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    The Spirit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Spirit
    Von Björn Helbig

    Frank Miller, der die Vorlagen zu Sin City und 300 zeichnete, verfilmt Will Eisners Kult-Comic „The Spirit“. Das klingt nach einer großen Sache. Einer außerordentlich großen. Doch wer nach „Sin City“, an dem Frank Miller neben Robert Rodriguez selbst als Co-Regisseur beteiligt war, etwas qualitativ Vergleichbares erwartet, wird bitter enttäuscht. „The Spirit“ überzeugt trotz allem Stilwillen und aller Extravaganz nur selten.

    Nach seiner Ermordung kehrt der junge Cop Denny Cold (Gabriel Macht) auf mysteriöse Weise ins Reich der Lebenden zurück. Fortan setzt er sich unter dem Namen „The Spirit“ als geheimnisvoller Rächer für Recht und Ordnung in Central City ein. Eines Nachts erreicht den düsteren Helden ein Anruf: Vor den Toren der Stadt soll ein zwielichtiger Deal über die Bühne gehen. Spirit horcht auf, denn sein Erzfeind Octopus (Samuel L. Jackson) soll in die Angelegenheit verwickelt sein. Am angegebenen Ort trifft Spirit tatsächlich auf Octopus und dessen schöne, aber deshalb nicht minder gefährliche Gehilfin Silken Floss (Scarlett Johansson). Es kommt zum Kampf, doch den Ganoven gelingt die Flucht. Am Tatort, in den Händen eines sterbenden Polizisten, findet Spirit einen Hinweis auf eine weitere Mitspielerin: seine Jugendliebe Sand Serif (Eva Mendes). Ist die weltbekannte Juwelendiebin tatsächlich wieder in der Stadt, wo sie nach dem Tod ihres Vaters doch geschworen hatte, nie wieder in das Drecksloch Central City zurückzukehren…

    Somebody find me a tie! I don't care what kind, but by God, it had better be red! - The Spirit

    „The Spirit“ beruht auf einer Comic-Reihe von Will Eisner, einem Pionier der amerikanischen Comic-Kunst. Sie erschien zwischen 1940 und 1952 als wöchentliche Sonntagsbeilage in verschiedenen Zeitungen. Optisch, aber auch durch seine erzählerische Dichte setzte sie sich deutlich von dem damalig vorherrschenden Stil ab und prägte so die Entwicklung des Comics in den USA nachhaltig. Neben dem grafisch ausgefallenen, an Mitteln des Film Noirs orientierten Zeichenstil, fiel die Reihe vor allem durch die mit Mystery-Elementen und trockenem Humor versetzten Kriminalgeschichten auf. Bei Eisner ist „The Spirit“ ein durch Säure entstellter Polizist, der sich für tot erklären lässt, um so ungehindert Verbrecher jagen zu können. Ein Labor unter dem Friedhof ist sein geheimer Rückzugsort.

    Frank Miller nimmt sich bei der Umsetzung der Vorlage seines Mentors und Freundes Eisner eine Menge Freiheiten heraus. Er drückt dem Film nicht nur seinen eigenen visuellen Stil auf, sondern ändert auch den Hintergrund des Helden leicht ab. Außerdem integriert er moderne Elemente wie Handys, Hightech-Waffen und Klontechnik in den 1940er-Jahre-Look der Comics. Auch die aus der Vorlage bekannten Storylines und Figuren kombiniert er zu etwas Neuem. Ob Miller damit den Charakter der Vorlage im Wesentlichen trifft und ihm lediglich ein modernes Gewand verleiht, ist selbst unter Eisner-Fans umstritten. Aber dass „The Spirit“ unabhängig von Überlegungen zur Werktreue in dieser Form als Film nicht funktioniert, ist hingegen ziemlich offensichtlich.

    Der 1957 in Maryland geborene Frank Miller, der sich neben seiner Arbeit als Zeichner auch als Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur betätigt, schuf Comicgeschichten, die stilbildend waren und sind. So etwa seine Neudefinitionen bekannter Helden wie Batman (The Dark Knight) oder Daredevil. Miller gab den modernen amerikanischen Comics ein neues Gesicht. Welche Fähigkeiten er als Regisseur mitbringt, konnte er bisher nur bedingt unter Beweis stellen. In der Verfilmung seiner eigenen Grafic Novel „Sin City“ durch den experimentierfreudigen Robert Rodriguez (Desperado, From Dusk Till Dawn, Planet Terror) war er immerhin als Co-Regisseur beteiligt. Bei Zach Snyders martialischer Spartanermär „300“ stand er beratend zur Seite und fungierte als Produzent.

