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    Mord im Weißen Haus
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Mord im Weißen Haus
    Von Ulrich Behrens

    Was geschähe, wenn sich tatsächlich ein Mord in 1600 Pennsylvania Avenue ereignen würde? Würde man einen stinknormalen Cop von der Washingtoner Polizei mit der Aufklärung betrauen? Sicherlich nicht, und zwar unter keinen Umständen. Egal, ob es sich um einen Mord aus persönlichen Gründen handeln würde, der nichts mit politischer Intrige zu tun hätte und in den lediglich „kleine“ Angestellte verwickelt wären – also etwa: eifersüchtiger Koch tötet seine Freundin aus der Putzkolonne, die ein Verhältnis mit dem Küchenjungen hat –, oder ob politisch motivierter Mord, Intrige, Komplott oder ähnliches vorläge: CIA, FBI, Secret Service, NSA usw. wären diejenigen, die operierten – Zuständigkeit hin oder her.

    Anders verhält es sich in "Mord im Weißen Haus", Dwight H. Littles Thriller von 1997. Eine junge Frau namens Carla Town (Mary Moore) wird in der Toilette des Weißen Hauses ermordet aufgefunden. Zuvor hatte sie Sex mit einem Mann – in irgendeinem der Zimmer der Schaltzentrale der Macht des Präsidenten Jack Neil (Ronny Cox), der sich zur Zeit des Mordes mit seiner Frau (Diane Baker) auswärts aufgehalten haben soll. Neil hat das gerade noch gefehlt. Denn er hat ganz andere Probleme, vor allem wegen einer außenpolitischen Krise mit Nordkorea.

    Detective Harlan Regis (Wesley Snipes) hat die Ehre, den Mord zu untersuchen – und einfach gestaltet sich das für ihn wahrlich nicht. Denn der Leiter des Secret Service im Weißen Haus, Nick Spikings (Daniel Benzali), versucht, ihm alle möglichen Steine in den Weg zu legen. Spikings will „sein“ Haus sauber halten und mag es nicht, wenn ihm auswärtige Cops in seinen Bereich hineinpfuschen. Ein Machtwort des Sicherheitsberaters des Präsidenten Alvin Jordan (Alan Alda) bewahrt Regis davor, von Spikings hochkant aus den heiligen Hallen wieder hinausgeschmissen zu werden.

    Regis ermittelt, dass Carla Town wohl Vorbereitungen getroffen haben könnte, sich eine neue Identität zu verschaffen. Inzwischen hat Spikings einen Angestellten von der Putzkolonne namens Luchessi (Tony Nappo) festnehmen lassen, der für ihn der Verdächtige Nr. 1 ist. Luchessi behauptet, Carla habe unter dem besonderen Schutz des Secret Service gestanden. Auf einem Foto erkennt Regis den Leibwächter des Sohnes des Präsidenten, Cash (Nigel Bennett), neben dem Mordopfer. Secret-Service-Agent Nina Chance (Diane Lane), die Spikings Regis zur Seite gestellt hat, um ihn zu kontrollieren, erzählt Regis, sie habe gesehen, wie der Sohn des Präsidenten Kyle (Tate Donovan) seine frühere Freundin geschlagen habe; deshalb habe sie um ihre Versetzung gebeten.

    Für Regis deutet alles auf ein Tatmotiv von Kyle Neil hin. Spikings versucht alles, um den Präsidenten und seine Familie zu schützen. Chance schnüffelt in den von Spikings verschlossenen Sachen des Mordopfers – und plötzlich stehen die beiden Ermittler Regis und Chance im Visier des Secret Service. Doch die Lösung liegt – wie meistens – wo ganz anders ...

    Kurz gesagt: Neben der etwas abstrusen Vorstellung, ein x-beliebiger Cop würde beauftragt, einen Mord im Umkreis des Präsidenten zu untersuchen – darüber kann man schlichtweg hinwegsehen –, entfaltet „Murder at 1600“ in der ersten Stunde ein gutes Stück Spannung. Ohne allzu viel verraten zu wollen, driftet der Rest des Films dann jedoch ab – in die gängigen, sattsam bekannten Action-Klischees und wird dadurch auch unglaubwürdig. Dass Regis und Chance keine andere Möglichkeit sehen, den Fall aufzuklären, als sich durch unterirdische Gänge ins Weiße Haus zu schleichen, ist nicht nur bar jeden Realitätsgehalts. Denn kein Mensch kann ernsthaft glauben, dass dies, noch dazu so leicht wie im Film, möglich sein soll. Diese Wende des Films deutet auf Drehbuch-Lacks, sprich Einfallslosigkeit hin. Die beiden Helden werden verfolgt. Was sie entdecken, wäre nicht nur ein gefundenes Fressen für Medien und Öffentlichkeit. Aber statt sich an die Medien zu wenden oder an den Sohn des Präsidenten, schleichen sie durch dunkle Gänge. Und warum das alles? Um einen billigen Showdown zu inszenieren. Ärgerlich bis zum geht nicht mehr.

    Denn ansonsten gibt sich Wesley Snipes alle erdenkliche Mühe, um den glaubhaften Helden zu spielen. Auch wenn die Eingangsszene, in der er auf der Straße einen Selbstmordkandidaten mit eher außergewöhnlichen Methoden davon abhält, wegen der Entlassung aus einer Bundesbehörde seinem Leben ein Ende zu setzen, eher in die etwas bekannte Schublade passt: Seht her! Ein Held!, überzeugt Snipes – einmal mehr – als seriöser, teils auch komischer Hauptdarsteller in einem Film, der dann doch einiges an Energie entwickeln kann. Diane Lane müht sich als zunächst sehr distanzierte, später bereitwillige Helferin des Cops etwas schwerfällig durch den Film. Alan Alda und Daniel Benzali können mal mehr, mal weniger überzeugen. Alles lastet etwas einseitig auf Snipes, und das macht den Film etwas schemenhaft und oberflächlich, auch wenn die Story – trotz aller Mängel – fast bis zum Schluss ganz spannend inszeniert ist.

    Durchschnittliche Unterhaltung für einen netten Fernsehabend, überwiegend spannend, wenn auch auf mittelmäßigem Niveau, was die Geschichte selbst betrifft. Ins Kino würde ich für einen solchen Film nicht unbedingt gehen. Und irgendwann muss man sich auch die Frage stellen, ob der im Film gezeigte Präsident der Vereinigten Staaten möglich wäre. Ich glaube eher nicht, denn er lässt sich völlig einseitig beeinflussen, um nicht zu sagen: für dumm verkaufen.

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