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    JCVD
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    JCVD
    Von Jan Hamm

    Was hat Actionaltstar Jean-Claude Van Damme nicht schon alles getrieben? Er hat an illegalen Kampfsportturnieren teilgenommen (Bloodsport), war bereits tot („Universal Soldier“) und ist sogar durch die Zeit gereist („Timecop“). Nur eines hat der einzige Hollywood-Export Belgiens noch nie getan: schauspielern. Bis heute. In Mabrouk El Mechris „JCVD“ passiert das Unfassbare - aus der Kampfmaschine schlüpft ein echter Mime. Der Film landet auch nicht wie gewohnt direkt in den Videotheken, sondern läuft mit Erfolg auf internationalen Filmfestivals. Doch damit nicht genug. Van Damme spielt Van Damme! Und der ist eigentlich gar kein Held, sondern ein ganz normaler Typ von nebenan. „JCVD“ ist eine kluge Satire und zugleich eine respektvolle Hommage an „The Muscles from Brussels“. Und nebenher auch noch ein Streifen über Schein und Sein im Filmbusiness, dem der Balanceakt zwischen brüllkomischen und dramatischen Augenblicken scheinbar mühelos gelingt. Was für ein Kulturschock! Anders als die Herren Willis und Stallone, die zuletzt lediglich an alte Tugenden anknüpfen wollten, setzt Van Damme mit „JCVD“ ein dickes, fettes Ausrufezeichen unter seine bisherige Karriere. Im Film selber sieht es für den alternden Actionstar allerdings weitaus weniger rosig aus...

    Jean-Claude Van Damme hat die Faxen dicke. Gerade hat er in den Staaten den Sorgerechtsstreit um seine Tochter verloren, die in der Schule wegen ihres Dads gehänselt wird. Zudem befindet seine Ex-Frau, seine Filme würden mehr als genug über seine väterlichen Qualitäten aussagen. Seinen Anwalt muss Jean-Claude natürlich trotzdem fristgerecht entlohnen und so kommt er entnervt und de facto pleite in seiner Heimat Brüssel an. Dort will er eigentlich nur Geld abheben, doch es bleibt beim Versuch. In der Bank sind drei Gangster mit ihrem großen Coup beschäftigt und Jean-Claude landet postwendend bei den anderen Geiseln. Während sich vor dem Gebäude lautstarke Fans gruppieren und die Polizei anrückt, kommen die Räuber auf die Idee, ihren prominenten Gefangenen mit vorgehaltener Waffe zu zwingen, sich als Gangster auszugeben und Forderungen zu stellen. Und während sich die Öffentlichkeit wundert, wie es mit ihrem Lokalhelden nur so weit kommen konnte, keimt in diesem die Angst auf, den Tag nicht zu überleben. Jean-Claude harrt seiner Rettung und beginnt, über sein bisheriges Leben zu sinnieren.

    Der aus Cannes stammende Regisseur Mabrouk El Mechri holt alles aus dieser Ausgangssituation heraus und brennt ein wahres Feuerwerk aus Situationskomik und bissigen Seitenhieben ab. Bereits die Eröffnungssequenz, in der Van Damme wüst in der Gegend herumballernd durch urbane Ruinen – natürlich nur ein Filmset – sprintet, ist ein überdrehter Spaß und ein ironischer Bruch mit der Filmographie des „Helden“. Der kommentiert die fertige Einstellung trocken mit dem legendären Danny-Glover-Oneliner „I’m too old for this shit“. So intertextuell bleibt der Film auch weiterhin, etwa wenn ein zähneknirschender Van Damme auf Nachfrage hin zugeben muss, seine neue Rolle an Steven Seagal verloren zu haben. Wie das, will der entgeisterte Fan wissen, der seine Ikone für den weit überlegenen Darsteller hält. „Weil er seinen Pferdeschwanz abgeschnitten hat!“, lautet die lakonische Antwort – Seagal-Kenner wissen, was gemeint ist. Besagter Fan ist übrigens einer der Gangster und bittet seine Geisel mit kindlicher Begeisterung, einen seiner famosen Karatetricks vorzuführen.

