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    8 Blickwinkel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    8 Blickwinkel
    Von Jürgen Armbruster

    Bei Pete Travis‘ Hochgeschwindigkeits-Thriller „8 Blickwinkel“ reicht eine einzige Metapher aus dem Bereich des Sports aus, um alles wesentliche zu sagen: Wäre der Film ein 800-Meter-Läufer, so würde dieser zunächst loslegen wie die Feuerwehr und mit seinem wahnwitzigem Tempo das Feld dominieren. Doch auf der zweiten Stadionrunde bricht er dann gnadenlos ein, die Konkurrenz zieht vorbei und letztlich reicht es dann trotz verheißungsvollen Beginns lediglich zu einem Platz irgendwo in der Bedeutungslosigkeit des Mittelmaßes. Aber der Reihe nach…

    Die Handlung ist dabei zumindest vordergründig vergleichsweise trivial, was jedoch Teil des zunächst durchaus überzeugenden Konzepts ist: Im spanischen Salamanca ratifizieren 150 Staaten auf Initiative der USA ein Abkommen zur Terrorbekämpfung. Doch bei einer öffentlichen Kundgebung mit Volksfest-Charakter passiert das Unfassbare. Der amerikanische Präsident Ashton (William Hurt) wird von zwei Schüssen niedergestreckt und die Stadt kurze Zeit später von zwei Explosionen erschüttert. Die erste Bombe detoniert abseits des Politgipfels und scheint das eigentliche Ziel verfehlt zu haben, doch die zweite zerfetzt die Tribüne, auf dem sich eben noch die Staatsmänner aus aller Welt die Klinke in die Hand gaben. Panisch fliegen die Überlebenden des Anschlags vom Ort des Geschehens. Und in mitten des vorherrschenden Chaos versuchen die beiden Secret-Service-Agenten Thomas Barnes (Dennis Quaid) und Kent Taylor (Matthew Fox) die Attentäter ausfindig zu machen.

    Beginnen wir mit einem etwas komisch klingenden Kompliment: In seinen besten Momenten fühlt sich „8 Blickwinkel“ ein wenig an, wie eine zeitgenössische Neuinterpretation von Rashomon auf Speed. Ähnlich wie im Meisterwerk der japanischen Regielegende Akira Kurosawa erlebt der Zuschauer die gleichen Ereignisse immer wieder – nur eben aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei offenbaren sich dem Zuschauer und den Protagonisten immer mehr Details des Anschlags und nach und nach wird klar, dass noch etwas viel Größeres als ein simples Mordkomplott hinter dem ganzen Treiben steckt. Vor allem in der ersten halben bis dreiviertel Stunde ist diese Schnitzeljagd nach dem nächsten Puzzlestück überaus unterhaltsam. Ein weiterer Pluspunkt: Regisseur Pete Travis gelingt bei seinem Kinodebüt eine durchweg gefällige Inszenierung. Zwar erreicht der eigentliche Anschlag nicht die infernalische Wucht, wie sie Peter Berg in Operation: Kingdom zelebrierte und auch Verfolgungsjagden durch verwinkelte Innenstädte hat man unter anderem in der „Bourne“-Reihe schon wesentlich besser gesehen. Für sich betrachtet, hinterlässt „8 Blickwinkel“ handwerklich allerdings einen grundsoliden und überzeugenden Eindruck.

    Letztendlich sind es inhaltliche Mängel, die „8 Blickwinkel“ daran hindern, ein wirklich gelungener Film zu sein. In der packenden ersten Filmhälfte gelingt es Travis noch, die schon latent vorhandenen Unzulänglichkeiten durch seinen rasanten Inszenierungsstil zu kaschieren, doch spätestens als die verschiedenen Handlungsstränge zu einem ganzen zusammengefügt werden müssen, werden diese offensichtlich. Hier versagt das Debüt-Drehbuch von Barry Levy trotz zuvor guter Ansätze auf ganzer Linie. Die Charaktere entwickeln sich mehr und mehr zu Stereotypen (der tapfere Agent, der besonnene Präsident, der religiöse Fanatiker, die Femme Fatale…) und Kommissar Zufall spielt all zu häufig an entscheidenden Punkten eine Rolle. Der packende Thriller mit politischen Spitzen (eine amerikanische Journalistin: „I’m cool with censorship. American people love it…”) der ersten Filmhälfte zeigt sein wahres Gesicht und entpuppt sich mehr und mehr als Dutzendware von der Stange. Schlimmer noch: Ab einem gewissen Punkt beginnt die fünfte und sechste Wiederholung des gleichen Geschehens einen gewissen Nervfaktor zu entwickeln. Da kann auch die tapfer aufspielende Besetzung um Dennis Quaid (The Day After Tomorrow, G.I. Joe), Forest Whitaker (Der letzte König von Schottland, Panic Room), William Hurt (A History Of Violence, Mr. Brooks) und Sigourney Weaver (Alien, Copykill) nicht mehr die Kohlen aus dem Feuer holen. Schauspielerisch gibt es mit „Lost“-Star Matthew Fox ohnehin nur einen - allerdings Drehbuch-bedingten - Totalausfall. Doch dieser wurde auch mit der undankbarsten aller Rollen bedacht.

    So gesehen ist „8 Blickwinkel“ ein echtes Ärgernis. Nicht weil der Film nun außerordentlich schlecht wäre, sondern weil er kurzzeitig das Potenzial andeutet, richtig gut werden zu können. Ein wenig mehr Feinschliff am Drehbuch und vor allem ein etwas besseres Geschick beim Zusammenführen der verschiedenen Handlungsstränge und hier wäre durchaus eine kleine Genreperle möglich gewesen. Doch so ist „8 Blickwinkel“ nicht Fisch und nicht Fleisch, weder grün noch blau. Wegen der wirklich kurzweiligen ersten Hälfte kann man sich den Film als Genrefan zwar anschauen, muss es aber sicherlich nicht.

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