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    Mad Max 3 - Jenseits der Donnerkuppel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Mad Max 3 - Jenseits der Donnerkuppel
    Von Alex Todorov

    Die zweite Fortsetzung des bitter-harten Mad Max gilt gemeinhin als das ungeliebte Kind der Trilogie. Stamm-Regisseur George Miller beschränkte seine Mitwirkung auf die Actionszenen, nachdem sein Freund und Produzent Byron Kennedy während der Suche nach Locations für den Film verstarb, den Rest übernahm der recht unbekannte George Ogilvie. Zudem ist „Jenseits der Donnerkuppel“ der erste Teil der Reihe mit einem milden PG-13-Rating, was angesichts der Vorgänger absurd anmutet. Hieraus ergibt sich auch der Hauptkritikpunkt im Vergleich zu den anderen beiden Filmen: Nach einer vortrefflichen ersten Filmhälfte driftet „Mad Max 3 – Jenseits der Donnerkuppel“ allzu sehr in die Gefilde der anbiedernden Unterhaltung ab, was sich im Handlungsstrang um die wilden Kinder am stärksten bemerkbar macht. Zuweilen kann einem das Werk wie eine Endzeitvariante von Richard Donners im selben Jahr erschienenen, großartigem Jugend-Abenteuerfilm „Die Goonies“ um eine Teenagergruppe vorkommen, nur dass der Anführer hier Max Rockatansky heißt. Das passt nicht. Dabei ist „Mad Max 3“ von allen drei Teilen der einfallsreichste: Die horizontal geteilte Stadt Bartertown, die ihre Energie aus Schweinescheiße generiert, ein virtuoser Arenakampf, ein barbarisches Glücksrad oder der brillante Hybridcharakter Master-Blaster sind allesamt grandiose Ideen – aus der ersten Filmhälfte. Auch der zweite Abschnitt ist zwar mit einigen guten Einfällen gespickt, aber so richtig mag das Ganze nicht mehr zusammen gehen.

    Der Ex-Cop Max Rockatansky (Mel Gibson, Braveheart, Lethal Weapon-Reihe) streift noch immer allein durch das unwirtliche australische Outback. Nachdem ihm jedoch sein Vehikel gestohlen wird, vermutet er das Gefährt wie auch den Dieb in Bartertown. Die Bewohner der postnuklearen Stadt leben vor allem vom Tauschhandel. Doch Bartertown ist zweigeteilt. Oben herrscht die Gründerin und Gesetzgeberin Aunty Entity (Tina Turner), unten das „Brain-muscles“-Gespann Master-Blaster (Angelo Rossitto, Paul Larsson), das auch die Energiegewinnung der Stadt unter seiner Kontrolle und damit Aunty Entity in seiner Abhängigkeit hält. Max wird von dieser ein Deal vorgeschlagen: Er soll in einem Kampf im Thunderdome, einer Arena, in der Zwistigkeiten zwischen zwei Parteien auf Leben und Tod ausgefochten werden, Blaster aus dem Weg schaffen, so dass Entity auch über die Unterwelt regieren kann. Im Gegenzug bekommt er sein gestohlenes Fahrzeug zurück. Doch nachdem der Kampf eine unerwartete Wendung nimmt, wird Max im wahrsten Sinne in die Wüste und somit in den sicheren Tod geschickt.

    Der dritte „Mad Max“ lässt vom spartanischen Ursprungsfilm nichts mehr erkennen. Wo schon der zweite Teil sich dem Bombastkino der Achtziger näherte, werden nun beeindruckend aufwändige und unterschiedliche Dekors und Schauplätze aufgefahren. Neben dem irren und schmutzigen Bartertown sticht insbesondere das blühende und reine Tal der Absturzüberlebenden heraus. Die erste Filmhälfte ist wie erwähnt fantasievolles, augenzwinkerndes Actionkino. Wichtiger noch, es wird etwas über die Menschheit nach dem Knall erzählt. Siedlungen werden langsam zu Städten, in denen die Anarchie durch Regeln und Gesetze abgelöst wird, die Wirtschaft basiert auf Tauschhandel. Treibstoff ist inzwischen so knapp, dass Max Kamele vor sein Vehikel spannt und notgedrungen alternative Energien wie Methan generiert werden müssen.

