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    Jackass 3D
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Jackass 3D
    Von Carsten Baumgardt

    „God, please let there be no ‚Jackass 3‘", flehte Bam Margera am Ende von „Jackass: Nummer zwei". Ob der amerikanische Skatboarder nun gläubig ist oder nicht, sein Wehklagen wurde zumindest nicht erhört. Die kommerziellen US-Erfolge der anarchischen Stuntkomödien linderten sicherlich den Wundschmerz der durchgeknallten Jackass-Truppe um Mastermind Johnny Knoxville. Aber warum kommt Teil drei in 3D in die Kinos? Weil der Titel „Jackass 3D" einfach unglaublich cool klingt, bekennt Regisseur Jeff Tremaine lässig-augenzwinkernd im Filmstarts-Interview. Der scheinbar wahllose Zusammenschnitt von heldenhaften Mutproben, ekligen Sauereien, kruden Passanten-Attacken und roher Gewalt bekommt durch die dritte Dimension zwar keinen allzu großen Mehrwert, aber wenigstens haben die Chaostheoretiker einige ihrer Nummern in schickem Real-3D gefilmt. Spaß macht der Film auf jeden Fall – soweit der Zuschauer bereit ist, sich für diese Art von Geschmacklosigkeit zu öffnen.

    Ist es wirklich lustig, wenn jemand in einer mobilen Bauarbeitertoilette an Bungeeseilen wie auf dem Jahrmarkt in die Lüfte geschossen wird („Poo Cocktail Supreme") und ihm die Scheiße um die Ohren donnert? Jemand von einem wilden Stier über den Haufen gerannt wird, auf einem Jet-Ski ins Nichts fliegt oder bei einem Spießrutenlauf Elektroschockern mehr schlecht als recht ausweicht? Wer bei dieser Vorstellung abwinkt oder generell einen sensiblen Magen hat, sollte an der Kinokasse gleich wieder den Rückwärtsgang einlegen. Denn auch in „Jackass 3D" bleibt alles beim Alten. Johnny Knoxville, Bam Margera, Steve-O, Preston Lacy, Ryan Dunn, Jason „Wee Man" Acuña, Chris Pontius, Brandon Dicamillo, Dave England, Ehren McGhehey & Co. haben auch in 3D nichts von ihrer Verrücktheit eingebüßt. Grenzen gibt es für die Jackass-Mitglieder sowieso nicht. Nach einer TV-Serie (2000 bis 2002), zwei Kinofilmen (2003 und 2006) sowie einem DVD-Nachschlag (2007) hat sich bei „Jackass 3D" mit Ausnahme des 3D-Aspekts nicht viel verändert. Immerhin rund ein Viertel ist tatsächlich in Real-3D gedreht, der Rest wurde nachträglich konvertiert. Besonders in den knallbunten Sequenzen zum Auftakt und Abschluss kommen die Vorzüge der dritten Dimension aber voll zum Tragen.

    Die Stunts selbst folgen dem bekannten Muster. Für jede Spielart des Abartigen finden sich innerhalb der Truppe Spezialisten. So ist Chris Pontius der Mann für die richtig perversen Aufträge. Der Schambefreite führt gern sein Gemächt als Waffe ins Feld und nutzt es zum Beispiel (in Superzeitlupe) als Basebaseschläger. Gerade anhand dieser Szene erschließt sich der nicht auf Anhieb zu vermutende doppelte Boden der Jackass-Absurderie. Pontius‘ bestes Stück ist zunächst mit einem schwarzen Balken verdeckt, doch im Laufe des Schwungs schwengelt sein Kamerad aus dem Fokus der Selbstzensur und erblickt doch noch das gleißende Licht der Leinwand. Neben der vordergründigen Komik strecken Regisseur Tremaine und seine Jungs der stockkonservativen MPAA, dem amerikanischen Pendant zur deutschen FSK, den ausgestreckten Mittelfinger entgegen und führen die übersteigerte, öffentlich-mediale Prüderie der US-Gesellschaft mit Genuss vor.

