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    Im Schwitzkasten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Im Schwitzkasten
    Von Björn Becher

    Schwitzen ist gesund und zum Schwitzen trifft sich eine Gruppe junger Menschen jeden Donnerstag in der Saunalandschaft „Im Schwitzkasten“, doch richtig – dazu ungesund – geschwitzt wird woanders. So könnte man die Sozialkomödie „Im Schwitzkasten“ des irischstämmigen, aber schon lange in Berlin lebenden Eoin Moore beschreiben. Moore, der sich in seinem exzellenten Film „Pigs Will Fly“ mit Gewalt in der Ehe und Sehnsucht nach einem neuen Leben beschäftigt hat, packt auch dieses Mal wieder ernste Themen an: Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Existenzängste. Doch aufbereitet wird dies mit leichtem, lakonischem Humor und vorgetragen von Figuren, die alles Loser von nebenan, aber gerade deswegen sympathisch sind.

    Jost (Charly Hübner, Männer wie wir) betreibt gemeinsam mit Schwester Nadinchen (Christiane Paul, Sergeant Pepper) das Erholungsparadies „Im Schwitzkasten“. Während Nadinchen die Gäste massiert und denkt, alles läuft bestens, ist Jost am Schwitzen. Schulden, die er vor der Schwester verheimlicht, bedrohen das Geschäft. Jost spart, wo er kann, der Orangensaft kommt zwar in den teuren Flaschen des Reformladens daher, ist aber abgefüllt aus dem Tetra-Pak vom Billigsupermarkt. Der Massageschlamm aus einem fernen, exotischen Land stammt in Wirklichkeit vom nahe gelegenen Weiher. Doch trotz dieser Maßnahmen kann Jost die Rechnungen nicht mehr bezahlen. Hilfe verspricht Stammgast Norbert (Edgar Selge, Das Experiment). Der hat es satt, immer nur die Reden für seine Frau, eine Bundestagsabgeordnete der Oppositionspartei mit den gelb-blauen Farben, zu schreiben und nichts zu erreichen. Er will endlich einmal handeln. Er will Jost finanziell unterstützen, damit dieser seinen Traum von einem großen Saunaparadies vor den Toren Berlins verwirklichen kann. Arbeitsplätze würden so geschaffen werden. Doch dass Jost in puncto Finanzen eine Niete ist, weiß Norbert nicht und die Angst vor seiner Frau lässt ihn gehörig Schwitzen.

    Norbert ist nicht der einzige aus der Gruppe, die jeden Donnerstag die Sauna besucht. Da ist noch Toni (Andreas Schmidt, Sommer vorm Balkon), langzeitarbeitslos und mit erschüttertem Selbstbewusstsein. Ein Jobangebot in seiner ehemaligen Branche lehnt er sogar ab, da er Angst davor hat, zu versagen. Auch Tonis Exfrau Karin (Steffi Kühnert, Halbe Treppe) besucht jeden Donnerstag den Schwitzkasten. Sie ist die fleischgewordene Ich-AG, verkauft alles an jeden zu jeder Zeit. Dani (Esther Zimmering, „Gisela“) ist Stewardess bei einer großen deutschen Airline. Als diese Stellen einspart, lernt sie die Arbeitslosigkeit kennen. Eine Bewerbung bei einer Billig-Airline bringt noch größere Ernüchterung. Monika (Laura Tonke, Mädchen am Sonntag) hat zwar studiert, aber bekommt nur Sozialhilfe. Sie überlegt für ein Hilfsprojekt nach Afrika zu gehen. Oder soll sie doch hier bleiben und den Heiratsantrag ihres Freundes annehmen?

    Eoin Moore begleitet all diese von den Schauspielern selbst mitkreierten Personen durch den Alltag. Er beobachtet Personen, die zwar unterschiedliche Ausgangslagen haben, aber wie der Regisseur sagt, nackt alle gleich sind. Egal ob der Langzeitarbeitslose Toni, die gerade arbeitslos gewordene Dani oder Redenschreiber Norbert, alle haben ähnliche Träume und Wünsche. Alle müssen sie aber erkennen, dass es nicht sehr einfach ist, sich diese Wünsche zu erfüllen. Um zu verdeutlichen, wie schwer es die Charaktere teilweise haben, greift Moore zu einem schönen Kniff. Obwohl der Großteil des Films in der Sauna spielt, sieht man die Darsteller meist außerhalb davon, zum Beispiel im Auto, richtig schwitzen.

    Moore nutzt weniger das dramatische oder kritische Potential der Geschichten, sondern will in erster Linie dem Zuschauer eine Komödie präsentieren. Kritik an Staat oder am Verhalten seiner Protagonisten schwingt nur im Subtext mit, an erster Stelle steht die Unterhaltung des Publikums. So setzt Moore oft auf leichtfüßigen Humor, blendet die Dramatik, welche bei „Pigs Will Fly“ noch im Vordergrund stand, völlig aus und lässt den Zuschauer lachen. Auch wenn die Figuren des Films oft als Träger für die Komik genutzt werden, vermeidet er es aber stilsicher, sich über Figuren lustig zu machen.

    Einen großen Anteil daran haben die Darsteller. Moore hat einige der interessantesten, aber teilweise auch unterschätztesten Gesichter der deutschen Filmlandschaft vor der Kamera versammelt. Von Polizeiruf-Kommissar Edgar Selge, dessen Charakter vom Mann des Wortes zum Mann der Tat werden will, bis hin zur wundervollen Laura Tonke, deren Figur sich nicht zwischen Weltverbesserung und Eheleben entscheiden kann, agiert das gesamte Ensemble überzeugend. Moore hat den Darstellern sichtlich Freiraum gelassen, was diese zur Improvisation nutzen konnten. Diese wirkt nie peinlich gezwungen, sondern sorgt immer wieder für eine angenehme Prise Situationskomik.

    Schade nur, dass Eoin Moore im Finale etwas zu stark die Zügel anzieht. Dann müssen sich die Ereignisse noch ein wenig überschlagen und die Donnerstagssaunagänger in eine turbulente Situation geraten, die ihnen auch neue Perspektiven eröffnet. Das gehört nun einmal zu Moores Konzept. „Im Schwitzkasten“ soll kein Drama sein, keine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeitslosigkeit, sondern den Zuschauer lächelnd aus dem Kino entlassen. Dem kurzweiligen Amüsement des Publikums muss sich der Rest unterordnen und so ist es auch notwendig, dass die Protagonisten – zumindest größtenteils – am Ende hoffnungsvoll in die Zukunft schauen können.

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