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    Reine Formsache
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Reine Formsache
    Von Lars Lachmann

    Der Tag der Hochzeit, so heißt es, gilt vielen Menschen als schönster Tag im Leben. Aber was heißt das eigentlich? Ergibt sich daraus, dass auf den Hochzeitstag keine schönen Tage mehr folgen? Mit dieser Fragestellung leitet Ralf Huettner seine Tragikomödie „Reine Formsache“ ein, in der sich alles um die Beziehungsprobleme von Eheleuten bis hin zur Scheidung dreht. Trotz dieser sehr ernst klingenden Themen möchte Huettner sein Werk am ehesten als romantische Komödie verstanden wissen.

    Anlass für die einleitende Fragestellung nach dem schönsten Tag im Leben ist die Hochzeit von Gustav (Bastian Pastewka) und Effi (Floriane Daniel). Zu einem Tag der Freude wurde diese, abgesehen vom Brautpaar, auch für Gustavs Kumpel Felix (Marc Hosemann) und Effis Freundin Pola (Christiane Paul), die im Laufe der Feierlichkeit zueinander gefunden haben. Zu dem Zeitpunkt, an welchem die Handlung einsetzt, sind auch Felix und Pola ein Ehepaar, leben allerdings schon seit einiger Zeit in Trennung. Pola will sich scheiden lassen. Der Grund: Ihrer Meinung nach passen die beiden einfach nicht zusammen. Während sie sich nach Geborgenheit und geordneten Verhältnissen sehnt, ist er ein Lebemann, der Geld in Kasinos verspielt und gerne bis spät nachts durch die Kneipen zieht. Auch mit der Treue hält er‘s nicht ganz so genau, da ist zum Beispiel die Affäre mit der extrovertierten Ada (Petra Schmidt-Schaller), der Freundin vom eifersüchtigen Kneipenwirt Wito (Oliver Korittke). Sobald die Scheidung durch ist, träumt Pola davon, mit ihrem neuen Freund Hannibal (Robert Schupp) ein neues Leben in Paris anzufangen. Doch für Felix ist Pola nach wie vor die Frau seines Lebens und er ist entschlossen, darum zu kämpfen, sie wieder zurück zu gewinnen. Er kommt zunächst bei Gustav und Effi unter, doch auch deren Ehe ist mittlerweile heftig am Kriseln...

    Der Leser mag sich an dieser Stelle zunächst einmal zu Recht fragen: Was macht bei all dem denn gerade die Romantik und die Komik in der von Huettner so bezeichneten „romantischen Komödie“ aus? Nun, was den ersten Punkt betrifft, lässt der Einfallsreichtum, den Felix an den Tag legt, um das Herz seiner Pola zurück zu erobern, doch zumindest in der zweiten Hälfte des Films das ein oder andere Highlight erkennen. Zum Beispiel wenn er einen Pianisten aus dem Kasino bittet, in der Berliner Philharmonie ein exklusives Konzert für seine Angebetete zu geben, bei dem Werke von Chopin gespielt werden, um ihr damit einen Herzenswunsch zu erfüllen. Auch die Wandlung, die die jeweiligen Beziehungen der drei Paare im Laufe der Handlung erfahren und die zum Schluss hin eher zum Positiven verläuft, kann mit kleinen, romantischen Schlaglichtern aufwarten.

    Ebenso gibt es hier und da einige Szenen, die eine Komik unterschiedlichen Kalibers versprühen. Sehr gut herausgearbeitet ist beispielsweise eine Szene, in der Gustav, der im Grunde eher spießig-konservative Typ, andererseits aber von Felix‘ lockerer Einstellung zum Leben im Allgemeinen und seinen Erfolg bei Frauen im Besonderen inspiriert, dessen Beispiel folgen will und versucht, mit einer Angestellten aus dem Supermarkt bei einem heimlichen Date im Schnellimbiss anzubändeln. Die Begegnung verläuft jedoch so unerwartet, dass Gustav das Lokal bei der erstbesten Gelegenheit Hals über Kopf wieder verlässt. Darüber hinaus scheint ihn dieses Erlebnis glaubwürdiger Weise zum Umdenken zu veranlassen – infolge dessen schlägt sich sein künftiges Handeln in einer Art und Weise nieder, die ihrerseits den ersteren Aspekt (also die romantische Entwicklung seines Ehelebens mit Effi) wieder stärker betont.

    Ein etwas handfesterer Humor findet sich im wahrsten Sinne des Wortes unter anderem etwa darin, dass sich Felix, mit der Absicht eine unglückliche Frau in Witos Bar zu „trösten“, zum Kondomautomaten begibt und mit seiner Hand im Ausgabefach stecken bleibt. Bei dem Versuch, sich aus dieser misslichen Lage zu befreien, reißt er versehentlich den Automaten von der Wand und muss sich zusammen mit diesem von Wito ins Krankenhaus fahren lassen. Gerade diese Szene erinnert natürlich an großartige Komödien in Reinkultur wie z. B. „Bang Boom Bang“, wirkt aber in Huettners im Grunde eher ernsten Film vereinzelt und in der Form doch ein wenig deplatziert.

    Verglichen mit anderen filmischen Werken, die eine ähnliche Kombination von Komik, Romantik und Tragik aufweisen, wie zum Beispiel Helmut Dietls „Rossini“ oder Vom Suchen und Finden der Liebe, wirkt „Reine Formsache“ insgesamt etwas dünn. Jene verstehen es ausgezeichnet, der Komik in ihrem tragisch-romantischen Kontext höchst ironische Spitzen zu verleihen oder aber diese künstlerisch zu überhöhen. Auf diese Weise gewinnt der Zuschauer psychologisch etwas Abstand von der an sich tragischen Handlung, welcher mit diesem Verfahren zugleich eine analytische Struktur verliehen wird. Dies scheitert bei Huettners Tragikomödie in erster Linie daran, dass sie inhaltlich insgesamt eher nichtssagend ist oder uns zumindest nichts wirklich Neues zu erzählen weiß. So gesehen kommt „Reine Formsache“ trotz szenischer Höhepunkte und guten Darstellern im Punkto Gesamtaussage seinem Titel letztlich leider etwas näher als ihm lieb sein kann.

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