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    Uro
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Uro
    Von Nicole Kühn

    Skandinavien liefert mit zuverlässiger Regelmäßigkeit schonungslose Krimikost, die durch atmosphärische Düsternis und psychologische Stimmigkeit mehr besticht als durch zur Schau gestellte Brutalität. Mit dem atmosphärisch dichten Polizei-Thriller „Uro“ konnte Stefan Feldbakken beim Filmfestival in Cannes in der Sektion „Un certain regard“ einen Überraschungserfolg landen. Wie eine Matrjoschka enthüllt einer der ersten Aufträge des Helden immer neue und tiefer liegende Schichten seiner Vergangenheit, die er hinter sich gelassen glaubte. Seine wahre Läuterung muss er sich in einem zähen Ringen mit sich selbst erkämpfen und dabei die Komplexität von einfachen Schlagworten wie Loyalität, Schuld und Vergebung erfahren. Das undurchsichtige Drogenmilieu ist für diesen Kampf eine ideale Arena.

    Ein besserer Mensch zu werden, indem man einfach die Seiten wechselt von den Bad Boys zu den Good Guys? So hat sich der junge HP (Nicolai Cleve Broch) das vorgenommen und stürzt sich mit großem Eifer in seine neue Aufgabe bei der Spezialeinheit URO, die verdeckt gegen Drogenkartelle ermittelt. Schon bald kommt ihm nicht nur sein unbedingter Starrsinn in die Quere, sondern auch seine Vergangenheit. Das Wiedersehen mit seiner Sandkastenfreundin Mette (Ane Dahl Torp) öffnet ihm nicht nur die Augen über deren Verstrickung in einen florierenden Drogenhandel, sondern zwingt ihn auch, sich mit seiner eigenen Herkunft auseinander zu setzen. Die Kontakte, die er in Mettes Bar zur Drogenszene knüpft, geraten ihm schnell außer Kontrolle. Um sein Fahndungsziel nicht zugefährden, lässt er sich jedoch auf Deals ein, in dem jeder plötzlich zu einem großen Unbekannten werden kann. Welche Rolle spielt die attraktive Mette in den krummen Geschäften ihres Vaters Frank (Bjorn Floberg), wird HPs alkoholsüchtige Mutter (Anne Krigsvoll) durch ihren Kontrollverlust für ihn zur Gefahr?

    Ohne erhobenen Zeigefinger oder falsches Pathos macht Regisseur Faldbakken eindringlich klar, dass der Held seine wesentlichen Charakterzüge kaum an der Pforte zu den Hütern der Gerechtigkeit abgeben kann. Der eigensinnige Heißsporn schlittert auch im Auftrag des Gesetzes immer wieder haarscharf an den Grenzen zwischen Gut und Böse vorbei und merkt dabei, dass jeder Mensch viel mehr Verstrickungen in seinem Leben ausgesetzt ist, als dass er immer klar auf einer der beiden Seiten stehen könnte.

    Wie die Handlungen der zentralen Figuren liegen die Schauplätze des Geschehens überwiegend in einer verschleierten Grauzone, die in ihrer dämmrigen Fahlheit kaum Konturen und Orientierungspunkte erkennen lässt - immer wieder jäh unterbrochen von der schrillen Aufgedrehtheit rauschhafter Partys, in denen gute Laune ein Muss ist. Der Grundtenor der Erzählung bleibt jedoch eher beim Grauen des Alltags, der sich kaum bemerkbar aus den unterbeleuchteten Ecken der Wahrnehmung heranschleicht und dann ohne großes Aufhebens konsequent zuschlägt. Ginge Anvik unterstreicht die unterkühlten Bilder mit einer ebensolchen Musik und schafft damit eine Atmosphäre der Unausweichlichkeit. Über die reduzierten Klänge transportieren sich die Stimmungslagen der Figuren. Die jeweils mit den Ereignissen in ihrem Tempo übereinstimmende Kamera rückt die Darsteller und eine sehr realistische Wiedergabe des Geschehens in den Mittelpunkt. Selten gibt sie den Blick frei auf weite Räume, vielmehr zeigt sie die Architektur der Stadt als eine Zone der Apathie, aus der ein Entkommen kaum möglich scheint.

    Das Ensemble, allen voran die beiden Hauptdarsteller, überzeugen durch authentisches und eindringliches Spiel. Beiden glaubt man die innere Unsicherheit und Anspannung, die sie blitzschnell zwischen Härte und Verletzlichkeit hin- und herspringen lässt und sie unberechenbar macht. Die beiden 1975 Geborenen konnten sich bereits in einigen norwegischen Werken für Film und Fernsehen etablieren, mit „Uro“ betreten sie die internationale Bühne und sind bereits für mehrere Projekte engagiert. Ihnen wie auch dem jungen Regisseur, der für seine vorherigen Filme „Anolit“ (2002) und „Kosmonaut“ (2002) auch das Drehbuch verfasste, wünscht man mehr internationale Aufmerksamkeit und den Verleihern mehr Mut, Nachwuchstalente auf die Leinwand zu bringen.

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