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    The Terror
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Terror
    Von Björn Becher

    „How I Made A Hundred Movies In Hollywood And Never Lost A Dime“ lautet der prägnante Titel der Autobiographie von Roger Corman. Warum der wahlweise als „Trash-Papst” oder „King Of The B-Movies” gefeierte Regisseur und Produzent so profitabel arbeitete, zeigt sich beim Blick auf viele seiner – sehr günstig aussehenden - Filme. Ein besonderes Beispiel ist „The Terror – Schloss des Schreckens“: ein Film, der nur aus Spargründen erstand, gedreht von einer Handvoll Regisseuren und trotzdem ein finanzieller Erfolg. Der viktorianische Horrorfilm mit Genrelegende Boris Karloff ist auch ein Beleg für Cormans großen Verdienst für die Filmwelt. Als einer von wenigen gab er jungen Regisseuren in den 60er Jahren die Möglichkeit, fernab der Filmschulen ihre Fähigkeiten in der Praxis auszuprobieren. Zahlreiche Größen der „New Hollywood“-Ära haben bei Corman ihre Karriere begonnen, so auch Jack Nicholson, der in „The Terror“ die Hauptrolle spielt und für einen Tag als Regisseur einsprang, sowie der hier ebenfalls hinter der Kamera tätige Francis Ford Coppola.

    „The Terror ist der verrückteste Film, den ich je gedreht habe.“ – Roger Corman

    Getrennt von seinem Regiment irrt Lt. André Duvalier (Jack Nicholson) halb verdurstet umher, als er an der Küste auf die wunderschöne Helene (Sandra Knight) trifft, die ihn mit Wasser versorgt. Als Helene plötzlich in die tosenden Fluten steigt, setzt André ihr nach. Doch die Attacke eines Vogels verhindert die weitere Verfolgung. André wacht im Bett einer alten Frau (Dorothy Neumann) auf, die ihn wieder aufpäppelt. Wieder gestärkt macht sich der Lieutenant trotz der Warnungen seiner Pflegerin auf, die schöne Helene zu suchen. Dabei landet er im Schloss des alten Barons Victor Frederick Von Leppe (Boris Karloff), wo er auf einem Gemälde auch Helene wiederentdeckt. Doch André muss erfahren, dass die Frau schon seit 20 Jahren tot und ihr Name Ilsa ist…

    „In Hollywood gibt es den Spruch: „Wen muss ich ficken, um bei diesem Film mitzumachen?“ Bei Corman heißt es: „Wen muss ich ficken, um aus diesem Film herauszukommen?“ – Roger Corman

    Roger Cormans kostengünstige Arbeitsweise ist legendär. Im Guinness-Buch der Rekorde steht sein Film „Little Shop Of Horrors“ als der mit gerade einmal zwei Tagen und einer Nacht Drehzeit am schnellsten produzierte 35-Millimeter-Spielfilm. Doch Dreharbeiten, die weniger als eine Woche dauerten, waren bei Corman sowieso keine Seltenheit. Als er im Rahmen einer ganzen Reihe von Edgar-Allen-Poe-Verfilmungen gerade „Der Rabe – Duell der Zauberer“ drehte, wurde er kurzzeitig ein wenig unruhig. Mit einem Budget von 350.000 Dollar war das Projekt für seine Verhältnisse ungewöhnlich teuer. Um die Kosten klein zu halten, kam er auf die Idee, die Kulissen für „The Terror“ einfach nochmal zu nutzen. Und auch die Schauspieler Boris Karloff und Jack Nicholson blieben einfach am Set, was die Ausgaben weiter gering hielt - genau wie das Engagement von Nicholsons Ehefrau Sandra Knight. Doch Cormans finanzielle Gerissenheit endete hier noch nicht. Weil er selbst Mitglied der Gewerkschaft war und deren strenge Regeln vorschrieben, dass Mitglieder eine komplette Filmcrew engagieren müssen, ließ er einfach seinen damaligen Lehrling und Assistenten auf dem Regiestuhl Platz nehmen: Francis Ford Coppola. Weil er diesen aber kurz darauf an einem anderen Set braucht, ging der Staffelstab weiter an Monte Hellman. Aber auch der hatte nicht genug Zeit, um das Projekt zu Ende zu bringen, so dass Autor Jack Hill einsprang. Als der Dreh fast beendet war und auch Hill keine Zeit mehr hatte, trat Jack Nicholson an Corman heran und bat ihn, den letzten Tag übernehmen zu dürfen. Beim Schnitt merkte Corman schließlich, dass die unterschiedlichen Stile der Regisseure nicht miteinander harmonieren und zudem die schnell zusammengestückelte Handlung keinen Sinn ergibt. Mittlerweile schon längst mit dem Dreh eines anderen Films („Satanas – Das Schloss der blutigen Bestie“) beschäftigt, drehte Corman kurzerhand selbst in den Sets seiner aktuellen Produktion noch zusätzlich erklärende Szenen. Das alles mischte er dann zusammen, setzte seinen Namen drüber und vermarktete – gewohnt erfolgreich – das finale Produkt.