    Doch vor allem überzeugt dieser Part mit seinen Darstellern und Charakteren. Neben der passend besetzten und schlimm frisierten Tina Turner, die sich mit ihrem exaltierten Minenspiel gelungen einfügt, gefallen Frank Thring (der Pontius Pilatus aus Ben Hur) als lakonischer Collector sowie Robert Grubb als durchgeknallter und denkbefreiter Verbündeter Max’. Allen die Schau stiehlt aber das Duo Master-Blaster. Der winzige und geniale Master, von Angelo Rossitto mit herrlich bockigem Größenwahn interpretiert, ohne zu einer Karikatur zu geraten, befiehlt vom Rücken des mörderischen Blaster (Paul Larsson) über das Reich des Schweinekots und somit der Energie. Das Prunkstück des Films ist der Kampf zwischen den an Gummiseilen hängenden Blaster und Max in der halbkugelförmigen Arena, ausgetragen mit gesundheitsgefährdenden Instrumentarien sämtlicher Couleur: Motorsäge, Speer, Riesenhammer oder – Pfeife. So ist Bartertown als Stadt inmitten der Wüste in seiner chaotischen Lebendigkeit, Einzigartigkeit und Gnadenlosigkeit auch als Reminiszenz an Las Vegas zu deuten und man muss im Sommer 2009 an einen Ausspruch aus Hangover denken: „Some guys just can’t handle Vegas.“

    Bis dahin ist alles großartiges Kino, aber nachdem Max in der Wüste von den überlebenden Kindern des Absturzes gerettet wird, gerät der Film aus der Spur. Das liegt mitnichten lediglich am zweiten Abschnitt selbst, denn für sich genommen ist der Plot um die wilden Kinder recht verheißungsvoll. Ihr Summen, Kreischen, Nachahmen und Nachplappern hat Charme, Witz und Glaubwürdigkeit, die rituelle Erzählung des Mythos um Captain Walker ist großartig erdacht und gemacht. Das Grundgerüst ist ein fabelhafter Einfall für einen Endzeitfilm aus Kinderperspektive. Aber für einen „Mad Max“-Film? Wer hätte nach dem schonungslosen ersten Teil gedacht, dass die Figur des Rockatansky mal eine Filmhälfte mit Kindern bestreiten darf? Dies tut er zwar mit dem ihm eigenen Widerwillen und Eigensinn, so dass die Konfrontation streckenweise eines gewissen Reizes nicht entbehrt. Auf welch krüppligen Wegen diese Plotline dann aber mit der Bartertown-Handlung zusammengeführt wird, ist grober Unfug. „What’s the plan?“, fragt Rockatansky den Fahrer des Fluchtvehikels kurz vor dem Showdown. „Plan?“, fragt dieser irritiert zurück. Ein ähnlicher Dialog würde vonstatten gehen, wenn die obige Frage bezüglich der zweiten Filmhälfte und der Zusammenführung der Handlungsstränge den Autoren direkt gestellt würde. Dass die Autoren aus der desillusionierten Hauptfigur einen Moses pfuschen, der die Wüstenkinder über den Sündenpfuhl Bartertown in gelobtes Land führt, ist ein derbes Vergehen am Charakter von Mad Max.

    Zu den Credits ist ein- und ausgangs Tina Turners moralingesäuertes „We don’t need another Hero“ zu hören, aber der restliche Score stammt glücklicherweise vom dreifachen Oscarpreisträger Maurice Jarre (Lawrence von Arabien, Ghost - Nachricht von Sam). Für die unterschiedlichen Orte stehen jeweils entsprechende Klänge. Die Hitze der Wüste hat ihr musikalisches Pendant im Didgeridoo, das unübersichtliche Gewimmel Bartertowns wird passend unterstrichen von Bläsern und Experimentalpercussions. Lediglich mit der Orchestermusik trägt Jarre gelegentlich zu dickes Pathos auf. Kameramann Dean Semler (Der mit dem Wolf tanzt) sorgt wie schon im Vorgänger für die Einbettung der Handlung in grandiose Naturaufnahmen und auch in der abschließenden Verfolgungsjagd lebt ein essentielles Element des zweiten Teils fort. Leider haben die Machart und der Gestus des ersten Teils gar keine Spuren hinterlassen, denn wo dieser selbst in seiner absurden Komik noch schmerzte, wird in Teil drei auch die Action durch „Comic reliefs“ entschärft und somit für ein jüngeres Zielpublikum rezipierbar gemacht. Am Ende wird das ernüchternde Schlussmotiv des Klassikers Planet der Affen ins Optimistische und Zukunftsorientierte gewendet, was einmal mehr konträr zur Aussage des ersten Films steht.

    Es ist ein Jammer, wie die tolle erste Filmhälfte durch die folgende torpediert wird. Nichtsdestotrotz wird gut unterhalten, wer sich erstmal von dem Gedanken gelöst hat, „Mad Max 3“ stünde in der Erbfolge des ersten Teils. War das Original der illusionslose Schocker und der zweite der Western, ist der dritte der Unterhaltungs- und Familienfilm. Die abstruse Verbindung beider Abschnitte führt jedoch zur Abwertung.

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