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    Idlewild
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Idlewild
    Von Björn Becher

    Musiker kommen auf die Idee, sich auch mal schauspielerisch zu versuchen und am besten gleich mit einem komplett auf sie zugeschnittenen Film? Das hatten wir alles schon mal, am nachdrücklichsten sind wohl noch negative Erfahrungen mit den Machwerken einer Britney Spears (Not A Girl), 50 Cent (Get Rich Or Die Tryin´) oder Mariah Carey („Glitter“) in Erinnerung, die wenigen deutschen Kinozuschauer, die ihn aus irgendeinem Grund gesehen haben, können hier vielleicht noch den Kinoauftritt von Daniel Küblböck (Daniel - Der Zauberer) nennen. Also ist eigentlich Skepsis angesagt, wenn man nun an „Idlewild“, das Musical-Drama von André Benjamin sowie Antwan A. Patton alias Big Boi, besser bekannt unter ihrem Gruppennamen Outkast, herangeht. Doch diese überraschen mit guten Ideen, zumindest partiell vorhandenem schauspielerischen Talent sowie einer guten Wahl bei Stil und Inszenierung. Leider stellen sie sich selbst ein Bein: Denn wie so oft bei solchen Produktionen wurde die Story anhand von gängigen Motiven am Reißbrett entworfen und ist so ein einziges Ärgernis.

    Idlewild, ein kleines Kaff irgendwo im Süden der USA, zur Zeit der Prohibition: Percival (André Benjamin) sowie Rooster (Big Boi) sind schon von klein auf Freunde, obwohl ihre Leben kaum unterschiedlicher sein könnten. Rooster mischt schon als kleiner Junge im Alkoholschmuggelgeschäft seines Vaters mit und zockt als Zehnjähriger die anderen Kids im Glücksspiel ab. Percival steht dagegen unter den strengen Fittichen seines Vaters (Ben Vereen), einem Bestattungsunternehmer. Ihre gemeinsame Verbindung ist die Musik, die sie auch noch Jahre später verbinden soll. Der verheiratete und zahlreiche Kinder habende, trotzdem immerzu von Frauen umschwärmte Rooster ist mittlerweile die große Nummer im Nachtclub von Shunshine Ace (Faizon Love), während Single Percival im Betrieb seines Vaters arbeitet, bei diesem noch unter dessen Aufsicht lebt und nur nachts Dank Roosters Fürsprache, sich ein Stückchen seines Traums erfüllen kann. Er spielt Piano im Nachtclub, wenn auch nur nach Vorgabe und nicht seine eigenen Werke, die er heimlich auf dem Dachboden komponiert. Als Ace und Geschäftspartner Spats (Ving Rhames) von dessen rücksichtsloser rechter Hand Trumpy (Terrence Howard) erschossen werden, ändern sich die Zeiten in Idlewild. Rooster übernimmt den Nachtclub, doch wird dabei von Trumpy unter Druck gesetzt. Der erhöht die Preise für Alkoholbezug und Schutz und Rooser weiß nur zu genau, zu was sein Gegenüber fähig ist. Zu jener Zeit taucht im Nachtclub Angel Davenport (Paula Patton) auf, eine umjubelte Starsängerin, die von Ace für mehrere Auftritte gebucht wurde. Sie bringt Licht in Percivals Leben, der sich von Anfang an in die scheinbar unerreichbare Frau verliebt.

    Vor allem in den ersten 30 Minuten ist „Idlewild“ ein wunderbares Stückchen Film. Mit einer verspielten, sich nie zu ernst nehmenden Inszenierung, ganz im Stil des öffentlichen Auftretens von Outkast, werden nicht nur Fans in ihren Bann gezogen werden. Alte schwarz-weiße Bilder werden genauso wie Strichmännchen auf den Notenlinien der Songblätter auf visueller Ebene für humorige, kleine Späße eingesetzt. Dazu kommt der Kinderdarsteller Bobb'e J. Thompson (Final Call), der mit herrlichem Overacting und überzogener Großspurigkeit den jungen Rooster als eine Art Mini-Al-Capone spielt und so die Lacher auf seiner Seite hat. Neben dem gelungenen Setting, den gut ausgewählten Kostümen und der so erzeugten Atmosphäre erweist sich die neckische Inszenierung über die gesamte Laufzeit als größter Pluspunkt von „Idlewild“. Immer wieder kommt diese zum Vorschein, so wird z.B. ein animierter Hahn auf dem Flachmann von Rooster zum „Running Gag“, der in herrlicher Weise mit seinem Besitzer kommuniziert (in der englischen Originalfassung zumindest ein absoluter Genuss).

