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    Maria an Callas
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Maria an Callas
    Von Lars Lachmann

    Nach dem Tod seiner kranken Frau entdeckt ein Mann, dass diese eine E-Mail-Freundin hatte, von der sonst niemand etwas wusste. Zudem stellt sich heraus, dass die Verstorbene der Unbekannten gegenüber nicht nur ihre schwere Krankheit verschwiegen, sondern sich im elektronischen Briefwechsel ein Alter Ego mit den Eigenschaften ihres Mannes aufgebaut hat. Petra Katharina Wagners Liebesdrama „Maria an Callas“

    mag auf den ersten Blick wie ein spannendes Spiel mit realen und virtuellen Identitäten aussehen, entpuppt sich aber im Nachhinein als sentimentaler Schmachtfetzen, der sich wie ein typisches Pilcher-Drama ausnimmt, dessen Schauplatz von den Britischen Inseln an die Ostküste Norddeutschlands verlegt wurde.

    Der Mann heißt Jost (Götz George) und ist Designer. Zusammen mit seinem Sohn (Torben Krämer) stößt er auf die E-Mail-Korrespondenz zwischen seiner verstorbenen Frau Maria und der unbekannten Anni (Claudia Michelsen), welche auf Marias Notebook gespeichert ist. Die Betreffzeile jeder einzelnen Mail lautet stets „Maria an Callas“, was sich aus der gemeinsamen Bewunderung der beiden Frauen für die Sängerin Maria Callas herleitet. Der Sohn rät seinem Vater, die Brieffreundin von Marias Tod zu unterrichten. Stattdessen beschließt Jost aber, den Mailkontakt fortzuführen, wobei er selbst die virtuelle Persönlichkeit seiner verstorbenen Frau annimmt. Auf diese Weise erfährt er noch mehr über Anni, die vor einigen Jahren ebenfalls einen sehr schweren Verlust erlitten hat. Schließlich quartiert er sich sogar in der kleinen Pension „Ritz Palace“ an der Ostseeküste ein, welche Anni zusammen mit ihrer Mutter (Monica Bleibtreu) betreibt. Er tut dies jedoch ohne sich als der wahre Mailkorrespondent zu offenbaren. Es kommt, wie es kommen muss: Jost verliebt sich in die fremde Frau, die sich und ihre Verhältnisse – ähnlich wie die verstorbene Maria – im gemeinsamen Briefwechsel ebenfalls positiver geschildert hat, als sie tatsächlich sind...

    Dabei fällt es schon arg schwer, Götz George in seiner Figur des Designers Jost irgendwelche Sympathien entgegenzubringen, wenn dieser sein aus dem E-Mail-Verkehr gewonnenes Wissen um die Wünsche und Vorlieben der melancholischen Anni im Folgenden schamlos ausnutzt, um bei ihr punkten zu können. In seinem Vorgehen erinnert er fast ein wenig an Elijah Wood in seiner Rolle des Trittbrettfahrers Patrick in Charlie Kaufmanns skurril-meisterhaftem Liebesdrama Vergiss mein nicht. Darüber hinaus versucht er sich gar als plumper Stalker, um noch mehr über das Objekt seiner Begierde zu erfahren und seine Eroberungsstrategie zu verfeinern.

    Die Krönung des Ganzen ist eine Szene, in welcher ihm Anni das Frühstück in dem von ihm designten Service vorsetzt (von welchem sie glaubt, Maria habe es kreiert und ihr zum Geschenk gemacht), was Jost Anlass zu einem verdeckten Eigenlob gibt, welches die ahnungslose Anni auch noch entzückt. Da mag beim Publikum womöglich fast noch mehr Verständnis für den kaum weniger sympathisch wirkenden Fischhändler Axel (Ingo Naujoks) aufkommen, der seine Frau (Esther Schweins) gelegentlich mit Anni betrügt und dem dahergelaufenen Schnösel und Rivalen Jost wohl am liebsten seinen Fang in bester Verleihnix-Manier um die Ohren hauen würde. Doch leider reicht es letztlich nur für einen halbwegs witzigen, unterkühlten verbalen Schlagabtausch im Fischladen und einer sportlichen Herausforderung auf der Bowlingbahn des „Ritz Palace“.

    Das Schlimme dabei ist allerdings, dass Jost mit seiner überaus schleimigen Tour am Ende tatsächlich durchkommt. (Deshalb an dieser Stelle die ausdrückliche Warnung der Redaktion an potenzielle Zuschauer: Machen Sie das bitte nicht zuhause nach!) Zwar kommt Anni beim Säubern der Zimmer hinter Josts Geheimnis, bevor dieser Gelegenheit hat, von sich aus reinen Tisch zu machen. Aber nachdem sich die enttäuschte Frau, wie so oft in schwierigen Situationen, für eine Zeit in ihr Zimmer eingeschlossen und anschließend dem ihr hilflos am Strand nachschauenden Verehrer ein wenig die kalte Schulter gezeigt hat, konfrontiert sie dieser schließlich mit der Aussage, dass sie sich schließlich beide im elektronischen Schriftverkehr belogen hätten und abgesehen davon doch gar nichts Schlimmes passiert sei. Diese Ansicht löst wiederum einen allmählichen Sinneswandel bei der soeben noch zutiefst gekränkten Anni aus, so dass sich die beiden am Ende doch noch kriegen – und alles ist in Butter.

    Von der Dramaturgie her ist Petra Wagners „Maria an Callas“ nicht nur gänzlich innovationslos, sondern durchweg sentimental und langweilig. Zudem macht es die unvorteilhafte Personenzeichnung dem Publikum keineswegs leicht, mit den agierenden Personen wirklich mitzufühlen. Als einziger kleiner Lichtblick bleiben einige schöne Landschaftsaufnahmen der Küste, darunter die Eröffnungsszene im Gewitter. Die Ausgangssituation des Dramas erinnert übrigens ein wenig an Bernhard Schlinks amüsante und geistreiche Geschichte „Der Andere“ aus dem Band „Liebesfluchten“. In dieser geht es um einen Mann, der nach dem Tod seiner Frau deren Briefe von einem unbekannten Liebhaber findet und ebenfalls die Korrespondenz im Namen seiner Frau weiterführt und den Empfänger heimlich aufsucht – wenn auch aus völlig anderen Gründen... Wer sich also nicht die abertausendste Variation eines Liebesdramas à la Pilcher streng nach Schema F – in diesem Falle „F“ wie „Fisch“ – auf der großen Leinwand geben möchte, ist mit der Lektüre des genannten Werks aller Wahrscheinlichkeit nach besser beraten.

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