    Aber was macht nun die Faszination von „Jackass" aus, die diesen immensen kommerziellen Erfolg begründet? Wer würde sich schon zum Spaß solchen Torturen aussetzen? Der Zuschauer sitzt in der sicher geschützten Beobachterposition und kann den Irrsinn miterleben, ohne selbst körperlich leiden zu müssen. Oft möchte man sich mit Grausen abwenden, kann es aber nicht, weil es einfach zu lustig oder tollkühn ist. Dabei ist „Jackass 3D" grundehrlich. Es wird übelster Blödsinn betrieben, aber immer auf eigene Rechnung und nicht auf Kosten anderer – und auch die staunenden Passanten werden nicht in Mitleidenschaft gezogen, sondern nur mit offen stehenden Mündern zurückgelassen, wenn zum Beispiel Wee Man in einer Bar eine wüste Prügelei anzettelt und in der Folge sämtliche Protagonisten – vom Polizisten bis zum Notarzt - aus Kleinwüchsigen rekrutiert werden.

    Dieses Konzept der totalen Anarchie - die in den Siebzigern schwer in Mode war, aber heute kaum noch praktiziert wird - macht „Jackass" nicht im speziellen Fall von Teil drei, sondern in seiner Gesamtheit per se originell. Das Werk an sich weist, wie die Vorgänger auch, keinerlei offensichtliche Struktur auf. Rund 40 Stunts werden mehr oder weniger wahllos aneinander gereiht – umrahmt von den mit viel Aufwand inszenierten Szenen zu Beginn und am Ende. Manchmal ist Film eben doch so simpel wie der „The Rocky" genannte Running Gag: Einer aus der Jackass-Gang bekommt völlig unvermittelt und unerwartet einen saftigen Kinnhaken verpasst, den Regisseur Jeff Tremaine in Zeitlupe abfeiert. Hier frönt „Jackass 3D" purem Slapstick.

    Das Höher/Schneller/Weiter-Prinzip, das nahe läge, gilt für „Jackass 3D" nicht unbedingt. Der Film ist lediglich die Variation des Gewesenen – um neue Formen erweitert. Auf die Suche nach der ekligsten Szene muss sich übrigens jeder Zuschauer allein machen – denn Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Ein kleiner Tipp: Wer sich schon immer einmal gefragt hat, wie eine filmische Antithese zu Mick Jaggers und Keith Richards‘ Zeilen aus dem phantastischen Stones-Klassiker „Loving Cup" („Give me little drink from your loving cup. Just one drink and I'll fall down drunk.") aus dem legendären „Exile On Main Street"-Album aussehen würde, wird in „Jackass 3D" bedient. Der furchtlose Steve-O trinkt in dem Stunt „Sweatsuit Cocktail" einen Becher voller Schweiß, der direkt aus Preston Lacys massivem Leib gewonnen wurde, und kotzt danach wortwörtlich im Strahl. Gerade diese Szene oder ein Vulkan aus Exkrementen, der auf eine Spielzeugeisenbahnwelt niederprasselt, pulverisieren die Grenzen des guten Geschmacks. Da hat „Jackass 3D" die Wildheit von experimentellem Theater – nur auf Basis von entwaffnendem Schwachsinn.

    Um den Bogen zu ihrer einstigen Heimat MTV zu schlagen, läuten die Ikonen Beavis & Butthead den Film ein. Dort gibt es gleich auf die Zwölf. So ist die Gangart knallhart vorgegeben - und der Rest ist Leiden für die Kunst. Zwar weisen die Stunts in ihrer Qualität Unterschiede auf, weil das Tempo und die Schlagzahl aber so hoch sind, fallen die paar Lückenfüller nicht groß ins Gewicht. Schlussendlich bleibt „Jackass 3D" Einstellungssache. Am Ende hat Margera übrigens nicht gebetet, dass das Kapitel endgültig beendet ist... Angesichts des riesigen US-Erfolgs ist ein Nachschlag in einigen Jahren also so sicher wie das Amen in der Kirche...

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