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    Unbekannter Anrufer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Unbekannter Anrufer
    Von Björn Helbig

    „Ein einsames Haus. Eine junge Frau. Eine lange Nacht. Und ein Killer, der keine Gnade kennt…“ – Kommt einem bekannt vor, oder? Richtig, „Unbekannter Anrufer“ wurde inspiriert vom Film „Das Grauen kommt um Zehn“ von 1979, welcher auch schon für Teile des ironischen Horrorpatchworks Scream Pate stand. Der derzeitige Trend, Klassiker neu aufzulegen und bereits existierende Ideen neu zu verwursten setzt sich somit fort. Dabei lassen sich sowohl Fehlschläge wie z.B. Marcus Nispels umstrittenes Remake von Tobe Hoopers Texas Chainsaw Massacre oder Zack Snyders mittelmäßiger Aufguss des George A. Romeros Kultfilms Dawn Of The Dead als auch Erfolge wie Alexandre Ajas Remake von Wes Cravens The Hills Have Eyes nennen. Simon Wests „Unbekannter Anrufer“ gehört dabei zweifelsohne in die Kategorie der Fehlschläge und ist heißer Anwärter auf den Titel „Überflüssigster Film 2006“.

    Die Schülerin Jill (Camilla Belle) darf im einsamen Wohnsitz des Arzt-Ehepaares Mr. und Mrs. Mandrakis (Derek De Lint und Kate Jennings) babysitten. Das passt ihr eigentlich gar nicht so gut in den Kram, denn sie hat Ärger mit ihrem Freund Bobby (Brian Geraghty) und ihrer Freundin Tiffany (Katie Cassidy). Sie ist eifersüchtig, denn sie hat gesehen, dass die beiden sich geküsst haben. Als Jill das Haus sieht, in dem sie babysitten soll, vergisst sie den Streit aber kurzzeitig, denn das abgelegene Anwesen erweist sich als ausgesprochener Blickfang. Jill wird kurz von den Mandrakis eingewiesen, bevor diese das Haus verlassen und Jill allein zurückbleibt.

    Der Zuschauer weiß zu diesem Zeitpunkt schon ein bisschen mehr als Jill, nämlich, dass ein böser Killer in der Gegend sein Unwesen treibt. Selbigem beliebt es, seine Opfer erst noch ein wenig mit Telefonanrufen zu terrorisieren, bevor er zur blutigen Tat schreitet. Überraschungsarm geht es weiter: Jills Telefon klingelt, am anderen Ende – ein unbekannter Anrufer. Und so geht es den ganzen Film über weiter. Jill stöbert ein wenig durchs opulente Heim der Ärzte, erschreckt sich manchmal mit, mal ohne Grund, nimmt Anrufe von dem Unbekannten und auch mal von Bobby entgegen – bis es schließlich irgendwann nach zähen Minuten zum unspektakulären Showdown kommt. Der unbekannte Anrufer ist ins Haus eingedrungen und Jill muss sich behaupten. Das war’s.

    Man darf sich ruhig ein wenig veräppelt vorkommen, so dürftig ist die Geschichte, die einem hier vorgesetzt wird. West (Lara Croft: Tomb Raider, „Con Air“), ehemaliger Musik- und Werbefilmer, zeigt wieder einmal, dass er sich – wenn überhaupt – auf Oberflächen versteht, ihm Inhalte aber völlig abgehen. So macht das Haus, in dem Jill an unterschiedlichen Orten Anrufe entgegen nehmen darf, einen schicken Eindruck und auch der eine oder andere Wolkenbruch kann sich sehen lassen. Darüber hinaus ist „Unbekannter Anrufer“ leider furchtbar öde. Jedes Potenzial, das die klaustrophobische Situation, in der sich Jill befindet, zu bieten hätte, wird verschenkt. Drehbuchautor Jake Wade Wall, der für das Remake des Horror-Klassikers „Hitcher – Der Highway-Killer“ (1986) verantwortlich ist, überbietet sich dabei mit West in Sachen Inspirationslosigkeit. Jeder noch so abgelutschte Horror-Standard wird hier ohne jedes Augenzwinkern aufgeboten, es gibt nichts, das man nicht schon einmal anderswo gesehen hätte. Wenn dann das Ganze doch wenigstens noch spannend wäre…

    Nun, man muss nicht immer das Rad neu erfinden, schon gar nicht bei Horrorfilmen. Erlaubt ist, was funktioniert, respektive was Spannung erzeugt. Zur Spannung trägt in nicht unerheblichem Maße bei, dass die Figuren lebendig sind, dass man sich in sie hereinversetzen kann und so ihre Angst teilt. Leider bleibt Camilla Belle („Chumscrubber“) als Jill – wie der Rest des Casts – völlig blass, was gar nicht in erster Linie an den schauspielerischen Fähigkeiten der Beteiligten liegt. Den Figuren wurde einfach nicht genügend Beachtung geschenkt. Das gilt auch für Tommy Flanagans (Sin City) unbekannten Anrufer. Diesem wurde nicht einmal der Hauch eines Motivs zugestanden. Ein Übermaß an Aufmerksamkeit bekam allerdings der heimliche Hauptdarsteller des Films, das Haus, diese dekadente Holz- und Glaskonstruktion, in dessen Zentrum ein Atrium das Eingeschlossensein versinnbildlicht. Man merkt schnell, dass Wests eigentliches Interesse der Location galt, die von Jon Gary Steele designt wurde. „Zu viel Haus, zu wenig Leben“ muss die Diagnose zum Schluss dann leider auch lauten.

    „Unbekannter Anrufer“ hat weder dem Original noch dem Genre irgendetwas Neues hinzuzufügen. Trotz des marginalen Szenarios (Frau/Haus/Killer) schaffen es West und Wall dann aber dennoch etliche Logikfehler und Unplausiblilitäten einzubauen. Was dem Film dann aber letzten Endes das Genick bricht, ist, dass er weder gruselig, noch spannend, noch sonst irgendwie unterhaltend ist. Und auch die Zuschauer, die es gerne blutig mögen, werden nicht auf ihre Kosten kommen. Damit ist dem Thriller jede Daseinsberechtigung genommen. Es ist schwer nachvollziehbar, was dieser Film im Kino zu suchen haben soll – der direkte Weg in die Videothek wäre nachvollziehbarer.

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