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    Ein Zombie hing am Glockenseil
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Ein Zombie hing am Glockenseil
    Von Robert Cherkowski

    Man kann viel über die deutsche Verleihpolitik und die teilweise mysteriöse, teils plumpe und teils irreführende deutsche Titelvergabe schimpfen. Doch manchmal gelingt auch der ein oder andere cool-kultige deutsche Titel, der quasi ein ganzes Genre, eine Zeit und eine Mentalität beschreiben und bei deren Nennung sofort einen Wirbelsturm an Assoziationen und Erinnerungen heraufbeschwören kann. Ein solcher Titel ist Lucio Fulcis Horror-Reißer "Ein Zombie hing am Glockenseil", der in den wilden 80er-Jahren als Paradebeispiel für angeblich verrohende Auswüchse auf dem gerade in Entstehung befindlichen Videomarkt herangezogen wurde. Noch heute ist der skurrile Titel in Horrorkreisen Legende, obwohl das Werk des italienischen Genrepapstes selbst in Vergessenheit geraten ist. Es lohnt sich jedoch sehr, den Film hinter dem schrillen Titel zu entdecken, um sich ein Bild davon zu machen, wie wild, hypnotisch, verdorben und kultverdächtig wahnsinnig der B-Horror "Made in Italy" seinerzeit die Gemüter erhitzte und noch heute in Sachen Exzentrik und Härte locker an all seinen Epigonen vorbeizieht.

    Nachdem das Medium Mary (Catriona MacColl) bei einer Seance die Vision vom Selbstmord eines Kleinstadtpfarrers (Fabrizio Jovine) hat, gerät sie in mörderische Panik, bei der aus schierer Angst schließlich ihr Herz aufhört zu schlagen. Für tot erklärt soll sie schon begraben werden, als sie plötzlich im Sarg wieder zu Bewusstsein kommt. Nur durch tatkräftige Unterstützung des Reporters Peter Bell (Christopher George) kann verhindert werden, dass sie lebendig begraben wird. Wieder unter den Lebenden will Mary nun den Hintergründen der mysteriösen Vision auf den Grund gehen, die sie schon einmal fast um ihr Leben und beinahe unter die Erde gebracht hätte. Die Spur führt sie alsbald ins abgelegene Dunwich, wo der vermeintlich tote Pfarrer seither als untote Erscheinung umherwandelt und den Menschen nach dem Leben trachtet. Auch andere Tote haben sich seitdem aus ihren Gräbern erhoben, um Lebende auf grausigste Art zu ermorden. Wird es Mary und Peter gelingen, den übersinnlichen Mächten auf die Schliche zu kommen und weiteres Grauen zu verhindern?

    Die Story mag sich recht konventionell lesen und doch kann eine inhaltliche Zusammenfassung hier nur die halbe Wahrheit wiedergeben. Fulcis Werk ist im besten Sinne des Wortes wahnwitzig, pfeift auf Dramaturgie und gibt sich, wo immer möglich, einem spekulativen Overkill an Effekten und Provokationen hin. Auch "Ein Zombie hing am Glockenseil" schwelgt mit größtem Vergnügen in einer trashig-bunten Traumlogik und will nicht viel mehr als in seinen eigenen Exzessen zu baden. Wirklich viel Sinn ergibt das Geschehen dabei nicht. Ohnehin wollte Fulci sein Publikum auch nicht mit Plot bei der Stange halten, sondern mit altmodischem Gothic-Horror-Ambiente, einem herrlich schmierigen Score von Fabio Frizzi, dicken Nebelschwaden und okkultem Hokuspokus.

    Natürlich kann man nicht von Fulci sprechen, ohne die Splatter- und Gore-Spitzen zu erwähnen, die er seinem Publikum hier gnadenlos um die Ohren haut. Immer wieder scheint er seine leicht naive Gruselmär zu unterbrechen, um sich in wahren Opern von blutigen Sturzbächen, zerfetzten Leibern, erbrochenem Gedärm, durchbohrten Köpfen und blutenden Augäpfeln zu verlieren. Dabei steht keineswegs die Spannung oder die Frage im Mittelpunkt, ob die armen Seelen ihrem Martyrium noch entgehen können, sondern das schlichte Spektakel der Zerstörung des Körpers, das Fulci mit offensichtlicher Begeisterung und einem leisen Hang zum Sadismus in die Länge zieht und zelebriert. Menschen werden zu Pinseln, ihr Lebenssaft zur Farbe und am Ende sieht die Umgebung aus, als hätte Jackson Pollock sie als Leinwand benutzt. Auch so kann Kunst entstehen. In Momenten wie diesen mutiert Fulcis Exploitation-Sause zum performativen Kino, das jeden narrativen Rahmen sprengt und sich selbst in seiner schieren affektiven Wirkung genügt.

    Auf eine seltsame und nicht immer ganz geschmackssichere Art ist "Ein Zombie hing am Glockenseil" eine bestechend ehrliche Filmerfahrung im Grenzbereich des Erträglichen. Wo heute so gern die Liebe zum alten Trash behauptet und in Retro-Horror oder Grindhouse-Hommagen zur Schau gestellt wird, deren Härten sich hinter feigem hip-ironischem Augenzwinkern verstecken, gibt es hier den "Real Deal" im Bereich des No-Nonsense-Horrors zu bestaunen. Fulci macht keine Faxen – und wenn hier jemand mit dem Auge zwinkert, kriegt er es garantiert ausgestochen. Man sieht "Ein Zombie hing am Glockenseil" sein Alter an, und nicht an jeder Stelle war dieses Alter gnädig. Dennoch: Ein fiebriger und bösartiger Albtraum von einem Film. Ansehen auf eigene Gefahr.

    Fazit: Lucio Fulcis "Ein Zombie hing am Glockenseil" ist ein hundsgemeiner Film, der nicht nur die Reißzähne bleckt, sondern sie tief in Hirn, Herz und Magen seines Publikums bohrt. Egal, ob man die erzählerischen Lücken nun als performativ-inszenatorisches Programm oder als unfreiwillig komische Nachlässigkeit auslegt – kalt lassen wird dieser Schocker auch heute niemanden.

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