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    Hatchet For The Honeymoon
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Hatchet For The Honeymoon
    Von Björn Becher

    Im Serienkiller-Genre steht meist die Frage nach der Identität des Mörders im Mittelpunkt. Neben den Schockmomenten, in denen sich der dem Zuschauer unbekannte Killer an sein nächstes Opfer heranschleicht, sorgt gerade diese Frage für Spannung. In Mario Bavas „Hatchet For The Honeymoon" wird dieses Prinzip völlig konträr gehandhabt: Bereits in der allerersten Szene sehen wir John Harrington (Stephen Forsyth), wie er durch einen Zug schleicht und schließlich ein junges Paar, das sich offensichtlich auf Hochzeitsreise befindet, ermordet. Unterbrochen wird dieses Einstiegsszenario nur durch die kurze Einblendung des Gesichtes eines kleinen Jungen (Guido Barlocci), der sich später als Harrington im Kindesalter entpuppen wird.

    Schon die nächste Sequenz nach dem Mord verschafft dem Zuschauer endgültig Gewissheit - John Harrington steht vor einem Spiegel, rasiert sich und richtet aus dem Off seine Stimme an das Publikum: „Ich bin John Harrington, 30 Jahre alt und Paranoiker. Paranoiker, ein reizendes Wort, klingt so intellektuell. Tatsache ist, dass ich verrückt bin. Anfangs war ich darüber erschrocken und verärgert, aber mittlerweile amüsiert mich mein Zustand und ich kann ausgezeichnet damit leben. Kein Mensch ahnt auch nur, dass ich verrückt und ein gefährlicher Mörder bin. Weder Mildred, meine Frau, noch die Angestellten meines Modehauses. Und natürlich schon gar nicht unsere Kunden." Kurze Zeit später wird er fortfahren: „Ich habe inzwischen fünf junge Frauen getötet, drei von ihnen habe ich im Ofen unseres Treibhauses verbrannt. Carol, Mary, Margret, sie waren alle sehr nett und sehr attraktiv. Ich habe nur ein Problem, ich kann nicht aufhören. Ich muss weitertöten, auch wenn ich es manchmal nicht gerne tue. Aber immer, wenn ich die Schritte höre, diese vorsichtigen heimlichen Schritte, weiß ich, dass ich töten muss und ich werde solange töten bis ich die Wahrheit kenne, die volle Wahrheit."

    Mit diesen Worten gibt Regisseur Bava („Blutige Seide“, Baron Blood) dem Zuschauer den weiteren Verlauf der Story vor – nämlich gerade jenen Aspekt, der in der Folge für Spannung sorgen soll: Harrington sucht nach einer Erinnerung aus seiner Vergangenheit, etwas, das in seiner Jugend stattfand und das mit den Schritten zusammenhängt, die er immer wieder hört. Mit jedem Mord, den er verübt, wird seinem Erinnerungspuzzle ein Teil hinzugefügt. Damit diese Dramaturgie aufgehen kann, muss sich der Zuschauer unbedingt mit dem Mörder identifizieren – eine Voraussetzung, für die Bava bereits in den ersten Szenen den Grundstein legt: Schon der Mord im Zug ist aus der subjektiven Sicht des Killers gezeigt und auch später wird dem Publikum diese Perspektive aus Harringtons Augen immer wieder aufgezwungen.

    So begleitet der Zuschauer Harrington bei seiner Suche nach Erinnerungen bis zu jenen Ereignissen in seiner Kindheit, die die Morde ausgelöst haben – eine spannende Schnitzeljagd, die in ein sehenswertes Finale gipfelt. Der Ermittlungsplot drum herum ist hingegen nur schmückendes Beiwerk: Der Kommissar (Jesús Puente), der Harrington verdächtigt und diesem immer wieder Besuche abstattet, scheint nie eine wirkliche Bedrohung darzustellen. Schnell ist klar, dass dieser Mann Harrington am Ende zwar erwischen wird, aber nicht bevor dieser oft genug gemordet hat, um die Ursachen für seine Verbrechen herauszufinden.

    Die neue Angestellte Helen Wood (Dagmar Lassander), die Harrington schöne Augen macht, scheint genau wie seine Frau Mildred (Laura Betti, Teorema), die sich einfach nicht von ihrem Gatten scheiden lassen will zu sein, nur ein weiteres potentielles Opfer zu sein. Doch falsch gedacht - vor allem das Geschehen rund um Harringtons Ehefrau gibt dem Film eine überraschende Wendung: Harrington ermordet sie zwar erwartungsgemäß, doch am nächsten Tag ist Mildred plötzlich wieder da – als Geist weicht sie ihrem Mann von nun an nicht mehr von der Seite. Dies treibt Harrington schier zur Verzweiflung, da sie für jeden außer ihm sichtbar ist und alle seine doch bereits verstorbene Frau grüßen. Dies sorgt für eine gepfefferte Prise schwarzen Humor, da Harrington glaubt, Mildred verschwinden lassen zu können, indem er ihre Leiche auf verschiedenen Wegen (Verbrennen, Verstreuen der Asche, etc.) zu entsorgen versucht.

    Bava vermengt so insgesamt drei Genres: Neben Motiven des klassischen Giallos befinden sich auch noch eine Geistergeschichte und eine schwarze Komödie in dem Film. Dies macht „Hatchet For The Honeymoon" zu einem facettenreichen Werk, das sich vom durchschnittlichen Einheitsbrei abhebt. Dazu trägt auch die Kameraführung des Regisseurs selbst bei. Auf der visuellen Ebene muss man dem Film ein tadelloses Zeugnis ausstellen. Bava vermengt Aufnahmen aus der Vergangenheit mit surrealen Einschüben zu einem imposanten Bilderwerk, bei dem auch dem Lichteinfall in jeder Szene eine besondere Bedeutung zukommt.

    „Hatchet For The Honeymoon", der auf VHS noch unter dem Titel „Red Wedding Night" erschienen ist, punktet durch seine ungewöhnliche Herangehensweise an ein eigentlich ausgelotetes Genre und Anspielungen auf andere Serienmörderfilme wie beispielsweise Alfred Hitchcocks Klassiker Psycho. So sei der Film auch allen empfohlen, die mit Bavas Werken bisher noch nicht in Berührung gekommen sind. Für alle Fans des italienischen Regisseurs ist der Thriller selbstredend, sowieso und überhaupt Pflichtprogramm.

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