    Leider fängt nach der ersten halben Stunde die Geschichte immer mehr an, sich durchzusetzen. Und so sehr man die Jungs von Outkast dafür beglückwünschen kann, dass sie mit ihrem Freund und langjährigen Stamm-Musikvideo-Regisseur Bryan Barber eine gute Wahl für die Inszenierung gefunden haben, so sehr wird man ihnen auch vorhalten müssen, dass sie mit demselben Herrn eine verdammt schlechte Wahl für das Drehbuch getroffen haben. Denn Barbers Script orientiert sich einfallslos an altbekannten Versatzstücken. Der großspurige Macher, der erst die richtigen Niederschläge braucht, um zu erkennen, wo der wirkliche Sinn des Lebens liegt auf der einen Seite und der schüchterne Introvertierte, der nach den richtigen Anstößen es schafft, seinen Traum zu verwirklichen auf der anderen. Die von Beginn an für beide vorgezeichneten Wege verlaufen dann auch wirklich ohne eine einzige Abzweigung genau in jenen Bahnen, welche das Genre für sie vorsieht. Selbst dass man für den Charakter der weiblichen Hauptrolle Paula Patton ein paar Überraschungen bereit hält, geht nicht auf, denn diese werden allesamt so aufdringlich angekündigt, dass man sie schon viel zu früh absehen kann. Gerade gegen Ende wird dieses Ankündigungen der Storyentwicklungen richtig ärgerlich. Wenn man einen der Schauspieler mit Megaphon durchs Bild schicken und ihn immer die nächsten 15 Minuten erzählen lassen würde, wäre dies kaum weniger eindeutig.

    Es ist mehr als schade, dass die Story den Genuss ein ganzes Stück weit trübt. Denn was für einen anderen Film der Genickbruch wäre, zieht „Idlewild“ nur ins Mittelmaß herab. Denn trotz dieser großen Schwäche, schafft es das Werk noch Vergnügen zu bereiten. Neben den schon positiv erwähnten Faktoren schafft es vor allem auch das Gros der Schauspieler, richtig gut zu unterhalten. Aus dem Outkast-Duo bestätigt André Benjamin das schon in vorherigen Projekten (Vier Brüder, Revolver) gezeigte, durchaus vorhandene schauspielerische Talent. Sein Kompagnon Big Boi überzeugt zwar als großspuriger Poser auf der Bühne des Nachtclubs, hat aber in emotionaleren Momenten ein paar Probleme. Die prominenten Nebendarsteller wie Ving Rhames (Pulp Fiction), die hübsche Paula Patton (Déjà Vu) und vor allem Terrence Howard (Hustle And Flow) überzeugen auf der ganzen Linie.

    Die klug gesetzten Musicalnummern werden Outkast-Fans nach dem Sehen des Films sicher in den nächsten Plattenladen treiben und den zugehörigen Soundtrack kaufen lassen (sofern sie ihn nicht schon vorher besessen haben). Selbst der geringe Teil der Zuschauer, welcher mit dem Duo eher wenig anfangen kann, braucht davor keine Angst zu haben, schaffen es die beiden doch exzellent, ihren Stil bzw. den eines Gaststars wie Macy Gray mit dem der Zeit zu verbinden. So gelingt es die Songeinlagen, die Atmosphäre des Films zu verstärken und Dank der Präsentation mit einem Augenzwinkern (Percivals Song beim Aufstehen, begleitet von einer Unzahl Kuckucksuhren) sind sie exzellente Unterhaltung. Da ist es dann doch sogar schade, dass der Film für sein Genre erstaunlich wenige Musikeinlagen aufweist. Ein Punkt den vielleicht Musical- und im speziellen Outkast-Fans mehr bemängeln werden als die schwache Story.

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