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    Das Orangenmädchen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Das Orangenmädchen
    Von Andreas Staben

    Der norwegische Autor Jostein Gaarder gilt seit seinem Bestseller „Sofies Welt“ als Spezialist für die populäre literarische Aufbereitung philosophischen Gedankenguts. Der ehemalige Dozent sprach mit seiner Einführung in die westliche Ideengeschichte in Romanform nicht nur die eigentliche Zielgruppe der jugendlichen Leser an, „Sofies Welt“ wurde vielmehr zum Generationen und Kontinente überspannenden Phänomen. Der Erfolg ist Gaarder seither treu geblieben, der 2003 entstandene philosophische Roman „Das Orangenmädchen“ etwa ist bisher in 43 Sprachen übersetzt worden. Nach einer Musical-Bearbeitung des Werkes steht nun ähnlich wie bei „Sofies Welt“ eine Filmversion ins Haus. Und genau wie beim berühmten Vorgänger erweist sich die Kinoadaption als oberflächliche Übung, die die großen Themen der Vorlage nur streift. Gaarders Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit, Vorbestimmung und der großen Liebe wird in Eva Dahrs romantischem Märchen in einen hübsch fotografierten Bilderbogen verwandelt, bei dem das Fehlen der gedanklichen und emotionalen Tiefe durch die bemühte und zuweilen aufdringliche Inszenierung noch unterstrichen wird.

    An seinem 16. Geburtstag erhält Georg (Mikkel Bratt Silset) von seiner Mutter Veronika (Rebecca Karijord) einen langen, dreiteiligen Brief seines bereits Jahre zuvor verstorbenen Vaters Jan Olav (Harald Thompson Rosenstrøm). Dieser erzählt darin von einem geheimnisvollen Orangenmädchen (Annie Dahr Nygaard), in das er sich als Student unsterblich verliebt hat. Nach der ersten flüchtigen Begegnung in der Straßenbahn hält Jan Olav unentwegt Ausschau nach der jungen Frau, bis er sie schließlich in einem Café zu fassen bekommt. Es folgen weitere rätselhafte Andeutungen und zaghafte Annäherungen, schließlich folgt Jan Olav der Geliebten sogar bis nach Spanien. Georg, der in der Hoffnung einen selten zu sehenden Kometen mit seinem Teleskop erspähen zu können, durch entlegene norwegische Skigebiete zieht, ist zunehmend von der Lektüre gebannt. Und er trifft immer wieder das Mädchen Stella (Emilie K. Beck), das ihn offensichtlich sehr gut leiden kann. Schließlich finden Vergangenheit und Gegenwart zusammen, ein großes Geheimnis wird gelüftet und Georg werden die Augen geöffnet...

    Jostein Gaarder erzählt in seinem Buch ganz unbescheiden und zugleich sehr persönlich von den letzten Dingen, vom Verhältnis zwischen Leben, Liebe und Tod. Seine Welt der Ideen wird von einem großen erzählerischen Plan im Innersten zusammengehalten. Eva Dahr versucht diesem komplexen Ansatz gerecht zu werden, indem sie einerseits regelmäßig zwischen den verschiedenen Zeitebenen hin und her springt, diese andererseits aber visuell klar auseinanderhält. So ist die märchenhafte Romanze der Vergangenheit in warmen Farben gehalten, das Orangenmädchen trägt meist ein rotes Kleid und lockt den verliebten Jan Olav in ein geradezu überirdisch sonnendurchflutetes Sevilla. Dagegen streift Georg durch die Schneelandschaften eines kristallklaren Bilderbuchwinters in den norwegischen Bergen. Dick gezeichnete Gegensätze wie dieser suggerieren Bedeutung, sind letztlich aber wenig aussagekräftig und rein illustrativ. Dazu kommen ständige filmische Ausrufungszeichen: Da wird mit Vorliebe gezoomt sowie durch Fenster und andere durchsichtige Flächen gefilmt. Und falls die erwünschte Stimmung einmal nicht sonnenklar sein sollte, wird sie einfach durch einen entsprechend simplen Popsong (von Shaun Bartlett) verdeutlicht.

    Die norwegische Film- und Fernsehregisseurin Dahr, die international bisher noch nicht aufgefallen ist, lenkt mit ihrer überdeutlichen Inszenierung die Aufmerksamkeit auf das Gewollte und das Konstruierte des Films. Gerade die zentrale Geschichte um die große Liebe zwischen Jan Olav und dem Orangenmädchen verharrt so im Abstrakten und bleibt seltsam blutleer. Vor allem die männlichen Darsteller wirken wie steife Marionetten in diesem schicksalsträchtigen Spiel. Einzig Emilie K. Beck als Stella strahlt so etwas wie Natürlichkeit aus und macht aus der Gegenwartshandlung im Alleingang den deutlich lebendigeren und interessanteren Teil. Insgesamt wirkt die kosmische Perspektive mit den ständigen Andeutungen himmlischer Zeichen (bis hin zum Namen Stella) allerdings ebenso aufgesetzt wie das groß zelebrierte Geheimnis um die Macht des Schicksals. In der Knappheit der nicht einmal 90 Minuten bleiben nur Stichworte statt Ideen, leere Gesten statt großer Emotionen und erzählerische Willkür statt des geheimnisvollen Rätsels einer undurchschaubaren Vorsehung.

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