    Ohnehin scheint es in Brüssel nur so von Van-Damme-Fans zu wimmeln. Auch der leitende Inspektor Bruges (François Damiens) ist ein glühender Verehrer und bittet seinen Star während der Verhandlung über das Schicksal der Geiseln aufgeregt darum, ihn doch mit Vornamen anzusprechen. Dass die improvisierte Einsatzzentrale dabei in einer schmuddeligen Videothek installiert wurde, ist nur einer der vielen geistreichen Seitenhiebe von „JCVD“. Glücklicherweise degradiert El Mechri den Jubel nicht zum albernen Running Gag, sondern inszeniert ihn gleichsam als behutsamen Spott und als Verneigung vor seinem Protagonisten. Das gelingt auch dank des guten Drehbuchs, welches auf ungekünstelte, alltäglich wirkende Dialogführung statt konstruierte Pointen setzt. Dramaturgisch hat „JCVD“ ebenfalls viel drauf und erzählt seine Geschichte mit einem Hauch Tarantino in nicht chronologischen Episoden. Einziger Schwachpunkt ist die inflationäre Nutzung von Close-Up-Einstellungen. Als stilistisches Mittel geht das zwar durch, immerhin sind die Fans, denen Jean-Claude die Stirn bieten muss, oft genug sehr undistanziert. Um dies zu verdeutlichen, hätte die Kamera aber nicht unbedingt gleich den ganzen Film über im Gesicht der Darsteller hängen müssen.

    Jetzt aber zur wirklich interessanten Frage, dem Schauspiel Van Dammes. Ja, er spielt tatsächlich - und zwar gut. Dem gebürtigen Belgier kommt dabei sicher auch zugute, dass (anders als bei seinen Genreproduktionen) in französischer Sprache gedreht wurde. Das Herzstück von „JVCD“ ist ein ausführlicher Monolog, den Van Damme frei improvisiert und in dem er sein Leben Revue passieren lässt. Er spricht über seinen früheren Hollywood-Erfolg und zweifelt daran, damit viel geleistet zu haben. Er erzählt von seinen gescheiterten Ehen und davon, dass Ruhm nicht automatisch privates Glück mit sich bringt. Schließlich befürchtet er unter Tränen, nicht lebend aus dem Geiseldrama entwischen zu können, und stellt resigniert fest, dass die Brutalität seiner Filme in der Realität ganz andere, erschreckende Dimensionen annimmt. Das ist so grandios, dass man es selber gesehen haben muss, um es zu glauben. Der Monolog fügt dem zumeist sehr humorvollen Geschehen überraschend organisch eine ernste und reflektierte Komponente hinzu. Amüsanterweise ist es gerade die realistischste Sequenz, die auf die Bedrohlichkeit des fiktiven Krimi-Plots verweist – ein weiterer Beleg für die satirische Ausgereiftheit von „JCVD“.

    Fazit: El Machri ist mit „JCVD“ ein kleines Arthouse-Kunstwerk gelungen. Entfernt an Being John Malkovich erinnernd, bewegt sich der Film zielsicher durch Querverweise en masse, erzählt vom Starruhm und seinen Schattenseiten, von Filmfans und davon, dass große Ikonen auch nur Menschen mit ganz alltäglichen Hoffnungen und Ängsten sind. Wann passiert es schon, dass die Hommage an die eigene Filmographie selbige krönt? Van Damme scheint zumindest noch Einiges aufholen zu wollen: 2009 wird er ein romantisches Drama inszenieren. Na, dann mal gutes Gelingen! Und bis dahin warten wir auf ein „JCVD“-Sequel mit Dolph Lundgren in der Hauptrolle.

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