    Die Erwartungen des Publikums an Comicverfilmungen divergieren genauso wie der Stil ihrer Regisseure. Sam Raimi versteht es, mithilfe der neuesten technischen Errungenschaften auf der Leinwand das möglich zu machen, was sonst nur auf dem Papier ging. Bereits mit Darkman zeigte er, wie eine Verbindung von Realfilm und Comic aussehen kann. Er rettete das Fantastische der Vorlage auf die Leinwand, ohne Abstriche beim Realitätsgrad zu machen. Mit seinen Spider-Man-Filmen setzte er in dieser Hinsicht erneut Maßstäbe. Christopher Nolan bewies mit Batman Begins und vor allem mit The Dark Knight, wie echt ein Comic im Kino wirken kann. Frank Miller beschreitet einen entgegengesetzten Weg: Sein Film sieht aus wie bewegte Zeichnungen. Während etwa Raimi versucht, die Stärken von Comics ins eigene Medium zu transferieren, sind Millers Filme zum Leben erwachte Comic-Strips.

    My city, I can not deny her. My city screams. She is my mother. She is my lover, and I am her Spirit. – The Spirit

    Mit „The Spirit” zeigt Miller vor allem eines: Obwohl er zweifelsohne ein besonderes Gespür für einzelne Einstellungen mitbringt, ist es mit seinen Fähigkeiten als Regisseur und Autor bei einem abendfüllenden Kinofilm nicht allzu weit her. Gleich zu Beginn macht sich ein mangelndes Tempo-Gespür bemerkbar. Selbst beim frühen Aufeinandertreffen von Spirit und seinem Erzfeind Octopus zündet der Film nicht. Die beiden prügeln sich zwar eine halbe Ewigkeit, wirken dabei aber so lethargisch, dass einfach keine Spannung aufkommt. Ähnliches gilt für den Humor, der schon zu diesem Zeitpunkt arg bemüht wirkt. Bereits hier wird sich bei den meisten Zuschauer entscheiden, ob sie mit dem Film etwas anfangen können oder nicht. Nach diesem ersten „Höhepunkt“ schaltet Miller für recht lange Zeit sogar noch einen zusätzlichen Gang runter: Die Gerichtsmedizinerin Ellen Dolan (Sarah Paulson, Was Frauen wollen und ihr Vater, Commissioner Dolan (Dan Lauria, Big Mamas Haus 2), werden vorgestellt. Außerdem wird in ausführlichen Rückblenden sein Verhältnis zu Sand Serif ergründet. Miller denkt in einzelnen, oftmals wirklich eindrucksvollen Bildern, ein Gespür für das Tempo ganzer Sequenzen lässt er jedoch vermissen.

    Dass Miller seinen Fokus voll und ganz auf den Look des Films legt, dafür aber im Erzählerischen schwächelt, zeigt sich auch bei dem für einen Eisner-Comic so wesentlichen Film-Noir-Plot. Zwar gibt es im Verlauf des Werks immer wieder starke Momente, so etwa den äußerst kruden Auftritt von Octopus in Nazikluft. Doch insgesamt ist die Story, die Miller sich ausgedacht hat, alles andere als clever und lässt den Charme der Vorlage in jeglicher Hinsicht vermissen. Was noch erschwerend hinzukommt, sind die redundant-pathetischen Sprachfetzen, mit denen die Figuren um sich werfen. Das klingt eher nach Millers „300“ als nach Eisners „The Spirit“ und führt in letzter Konsequenz auch dazu, dass der an sich spannende Cast Mühe hat, sich gegen Dialog- und Drehbuchschwächen zu behaupten.

    Der eher unbekannte Gabriel Macht (Der gute Hirte, Love Song For Bobby Long) macht seine Sache rein physisch nicht schlecht, gibt seiner Figur eine eigene Art sich zu bewegen und ähnelt sogar ein wenig der Comicfigur. Richtig ans Herz wächst er einem dennoch nicht. Samuel L. Jackson (Lakeview Terrace, Pulp Fiction reißt seine Rolle als verrückter Octopus routiniert runter. Dabei hat er einige gute Szenen, aber auch welche, in denen er zu sehr überdreht. Scarlett Johansson (Vicky Christina Barcelona, Lost In Translation) geht als Silken Floss leider etwas unter. Ihr lasziver Charakter kommt erst in der zweiten Filmhälfte richtig zum Zuge, bleibt aber insgesamt zu sehr im Hintergrund. Die beste Figur macht da noch Eva Mendes (The Women, Helden der Nacht), was allerdings weniger an ihrem Schauspiel, als an ihrer Ausstrahlung liegt. Sie ist die einzige, die sich gegen die Comicfilter durchsetzt und etwas echtes Feuer in den Film einbringt.

    Fazit: Insgesamt bietet Frank Millers „The Spirit“ einfach zu wenig. Die paar guten Einstellungen und gelegentlich ein passabler Witz reichen hinten und vorne nicht. Lediglich im Abspann, wenn zu Christina Aguileras stimmungsvollem Song „Falling In Love Again“ einige grobe Comic-Zeichnungen zu sehen sind, bekommt der Zuschauer einen kleinen Eindruck davon, was man aus Will Eisners Kultcomic alles hätte machen können.

    Interview mit Regisseur Frank Miller.

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