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    Gloria
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Gloria
    Von Nicole Kühn

    Die laszive Sharon Stone in einer Gangster-Komödie von Sidney Lumet nach einem Drehbuch von John Cassavetes - klingt vielversprechend! „Gloria“, die Neuverfilmung von Cassavetes’ gleichnamigem Klassiker von 1980 greift nicht nur Story-technisch auf das Originaldrehbuch zurück, sondern übernimmt auch den Look der frühen 80er. Dass die Neuauflage dennoch weit hinter dem Original zurückbleibt, liegt vor allem an der Hauptfigur. Mit der umwerfenden Gena Rowlands kann Sharon Stone in der titelgebenden Rolle, die das Changieren zwischen provozierendem Sex und mütterlicher Fürsorglichkeit verlangt, einfach nicht mithalten.

    Als die attraktive Gloria (Sharon Stone) nach mehrjähriger Haft entlassen wird, führt ihr erster Weg zu Ex-Lover Kevin (Jeremy Northam), obwohl der Möchtegern-Ganove ihr nie die Ehre eines Besuchs erwiesen hat. Offensichtlich ist das früher anhängliche Häschen im Knast gereift: Sie fordert das Geld, das ihr dafür versprochen wurde, dass sie die Strafe für Kevin abgesessen hat. Der jedoch serviert sie großspurig ab, er hat gerade ganz andere Probleme. Wegen einer Kopie brandheißer Daten lässt er die gesamte Familie eines Kleinganoven eliminieren. Nur der 6-jährige Nicky (Jean-Luke Figueroa) entkommt mitsamt den Daten. Als er wenig später vor Kevin sitzt, wird Gloria schnell klar, dass der Kleine in Lebensgefahr schwebt. Zeit, den Herren Mafiosi einen dicken Strich durch die Rechnung zu machen!

    Eine exzellent geschnittene Sequenz macht gleich zu Beginn des Films klar, dass hier ein Meister am Werk ist. Sidney Lumet versteht die Kunst der Auslassung. Er erzeugt vor allem Spannung mit dem, was auf der Leinwand nicht zu sehen ist und lässt so einen zweiten Film im Kopf des Zuschauers starten. Während seine Meisterwerke (Die 12 Geschworenen, „Mord im Orient-Express“) ihre suggestive Kraft aus der Ruhe der Bilder ziehen, versucht er sich hier an einer rasanten Jagd durch das quirlige Manhattan. Das Highlight vom Beginn wartet jedoch vergeblich auf eine Fortführung, das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Jägern und Gejagten bleibt für die restlichen 90 Minuten auf durchschnittlichem Niveau. Außerdem lässt das hohe erzählerische Tempo leider zu wenig Zeit, um die Demaskierung der bösen Mafia-Jungs als nur notdürftig verkappte Loser genüsslich auskosten zu können.

    Dabei hat sich mit Jeremy Northam, George C. Scott und Mike Starr eine illustre Herrenrunde vor der Kamera versammelt. All diese Darsteller haben bereits mehrfach bewiesen, dass sie durchaus vielschichtige Charaktere verkörpern können. Nur wenige Szenen bieten ihnen jedoch die Gelegenheit, dieses Können auch zu zeigen – zumindest werden diese knappen Momente dann aber auch weidlich ausgenutzt. Dreh- und Angelpunkt der Story bleibt jedoch Gloria, die zur Überraschung aller hinter ihrem sexy und toughen Auftreten ein großes Herz verbirgt. Anfänglich nicht begeistert, nimmt sie notgedrungen den vorlauten Nicky unter ihre Fittiche, um festzustellen, dass sie ihn gar nicht mehr hergeben möchte. Und dieser Mittelpunkt des Films ist schlicht fehlbesetzt. Die sexy Femme Fatale nimmt man der Stone jederzeit ab, die aus lauter Fürsorglichkeit zur unberechenbaren Furie werdende Ersatzmutter hingegen in keinem Moment. Das Blonde Gift aus Basic Instinct bemüht sich redlich, zwischen ihren ruppigen Zurechtweisungen des Kleinen die dahinter liegenden zarten Seiten zu zeigen, doch es will ihr nicht überzeugend gelingen. Zu aufgesetzt und bemüht sind ihre Gesichtszüge in den ruhigen Momenten, in denen ihre sexuelle Ausstrahlung außerdem mehr als einmal unpassend wirkt. Gegen ihre starke Präsenz behauptet sich der kleine Jean-Luke Figueroa erstaunlich gut, doch die Chemie des ungleichen Duos stimmt einfach nicht.

    So muss sich der Unterhaltungswert des Films ganz auf die Verwicklungen des Handlungsrahmens verlassen. Die Ereignisse scheinen den Flüchtlingen Gloria und Nicky immer einen Schritt voraus zu sein. Da sind schnelle Entscheidungen und Einfallsreichtum gefragt. Unerwartetes verbirgt sich hinter jeder Straßenecke, mal im Guten, mal im Bösen. Dieses Tempo und die Logik der Ereignisse, die sich dem Zuschauer manchmal erst im Nachhinein erschließt, halten den Betrachter bei der Stange, ohne ihn aber wirklich zum Mitfiebern zu animieren.

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