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    Jackass: Nummer zwei
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Jackass: Nummer zwei
    Von Carsten Baumgardt

    Nicht selten ist Comedy reine Geschmackssache. Wenn es jedoch über die Grenzen des guten Geschmacks hinausgeht, bleiben in letzter Konsequenz nur zwei Möglichkeiten: love it or hate it. Die Stuntkomödie „Jackass: Nummer zwei“ sprengt selbst diese Dimensionen bereits nach wenigen Momenten und ist mit „normalen Maßstäben“ nicht fassbar. Wer nach zehn Minuten nicht laut schreiend aus dem Kino gelaufen ist, wird sich bei Jeff Tremaines Sequel königlich amüsieren.

    WARNING: The stunts in this movie were performed by professionals, so neither you nor your dumb little buddies should attempt anything from this movie.

    Ein Mitglied des Jackass-Teams fädelt sein verpacktes bestes Stück durch ein glory hole, doch die Behandlung, die auf der anderen Seite folgt, ist nicht unbedingt zu empfehlen. Eine Schlange schnappt nach dem Eindringling und versucht sich festzubeißen. Autsch... Ohne großartige Dramaturgie folgen Schlag auf Schlag in einem Höllentempo weitere krude Geschmacklosigkeiten, die sich in verschiedene Kategorien einordnen lassen. Wie in der ersten Szene nach der eröffnenden Bullenjagd wird der Jackass-Crew um Johnny Knoxville, Bam Margera, Steve-O, Chris Pontius, Preston Lacy, Ryan Dunn, Ehren McGhehey, Jason Acuña, Dave England und Co. körperliche Schmerzen zugefügt, gegen die die Jungs – zumindest emotional – immun zu sein scheinen. Ein Trio lässt sich mit fiesen Gummischrotkugeln beschießen, Margera ein Brandeisen auf den Hintern pressen, Steve-O einen Blutegel in die Augen setzen oder ein Schwarm Bienen startet in einer Limousine zur Attacke: „Keine Schmerzen, keine Schmerzen, keine Schmerzen“, würde eine Filmlegende wohl empfehlen.

    Die zweite Spielart des Wahnsinns ist durchgehend tief unter der Gürtellinie angesetzt. Das reicht von Biereinläufen über den Verzehr von Pferdeexkrementen und –sperma bis zur rektalen Entleerung in eine Puppenstube. In der dritten Ebene werden ahnungslose Passanten frontal attackiert. Ein auf Opa getrimmter Jackasser spielt mit seinem kleinen Enkel verbale Wildsau und geht local dudes in Los Angeles uncharmant an oder lässt wichtige Körperteile lang schleifen. Dieser absurde Zirkus wird durch eine Reihe von haarsträubenden Stunts abgerundet, so dass „Jackass: Nummer zwei“ stets im Fluss ist, nie still steht und permanent Druck auf die Lachmuskeln macht.

    Mag sich dies in der grauen Theorie nicht zwangsläufig lustig anhören, ist doch die Leinwandpraxis nicht nur für Gross-Out-Anhänger ein Fest und schlicht urkomisch. Im Gegensatz zu tiefergelegten Bad-Taste-Nullnummern der unteren Anspruchsklasse wird hier gar nicht erst vorgegaukelt, ein filmtaugliches Konzept zu fahren. Innerhalb der Aufreihung gibt es kleine Hilfen wie die rahmenden Eröffnungs- und Abschlussszenen, die Running Gags verändern das Tempo zwischenzeitlich, so dass sich innerhalb der Strukturlosigkeit doch eine Struktur abbildet. Im Sekundentakt werden Gags abgefeuert und die Trefferquote ist erstaunlich hoch. Die Zuschauer sind zum Mitleiden verdammt, alles ist echt (Knoxville wurde während der Dreharbeiten drei Mal ohnmächtig) und jeder weiß, was das bedeutet. Nur zwei Mal gehen die Spaßguerillas selbst für das kaum spürbare (Schmerz)empfinden des Teams zu weit. Die Verlade mit dem Terrordude, der einen Bombengürtel per Taxi zum Flughafen trägt, richtet sich am Ende bitterböse gegen den Probanten und auch ein Schlangenangriff in einem Truck gegen Ben Margera kommt bei dem Phobisten nicht gut an.

    Im Fernsehen hat sich „Jackass“ eine beeindruckende Fangemeinde erarbeitet, die in den USA besonders ausgeprägt ist und beide Kinofilme zu Box-Office-Hits machte. Diese völlig durchgeknallten Typen kommen immer sympathisch rüber, was sich unzweifelhaft als Teil des Erfolgs erklären lässt. Zum Kernteam stoßen in einzelnen Szenen prominente Gäste wie Skateboardlegende Tony Hawk, die Regisseure Spike Jonze (Mit-Produzent des Films, Adaptation, Being John Malkovich), John Waters („Pink Flamingos“, „Hairspray“) oder Jay Chandrasekhar (Bierfest, Club Mad).

    Ist „Jackass: Nummer zwei“ nun der Niedergang der Kinokultur oder einfach brüllend komische Reality-Comedy? Das ist ganz allein am Geschmack jedes einzelnen potenziellen Kinogängers festzumachen. Wer sich bei Jackass: The Movie amüsierte, wird bei Teil zwei noch lauter lachen, weil der Film eine weitere Steigerung markiert und in allen Belangen eine Schippe drauflegt und die Grenzen noch weiter verschiebt.

    „Jackass: Nummer zwei“ betreibt die Destruktion des filmischen Konzepts als eigenständige Kunstform. Fragwürdig sind – ist das Grundniveau erstmal akzeptiert – lediglich die „Tiernummern“. Offensichtlich zu Schaden kam wohl keine Kreatur, aber der Grat, auf dem die Truppe wandelt, ist schmal und die Tierquälerei nicht allzu weit entfernt, Menschenquälerei wird sowieso betrieben. Das Schlusswort ist Ben Margera vorbehalten: „God, please let there be no, ‚Jackass 3’!“ Doch die Gesetze des Marktes kann auch ein Gott nicht regeln, eine weitere Fortsetzung der Masochistenparade ist nach dem starken Einspielergebnis in den USA so sicher wie das Amen in der Kirche.

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