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    Das Gesetz der Ehre
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Das Gesetz der Ehre
    Von Carsten Baumgardt

    Wenn Hollywoods Studios ihre Giftschränke öffnen, kommt meist nichts Appetitliches dabei heraus. Fast immer hat es einen triftigen Grund, warum das betreffende Werk der Öffentlichkeit komplett vorenthalten oder erst mit erheblicher Verzögerung herausgebracht wird. Im Fall von Gavin O’Connors „Das Gesetz der Ehre“ ist es hingegen unverständlich, warum Warner Brothers das Cop-Drama zwei Jahre in den Archiven gären ließ. Sicherlich ist der Film trotz exzellenter Besetzung kein Hitgarant, aber er gefällt als hartes, stimmiges Genrekino.

    In der New Yorker Familie Tierney gelten Tradition und Zusammenhalt noch etwas. Patriarch Francis sr. (Jon Voight) ist der ehemalige Polizeichef der Stadt. Sein ältester Sohn Francis jr. (Noah Emmerich) leitet eine Anti-Drogen-Abteilung, der jüngere Ray (Edward Norton) ist beim FBI und selbst Schwiegersohn Jimmy Egan (Colin Farrell) trägt das Abzeichen der Truppe. Als vier Polizisten brutal ermordet werden, sind die Cops außer sich vor Wut. Francis sr. setzt durch, dass Ray an den internen Ermittlungen beteiligt wird. Nur widerwillig lässt er sich auf die Untersuchung ein. Zu sehr hat Ray an einem Vorfall aus der Vergangenheit zu knabbern, aus dem er nur juristisch, aber nicht seelisch unbefleckt hervorgegangen ist. Dieser kostete ihn außerdem seine Ehe mit Tasha (Carmen Ejogo). Doch Ray beißt sich langsam in den Fall rein und stößt dabei auf allerlei Ungereimtheiten. Die Spur führt ins eigene Department, wo Korruption offensichtlich an der Tagesordnung ist…

    Der Weg, den „Das Gesetz der Ehre“ bis zu seinem Kinostart zurücklegen musste, ist ein beschwerlicher. Ursprünglich sollten Mark Wahlberg und Hugh Jackman die Hauptrollen spielen, doch die bereits für Februar 2002 angesetzten Dreharbeiten wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Direkt nach den markerschütternden Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 wollte den leidenden Amerikanern niemand eine gewaltreiche Geschichte über korrupte New Yorker Cops zumuten. In der heutigen Zeit stellt dies natürlich kein Problem mehr dar.

    Independentfilmer Gavin O’Connor („Tumbleweeds“), der sich bisher nur mit dem soliden Sport-Drama Miracle in den Mainstream wagte, bewegt sich mit „Das Gesetz der Ehre“ zweifellos innerhalb der üblichen Genre-Konventionen - Variationen des bekannten Themas müssen genügen. Auch Überraschungen fallen spärlich aus. Der Fokus des Regisseurs liegt eindeutig auf der Inszenierung der Materie. Ein Blick auf O’Connors Schlüsselhelfer erstaunt da kaum. Das Drehbuch schrieb er gemeinsam mit Genre-Regisseur Joe Carnahan (Narc, Smokin‘ Aces, White Jazz). O’Connor schafft eine griffige, äußerlich kühle Atmosphäre, deren hitzige emotionale Intensität sich von Minute zu Minute steigert, sobald klar wird, wer hier alles Dreck am Stecken hat. Die Fassade des so harmonisch und unerschütterlich eingeführten Familien-Clans beginnt mehr und mehr zu bröckeln. Während die zwei Fixpunkte Ray Tierney und Jimmy Egan in ihren Rollen bald auf die Seiten Gut und Böse eingeteilt sind, verschwimmt der Rest der Familie im Grau, was die Spannung zusätzlich fördert. Schon lange schwelende Konflikte innerhalb des Familiengebildes brechen durch die Korruptionsaffäre erst richtig auf. Was bisher unter der Oberfläche gehalten werden konnte, lässt sich im Verlauf der Ermittlungen nicht mehr bändigen.

    Zuallererst sind es die ausgezeichneten schauspielerischen Leistungen des hochkarätig besetzten Ensembles, die das Cop-Drama nach vorne bringen. Edward Norton (Fight Club, American History X) glänzt als gebrochener Charakter. Sein Ray stellt sich den Dämonen der Vergangenheit und muss gegen seine eigene Familienbande zu Felde ziehen. Nortons natürliche Präsenz fungiert im Film als Motor. Er ist die Identifikationsfigur für das Publikum, verzichtet auf großes Getöse und begeistert durch gekonntes Unterstatement, bei dem jede Geste sitzt. Auch Rays Bruder Francis hat ein schweres Päckchen zu tragen. Durch die Krebserkrankung seiner Frau Abby (Jennifer Ehle, Besessen) verharrt er in einer Schockstarre, was Darsteller Noah Emmerich (Die Truman Show, Cop Land), eigentlich ein Bär von einem Mann, unter seinem emotionalen Panzer wunderbar zerbrechlich transportiert. Der Rest der Casts liefert grundsolide Vorstellungen ab. Jon Voight (Ali, Mission: Impossible, Heat) hat als Clan-Oberhaupt nicht nur mit einem Alkoholproblem, sondern auch damit zu kämpfen, Konflikte möglichst unter dem Teppich zu belassen. Und Colin Farrell (Miami Vice, Alexander, Brügge sehen… und sterben?) ist es zu verdanken, dass sein Charakter, der unbeherrschte Jimmy, trotz einiger Klischeefallen funktioniert.

    Neben den Schauspielern ist O’Connors Inszenierung die zweite Säule, auf der die Qualität des Films fußt. Nach der an ein Charakterdrama erinnernden Einführung, in der die Familienverhältnisse aufgezeigt werden, nimmt schließlich der Kriminalfall an Fahrt auf. In welche Richtung die Ermittlungen verlaufen, ist nicht schwer zu erraten. Trotzdem ist es spannend, die Konsequenzen, die sich innerhalb des brüchig gewordenen Familienkomplexes ergeben, zu verfolgen. Geredet wird dabei nicht mehr als nötig. Die Sprache auf den Straßen New Yorks ist rau. Bei Verfolgungsjagden und Schießereien geht es richtig zur Sache. Fast wie in einem modernen Western. Das ist nichts für zarte Gemüter. Kameramann Declan Quinn (Vanity Fair, Breakfast On Pluto) fängt den Schmelztiegel der Kulturen im Big Apple in düsteren, kalten Bildern ein, die vordergründig elegant aussehen und unterschwellig die Gemütslage der Figuren reflektieren.

    Fazit: Die berechenbare Konventionalität wird durch ausgezeichnete schauspielerische Leistungen und die starke Inszenierung von Regisseur Gavin O’Connor mühelos aufgefangen. So ist „Das Gesetz der Ehre“ zwar kein neuer Serpico, aber immerhin ein sehenswertes Thriller-Drama im Milieu der New Yorker Polizei, das Genrefans wärmstens ans Herz gelegt sei.

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