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    Daybreakers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Daybreakers
    Von Jan Hamm

    Am Vorabend des neuen Millenniums zelebrierten die Wachowski-Brüder mit Matrix nicht nur eine revolutionäre Style-Orgie. Ganz nebenbei gelang ihnen auch eines der bissigsten Bilder des an dystopischen Impressionen reichen Sci-Fi-Genres: titanische Türme, die sich in einen schwarzen Himmel schrauben, eiskalt effizient mit Mensch-Ressourcen bestückt. Während der Bullet-Time-Effekt längst in das stilistische Arsenal des Action-Thrillers assimiliert wurde, taucht das abgründige Bildnis eines zyklopischen Kraftwerks nun erst rund eine Dekade nach „Matrix“ erneut auf der Leinwand auf. In „Daybreakers“ tritt nun eine diabolische Vampir-Zivilisation an die Stelle des Maschinenkomplexes. Und anders als in ähnlich subtextlastigen Sci-Fi-Trips der Marke District 9 oder Surrogates nutzen Peter und Michael Spierig ihr Setting tatsächlich, um eine doppelbödige Zukunftsvision zu verfassen. Auf greifbare Figuren und involvierende Spannungsbögen wird derweil zugunsten schlichter Splatter-Einlagen verzichtet. So verkommt „Daybreakers“ zur emotionsarmen Dia-Show gewitzter Ideen.

    Wir schreiben das Jahr 2019. Die verbliebenen fünf Prozent der menschlichen Spezies sind auf der Flucht vor einem Vampirstaat, dem langsam die Blutreserven ausgehen. Ohne das rote Elixier ist es vorbei mit der Unsterblichkeit: Hungerleidende Bleichgesichter degenerieren zu kannibalischen Monströstitäten, die ihre einstige Verwandschaft fortan aus dem Untergrund terrorisieren. Doch Rettung naht! Wissenschaftler Edward (Ethan Hawke, Gesetz der Straße - Brooklyn's Finest) werkelt an einer Technologie, über die Blut synthetisch reproduzierbar werden soll. Doch dann stößt er auf eine verborgene Menschen-Enklave unter der Führung des Ex-Vampirs Elvis (Willem Dafoe, Antichrist), der eine ungleich lukrativere Lösung in Aussicht stellt: Eine Therapie, die das ganze Vampirvolk in die Menschlichkeit zurück geleiten könnte. Edward läuft über und tritt gegen seinen sinisteren Arbeitgeber Charles Bromley (Sam Neill, Jurassic Park) zur Schlacht um die Zukunft der bleichen Gesellschaft an...

    Wie war das mitreißend, als Brad Pitt in Interview mit einem Vampir um seine Menschlichkeit rang! Wenn Edward jedoch Gewissensbisse beim Auslutschen saftiger Hälse bekennt, regt sich weder in Ethan Hawkes gelangweiltem Gesicht, noch auf Seiten des Publikums ein noch so leises Bedauern. Zu leer ist sein Protagonist, zu unklar die Fallhöhe eines Frischlings, dessen Vampirwerdung bis zur laschen und viel zu spät nachgereichten Familiengeschichte im Dunkeln bleibt. Potentiell kraftvolle Augenblicke wie Edwards erster Sonnenaufgang nach der Rückverwandlung werden von den Spierig-Brüdern einfach übergangen. Die Nebendarsteller trifft es noch schlimmer: Willem Dafoes aus dem Schattenreich zurückgekehrter Elvis – welch eine punktgenaue Namensgebung - muss peinliche One-Liner à la „We're the guys with the crossbows“ raushauen und verpasst „Daybreakers“ so einen satten Trash-Anstrich.

    Das will kaum zur düsteren Vision einer Zivilisation auf dem Zenit ihrer Dekadenz passen, die „Daybreakers“ um seine „Matrix“-Referenz eines mit Mensch-Batterien bestückten Kraftwerks aufbaut. Die ist konsequent ausformuliert, etwa mit einer bedrückenden Holocaust-Sequenz, die die Vernichtung degenerierten Vampirlebens dokumentiert. Auch abseits der Ressourcenknappheit haben die Unsterblichen in „Daybreakers“ nichts zu lachen. Wer zu jung gebissen wurde, bleibt für alle Ewigkeit auf einem pubertierenden Körper hängen - eine Schattenseite untoter Existenz, die nach „Interview mit einem Vampir“ auch in der HBO-Serie „True Blood“ thematisiert wurde. Die verregnete Nachtwelt von „Daybreakers“ ist ein unterhaltsames Spiel mit Noir-Versatzstücken. Man trägt Trenchcoats, trinkt mit Blut aufgekochten Kaffee und raucht Kette - regenerierende Lungen machen's möglich.

    Wie von den Schöpfern des Zombie-Alien-C-Machwerks „Undead“ nicht anders zu erwarten, artet der aus zahlreichen Schlachtszenen sequenzierte Plot zunehmend in ein wüstes Splatterfest aus. Blut spritzt, Schädel platzen und Torsos werden zerfleischt. Schlägt dabei aber ein Vampir seine Fänge in einen bereits genesenen Artgenossen, verwandelt sich auch der Aggressor zurück. Die im Exzess verglühende Vampir-Zivilisation erwacht aus dem Blutrausch und gewinnt wortwörtlich ihre Menschlichkeit zurück - ein witziger Twist. So tänzeln die Gebrüder Spierig stets umher, bespaßen mit Vorschlaghammer-Symbolik und waten gleich darauf wieder durch den Pulp-Morast. Guter Stil geht anders! Dennoch lag Hawke nicht falsch, als er die Produktion nachträglich als Low art zusammenfasste. „Daybreakers“ ist anspruchsvoll anspruchsloses Amusement - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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