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    Havoc
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Havoc
    Von Jürgen Armbruster

    Hauptcharakter Allison Lang fasst am Ende von Barbara Kopples Teenager-Drama „Havoc“ den gesamten Film zwar vulgär, aber ziemlich treffend in drei Sätzen zusammen: „Im Grunde genommen muss man sich nur klar machen, dass das alles bedeutungslos ist. Wir sind jung und uns ist krass langweilig. Uns ist total, verfickt langweilig.“ Deutschlands Vorzeige-Chansonette mit Nervpotenzial, Annett Louisan – auch bekannt als die Frau mit den zwei Geburtstagen – hätte an diesem Film ihre helle Freude. Auch Allison Lang will im Grunde nur spielen. Dass sie dabei allerdings nichts tut, ist ein folgenschwerer Irrtum…

    In den wohlhabenden Vierteln von Los Angeles sind die Menschen gerne unter sich und vor allem um das Wohl ihrer Zöglinge besorgt. Das Beste ist gerade gut genug. Die sündhaft teuren Privatschulen sind elitär, der private Sicherheitsdienst sorgt für Ordnung und damit die Kids nicht auf irgendwelche dummen Ideen kommen, bekommen sie für rauschende Party auch das notwendige Kleingeld. Eigentlich ein Mekka für jeden Heranwachsenden. Diese Rechnung wurde allerdings ohne den eigenen Nachwuchs gemacht. Allison Lang (Anne Hathaway) und ihr Freund Toby (Mike Vogel) sind die Alpha-Tierchen ihrer Gang. Und dieser ist „total, verfickt langweilig“. Daher entwickeln sie ihre eigene Subkultur. Sie imitieren den Lebensstil der Slums, werden zu aggressiven „Möchtegern-Niggern“ und zetteln aus reiner Langeweile Schlägereien unter ihresgleichen an. Doch das ist eben nicht die Realität, sondern nur ein Spiel. Zurück in den heimischen vier Wänden fallen Sie in die ihnen zugedachten Rollen zurück. Insbesondere Allison und ihrer Freundin Emily (Bijou Phillips) ist das irgendwann nicht mehr genug. Sie kundschaften die gefährlicheren Viertel von Los Angeles aus und suchen die Nähe des Crack-Dealers Hector (Freddy Rodríguez). Dabei merken sie nicht, dass aus dem Spiel zusehends Realität wird und sie die Kontrolle über die Situation allmählich verlieren.

    Die Erwartungen an „Havoc“ sind vor allem mit dem Namen des Drehbuchautors verbunden. Regiefrau Barbara Kopple hat sich außerhalb des TV-Bereichs noch nicht wirklich einen Namen gemacht, aber Stephen Gaghan hat sein außergewöhnliches Talent bereits mehr als einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Über Filme wie Traffic oder Syriana muss nicht lange diskutiert werden – und wenn es doch irgendetwas zu bemängeln gäbe, dann sind es sicherlich nicht die Bücher von Gaghan. Allerdings ist auch Gaghan immer mal wieder für einen Ausrutscher gut. Für die kapitale Bauchlandung des Western-Abenteuers Alamo war auch er mit verantwortlich. Und auch mit „Havoc“ verspielt er einiges seines vollkommen zu Recht erworbenen Kredits. Für eine kompromisslose Milieustudie – wie sie beispielsweise Larry Clark mit seiner inoffiziellen Teenager-Trilogie „Kids“, „Bully“ und Ken Park vorlegte – ist Gaghans Charakterzeichnung viel zu platt. Es gibt die gelangweilten Teenager und die finstere Ghetto Gang. Warum? Es ist halt so. Mit Ausnahme der Allison Lang wird keinem der Charaktere Tiefe verliehen. Sie bleiben eindimensional und uninteressant. Die verhältnismäßig knapp bemessene Spielzeit von gerade 82 Minuten war dabei sicherlich nicht gerade förderlich. Andererseits ist das gewählte Thema natürlich viel zu bitter, um eine eher kurzweilige Herangehensweise wie bei „Eiskalte Engel“ oder Igby zu ermöglichen. So ist „Havoc“ irgendwo zwischen den Stühlen und passt eigentlich nirgendwo richtig hin. Schade.

    Auch die Inszenierung weiß nicht wirklich zu gefallen. Die Idee mit dem Kommilitonen, der mit der Heimkamera im Dokumentarstil die Geschehnisse aufarbeitet, ist kalter Kaffee und kann nur müde belächelt werden. Zwar darf auf diese Weise noch jeder der Charaktere seinen eigenen kurzen Monolog direkt in die Kamera sprechen, aber das wirkt einfach nur unbeholfen und passt nicht zum Rest des Films. Positiv in Erinnerung bleiben hingegen einige der Darsteller. Für eine amerikanische Produktion macht „Havoc“ zumindest in einer Hinsicht wenig Kompromisse: Es gibt viel nackte Haut. Anne Hathaway (Brokeback Mountain, Der Teufel trägt Prada) zieht blank und zeigt ihre Brüste, Bijou Phillips (The Door In The Floor) geht sogar noch weiter. In den prüden USA ist dies natürlich immer für einen kleinen Skandal gut. Angeblich sollen die Disney-Studios massiv gegen „Havoc“ interveniert haben, um den Erfolg von Plötzlich Prinzessin 2 mit Anne Hathaway in der Hauptrolle nicht zu gefährden. Wo kommen wir denn da auch hin, wenn sich die Hauptdarstellerin einer Disney-Produktion in der Öffentlichkeit derartig freizügig gibt?!

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