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    The Crazies
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Crazies
    Von Björn Helbig

    Fünf Jahre nachdem Kultregisseur George A. Romero 1968 mit Die Nacht der lebenden Toten seine weltbekannte Zombie-Reihe eröffnete, schuf er mit „Crazies“ einen kleinen, dreckigen Film, der viele Motive seines Debüts weiterführte und spätere bereits vorwegnahm. Auch wenn seine Anklage von Politik und Militär bisweilen holzschnittartig ausfällt, ist dem damals 33-jährigen Romero dennoch ein beachtlicher Film gelungen, der zu Unrecht einen nur geringen Bekanntheitsgrad genießt.

    Ein Militärflugzeug, das den Kampfstoff Trixie an Bord hat, stürzt über der Kleinstadt Evans City in Pennsylvania ab. Nachdem die biochemische Waffe ins Grundwasser gelangt, häufen sich die Todesfälle. Zahlreiche Bewohner, die mit dem Gift in Berührung kommen, verwandeln sich in unberechenbare Psychopathen. Auf Befehl von Colonel Peckam (Lloyd Hollar) beginnt das Militär damit, die Stadt abzuriegeln und die Infizierten in einer Schule zu isolieren. Wer sich weigert, wird erschossen. Während der widerwillig eingeflogene Wissenschaftler Dr. Watts (Richard France) nach einem Gegenmittel forscht, versuchen Feuerwehrmann David (W.G. McMillan), Krankenschwester Judy (Lane Caroll), Kumpel Clank (Harold Wayne Jones) sowie weitere Einwohner, den Soldaten zu entwischen…

    George A. Romeros Die Nacht der lebenden Toten gehört zu den Klassikern des Horrorgenres. Dabei ist das mit geringem Budget entstandene, hintergründige Erstlingswerk genau wie auch die späteren Filme des Regisseurs weniger auf vordergründige Effekte als vielmehr auf eine gesellschaftspessimistische Grundaussage bedacht. Zwar mangelt es Filmen wie Zombie - Dawn Of The Dead, Zombie 2 - Day Of The Dead oder Land Of The Dead nicht an expliziten Gewaltszenen, doch verkommen diese nie zum Selbstzweck. Auch im Falle von „Crazies“ wird weder an scharfer Gesellschaftskritik noch an Kunstblut gespart. Angesichts der Bedrohung durch die Amok laufenden Psychopathen offenbart das Militär seine Unzulänglichkeiten und wird schließlich gar selbst zu einer Bedrohung für die Stadtbewohner. Das für alle Eventualitäten über Evans City kreisende Flugzeug, das eine Atombombe zum Abwurf bereithält, steht symbolisch für das absolute Versagen der Politik.

    Auch handwerklich überzeugt „Crazies“. Die mitunter rasanten Schnitte erzeugen ordentlich Tempo, viele außergewöhnliche Perspektiven verleihen dem Film Exklusivität und auch die Spezialeffekte sind trotz des geringen Budgets anständig. Ein für die Atmosphäre des Films wichtiges Stilmittel ist die Entmenschlichung der Soldaten mittels anonymisierender weißer Schutzanzüge. Immer wieder wird dieses Mittel gebrochen, wenn Mitglieder der Einsatztruppe die Gasmasken abnehmen und plötzlich deutlich wird, dass die angewandte Brutalität nicht der Bösartigkeit des Militärs entspringt, sondern ein rein menschliches Phänomen ist.

    Die Leistungen der Schauspieler sind hingegen mitunter grenzwertig, was nicht nur an den zahlreichen Laiendarstellern liegt. Vor allem in den im provisorischen Hauptquartier des Militärs verorteten Szenen klingen die Dialoge wie auswendig gelernt und unnatürlich. Dafür überzeugt das Flüchtlings-Quintett - vor allem aufgrund der soliden Leistungen von W.G. McMillan, der zuletzt nur noch sporadisch in TV-Serien auftrat, und Lane Caroll („Hercules in New York“), die in „Crazies“ ihr Schauspieldebüt absolvierte. Etwas übertrieben, aber dafür auf eine kranke Art auch sehr charismatisch gibt B-Movie-Ikone Lynn Lowry („Shivers“, „Cat People“, „Splatter Disco“) eine Infizierte.

    Die Schwächen von „Crazies“ sind - vom oft nervigen Trommel-Score einmal abgesehen - vor allem inhaltlich-dramaturgischer Natur. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Gebaren von Militär und Politik nimmt in einen überproportional großen Platz ein und gebärt sich zudem oft plakativ, so dass das umfassende Grauen der „... Of The Dead“-Reihe nie erreicht wird. Die Story besteht aus drei parallelen Erzählsträngen. Der eine begleitet die Gruppe von Flüchtlingen, die versuchen, sich vor dem Militär in Sicherheit zu bringen. Wenn der Zuschauer sieht, wie die Soldaten in ihren ABC-Anzügen scheinbar teilnahmslos vermeintlich infizierte Bewohner erschießen oder die Stadtbewohner den Angriffen der Trixie-Opfer erliegen, verbreiten die Szenen ein flaues Gefühl und zählen daher auch zu den stärkeren des Films. Die anderen Handlungsstränge – der eine thematisiert das Vorgehen des Militärs, der andere setzt sich mit den strategischen Überlegungen der Politikern auseinander – haben hingegen Längen und reißen den Zuschauer immer wieder aus der atmosphärischen Haupthandlung. Die vorgebrachte Gesellschaftskritik ist darüber hinaus simplifizierend und repetitiv.

    Romero selbst äußerte in Interviews, dass er aufgrund der Vordergründigkeit nicht völlig überzeugt von seinem Film sei. Diese Aussage des Regisseurs sollte allerdings nicht zu schwer gewichtet werden: Denn trotz seiner Schwächen fungiert „Crazies“ als ein wichtiges Bindeglied zwischen Die Nacht der lebenden Toten und Zombie - Dawn Of The Dead. Auch wenn David Cronenberg ein paar Jahre später die Intensität des Geschehens in seinem thematisch vergleichbaren Rabid noch etwas kraftvoller auf die Leinwand brachte, stellt die von Romero erzählte Geschichte allein räumlich betrachtet einen interessanten Übergang von der Enge des Farmhauses in Die Nacht der lebenden Toten zur globalen Katastrophe in Zombie – Dawn Of The Dead dar. Das Potenzial von „Crazies“ wurde auch von Hollywood jüngst wiederentdeckt. Der Erfolg von Filmen wie Danny Boyles 28 Days Later, dessen Nachfolger 28 Weeks Later, dem spanischen Überraschungshit [Rec] und Romeros jüngstem Zombie-Sequel Diary Of The Dead zeigt, dass die Thematik publikumswirksam ist wie eh und je. Noch 2009 wird deshalb das The Crazies-Remake mit Timothy Olyphant (Hitman, The Girl Next Door) in den Kinos starten.

    Fazit: „Crazies“ ist ein bitterböser Seuche-Thriller von George A. Romero, der Motive seiner Zombie-Filme mit ätzender, letztlich aber auch simpler Gesellschaftskritik verbindet.

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