    „Schließlich war nur noch ein Drehtag übrig. Da sagte Jack Nicholson zu mir: ‚Roger, jeder verdammte Idiot in Hollywood hat bei diesem Film Regie geführt, lass mich bitte den letzten Tag übernehmen.‘ So kam es dann auch.“ – Roger Corman

    Seine wechselreiche Entstehungsgeschichte ist „The Terror“ durchaus anzumerken. Der Film ist bisweilen zähflüssig und es scheint, als hätte sich jeder der Regisseure den Dreh der Schockmomente bis zum Schluss aufgespart, ohne sie dann vor dem Ausscheiden noch fertig zu bekommen. Trotzdem hat die Corman-Produktion ihren ganz eigenen Charme und macht einfach Spaß. Nach der gelungenen Exposition tritt die Handlung zwar mit recht langen Dialogszenen etwas auf der Stelle, steigert sich aber gen Ende wieder deutlich. Dass vieles ein bisschen konfus ist und die von Corman nachgedrehten Szenen einiges auf den Kopf stellen, was sogar Hauptdarsteller Karloff verwirrte, trägt eher zum Reiz des Werkes bei, als das es der Qualität abträglich wäre.

    „Nachts nach Drehschluss… drehte… [ich] zusätzliche Szenen… ,die Licht in die Handlung bringen sollten…, so dass alles endlich zusammenpasst. Naja, nicht wirklich. Boris Karloff war sehr erstaunt, durch die Zusatzszenen zu erfahren, dass der Baron, den er spielt, gar kein echter Baron ist.“ – Roger Corman

    In der – durchaus eindrucksvollen – Pappmaschekulisse blitzt immer mal wieder das große Talent der beteiligten Regisseure auf. Die größte Karriere von ihnen hat Francis Ford Coppola gemacht, der mit Der Pate-Trilogie oder Apocalypse Now Meisterwerke für die Ewigkeit drehte. Aber auch die anderen haben Corman eine eindrucksvolle Laufbahn zu verdanken. Jack Hill avancierte mit Coffy, „Foxy Brown“ und Switchblade Sisters zu einem der bedeutendsten Regisseuren des 70er-Jahre-Exploitation-Genres. Monte Hellman inszenierte während seiner von vielen Niederschlägen geprägten Karriere den Kultfilm „Two-Lane Blacktop“. Zu Jack Nicholsons Werdegang als Schauspieler muss wohl kein Wort verloren werden. Sie alle stehen mit klangvollen Namen wie Robert de Niro, Martin Scorsese, Sylvester Stallone, Pam Grier, James Cameron, Joe Dante, David Carradine, Jonathan Demme und Peter Fonda auf einer Liste von Regisseuren und Schauspielern, deren Laufbahn von Corman angeschoben wurde.

    „Martin Scorsese, Peter Bogdanovich, James Cameron und Francis Ford Coppola konnten bei mir alles machen. Kamera, Schnitt, Regie, Pizza holen und Dekors bauen.“ – Roger Corman

    Eine weitere Besonderheit von „The Terror“ ist, dass er trotz ungewöhnlicher Produktionsumstände, seines hohen Alters und billiger Kulissen auf vielen Ebenen auch heute noch funktioniert. Die unheimliche Atmosphäre entfaltet noch immer ihre Wirkung und im Gegensatz zu vielen viktorianischen Horrorfilmen aus jener Zeit gibt es in „The Terror“ kaum unfreiwillig komische Momente. Außerdem ist Boris Karloffs unglaubliche Präsenz einfach eine Wucht.

    „Das Verrückteste aber war, dass wir ziemlich gute Kritiken bekamen. Die Kritiker waren so sehr damit beschäftigt, herauszufinden, worum es in „The Terror“ geht, dass sie nicht merkten, wie schlecht der Film war.“ – Roger Corman

    Fazit: „The Terror“ ist ganz sicher kein Meisterwerk. Selbst für überdurchschnittliche Genrekost reicht es nicht. Trotzdem ist das Werk ein Must-See für jeden Cineasten, weil der ungewöhnliche Film eine noch ungewöhnlichere Entstehungsgeschichte vorzuweisen hat. Übrigens: Fünf Jahre später verwurstete Roger Corman „The Terror“ erneut. Als er das Debüt seines Assistenten Peter Bogdanovich finanzierte, ließ er diesen aus Kostengründen 20 Minuten aus „The Terror“ wiederverwenden. Das Ergebnis ist eine unterschätzte Filmperle: Targets.

    Alle Zitate stammen aus einem Interview von Katja Nicodemus mit Roger Corman für „Die Zeit“, erschienen am 31.12.2008.

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