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    66/67 - Fairplay war gestern
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    66/67 - Fairplay war gestern
    Von Martin Thoma

    Es sollte ein Film über die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens, über Freundschaft und Loyalität, über Angst vor Veränderungen und über das Leben in einer mittelgroßen deutschen Stadt wie Braunschweig werden – angesiedelt im Hooligan-Milieu. Was nach einer vielversprechenden Idee klingt, scheitert daran, dass sich die beiden Regisseure und Drehbuchautoren Carsten Ludwig und Jan-Christoph Glaser (1. Mai) offenbar weder für Fußball, noch für Fußballfans und schon gar nicht für Hooligans interessieren. Schlimmer noch: Es ist auch sonst kein tiefergehendes Interesse an den Figuren zu spüren. Damit bleibt fast alles in diesem Film bloße Behauptung.

    Die Geschichte wird in Rückblenden aufgerollt. Die Handlung dreht sich um eine Gruppe von Eintracht-Braunschweig-Hooligans, die inzwischen auf einen Kern von fünf jungen Männern Ende 20 zusammengeschrumpft ist und nun langsam vollständig zu zerbrechen droht. Die Protagonisten kämpfen mit ihren eigenen Erwartungen ans Leben oder mit denen ihrer Mitmenschen, denen sie sich verweigern oder die sie gar nicht erst verstehen. Noch stellt sich ihnen die Gewalt als Ausweg dar, doch auf Dauer kann dieser keine Lösung sein. Schließlich kommt es zur Katastrophe…

    Die Schauspieler nutzen die Möglichkeit, sich für bessere Projekte zu empfehlen. Besonders die Hauptdarsteller Fabian Hinrichs als Florian und Christoph Bach als Otto spielen so beängstigend intensiv, dass man mitunter fast übersehen könnte, welch öden Klischees sie da eigentlich verkörpern. Florian ist ein hochintelligenter Langzeitstudent, der sein mit „sehr gut“ abgeschlossenes Diplom versteckt hält, weil er sein Studentenstatus ebenso wenig aufgeben will wie seine Paparolle in der auseinanderdriftenden Ersatzfamilie der Eintracht-Hooligans.

    Otto hat hingegen Probleme mit seiner Homosexualität, die er durch besonders aggressives Verhalten zu kompensieren versucht. Christian (Christian Ahlers) ist als emotional und geistig eher beschränkte Witzfigur angelegt: Offenbar stellen sich die Autoren so einen ewigen Spießer vor – mit einer grauen Maus als fester Freundin und einer Art Poesiealbum, in dem er seine Lebensplanung über die goldene Hochzeit hinaus festgehalten hat. Dass es Ahlers zumindest in einigen Szenen gelingt, dieser Figur ein wenig Würde zu verleihen, ist beachtlich. Dass ausgerechnet diese als Depp angelegte Figur für das hochdramatische Finale des Films herhalten muss, ist erzählerischer Unfug. Die beiden übrigen Mitläufer Tamer (Fahri Ogün Yardim), der die Stammkneipe des Fanclubs von seinem todkranken Vater übernommen hat, und Henning (Maxim Mehmet), der abseits der Hooligan-Prügeleien als Polizist ganz brav seinen Dienst nach Vorschrift schiebt, bleiben gänzlich blass.

    Nicht einmal im Ansatz versuchen die Regisseure Ludwig und Glaser, sich mit der Faszination Fußball zu befassen. Den ganzen Themenkomplex Fußballfans/Hooligans hätte man genauso gut auch weglassen können – dann hätte sich vermutlich auch ein weniger alberner Titel gefunden. Am Ende vertritt der Film nichts als das Ein-Mal-Eins der Küchenpsychologie: Die Hooligans fungieren als Ersatzfamilie für Kindsköpfe, die von den Filmemachern als echte Charaktere kaum ernst genommen werden, und als Ventil für Aggressionen, deren tieferen Ursachen im Dunkel belassen werden.

    Für das Fortkommen der Geschichte sind zwei Frauenfiguren zuständig: Florians extrem selbstbewusste und eigenständige Freundin Özlem (Melika Foroutan) ist bereits auf den ersten Blick um einige Härtegrade zu tough für sein kindliches Gemüt, die Figurenkonstellation nichtssagend. Die Beziehung ist lediglich gut für einige Streitgespräche und klassischen Liebeskummer, den oberflächlichsten denkbaren Anlass für einen Gewaltausbruch von Hooligan Florian. Hier drängt sich sofort die Frage auf, ob ein Hooligan wirklich immer erst von seiner Freundin verlassen werden muss, um so richtig brutal zuzuschlagen. Auch Christian wird von seiner Freundin Mareille (Victoria Deutschmann) verlassen, worauf dieser noch gewalttätiger als Florian reagiert. Für eine Interpretation der Schlusswendung abseits gängiger Klischees liefert der Film so keinerlei Material.

    Fazit: „66/67 – Fairplay war gestern“ hat zu den Themen Fußball-Fantum und Hooliganismus wenig zu erzählen. Als Drama leidet der Film zudem unter aufgesetzten Wendungen und einer schwachen Zeichnung der Figuren, deren Hintergründe kaum ernsthaft beleuchtet werden. Positiv zu vermerken sind allein die guten bis sehr guten Leistungen der Schauspieler.

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