt und sind auch nicht gerade innovativ. Es ist dem Film anzusehen, dass hier ein deutlich höheres Budget zur Verfügung stand als bei Muxmäuschenstill, aber das ist in diesem Fall kein Vorteil. Form und Ästhetik werden anders als etwa in der Truman Show kaum parodistisch genutzt.

    Langeweile kommt trotz der erwähnten Defizite nicht auf, die Dialoge sitzen, die Gags zünden und die musikalischen Darbietungen von J.F. Salinger und seiner Band in den verschiedenen Stadien ihrer Karriere sind allesamt sehr lustig. Außerdem glänzt Stahlberg erneut in der von ihm für Muxmäuschenstill gleichsam neu erfundenen Rolle des sympathisch unsympathischen Durchschnittstypen mit krankhaftem Geltungsdrang. So scheitert „Short Cut To Hollywood“ zwar als Satire, bietet aber immerhin gute schwarzhumorige Unterhaltung.

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