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    00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter
    Von Jan Görner

    Ein Sprichwort sagt, unter den Verrückten gelte der Künstler als Simulant. Weiterhin weiß der Volksmund, dass Ausnahmen mitunter die Regel bestätigen. Nun handelt es sich bei dem Multi-Instrumentalisten, Komiker, Schauspieler und Romancier Helge Schneider zweifelsohne um einen Künstler von Rang. Wie man allerdings einen Film wie Schneiders zweiten Kino-Ausflug „00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter" fertigbringt, ohne wenigstens einen kleinen Lattenschuss zu haben, dazu ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

    Ein Mord ist geschehen im Zirkus Apollo! Der beliebte Clown Metulskie ist tot und der Polizeipräsident (Werner Abrolat) weiß, es gibt nur einen Mann, der diesen Fall aufklären kann. Kommissar 00 Schneider (Helge Schneider) versetzt sich wieder in den aktiven Dienst, um sich mit seinem Partner Lieutenant Körschgen (Helmut Körschgen) an die Fersen des gemeinen Killers zu heften. Doch mit diesem Gegenspieler hat der Kommissar nicht gerechnet: Nihil Baxter (Helge Schneider) ist ein soziopathischer Kunstsammler, der zu allem fähig ist. Der Kommissar wird seine ganze Erfahrung und Raffinesse aufbringen müssen, um diesem Verbrecher das Handwerk zu legen.

    Wie bei kaum einer anderen Gestalt der deutschen Kulturszene trifft bei Helge Schneider („Felidae", „Jazzclub - Der frühe Vogel fängt den Wurm") die Nullsummentheorie zu - entweder man liebt oder man hasst den Mülheimer. Dazwischen gibt es nicht allzu viel Spielraum. Wo der eine Schneider als Inbegriff des sinnfreien Blödelhumors fürchtet, versteht der nächste ihn als dezidierten Gegenentwurf dazu. In der Tat kokettiert der Künstler bevorzugt mit gepflegtem Nonsens und spätestens seit seinem Superhit „Katzeklo" (1994) sowie regelmäßigen Fernsehauftritten ist er im Mainstream angekommen. Trotzdem bleibt das Phänomen Helge Schneider schwer zu fassen, denn er lässt sich weder festlegen noch vereinnahmen.

    Bei einer so starken Bühnenpersönlichkeit wie Helge Schneider stellt sich grundsätzlich die Frage, ob und wie sein eigentümlicher Humor in einen Kinofilm zu retten ist. Auch hier ist die Antwort nicht unumstritten, aber in jedem Fall bleibt festzuhalten, dass der Allrounder, der unter dem Pseudonym Brötchen auch für das Skript verantwortlich zeichnet, sich vor und hinter der Filmkamera treubleibt. So erhält der Kriminalfall zwar durchaus eine befriedigende Auflösung, aber dennoch ist das Story-Gerüst per se nicht ernst zu nehmen. Das Resultat wirkt daher in vielerlei Hinsicht wie ein Produkt des Zufalls, das wild zwischen subtilem Witz und subversivem Klamauk oszilliert. Dieses starke improvisatorische Element ist der durchaus gelungene Versuch, Schneiders Spontaneität von der Bühne auf die Leinwand zu übertragen. Für seine Anhänger ist „00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter" immer wieder gern zitierter Kult, und laut Aussage des Regisseurs sein bester Film, gerade weil er „am durcheinandersten" sei.

    Neben Schneider, der selbst den Titelhelden sowie den Antagonisten Baxter mimt und dazu noch einige Nebenrollen übernimmt, ist Helmut Körschgen als Lieutenant Körschgen der unbestrittene Star des Films. Der 2002 verstorbene Laiendarsteller war bereits als Komparse im ersten Schneider-Kinowerk „Texas - Doc Snyder hält die Welt in Atem" zu sehen und bekam in anschließenden Nachdrehs Sprechparts zugeschustert. Als krasser Gegensatz zu Schneiders wild chargierendem Nihil Baxter zeichnet sich Körschgens an Realsatire grenzende hölzerne Darstellung vor allem durch ihre unvergleichliche Steifheit und durch die Tatsache aus, dass er immer wieder gern verdattert in die Kamera guckt. Teilweise wurden vergeigte Aufnahmen nicht einmal herausgeschnitten. In jeder anderen Produktion wäre das ein Grund, die Verantwortlichen vom Hof zu jagen. Nicht so, wenn Helge Schneider am Ruder ist. Es lässt sich auf eine einfache Formel herunterbrechen: Dilettantismus ist Kunst.

    Außer den Schneider-Stammkräften Werner Abrolat („Für eine Handvoll Dollar") und Andreas Kunze („Agnes und seine Brüder") als 00 Schneiders Gattin, tritt ein 1994 bereits recht bekannter Christoph Schlingensief („100 Jahre Adolf Hitler - Die letzte Stunde im Führerbunker ") als Kameramann und (nicht genannter) Co-Regisseur auf, der der Produktion seine fachliche Expertise leiht. Helmut Körschgen erlitt während der Dreharbeiten einen Schlaganfall, weshalb er in einigen Szenen gedoubelt werden musste. Die Spätfolgen des Anfalls verhinderten, dass Körschgen an weiteren Filmprojekten teilnehmen konnte. Er personifiziert dennoch bis heute Helge Schneiders Herangehensweise an Kinoproduktionen. Dem Kalkül einer üblichen Filmkomödie wird Stegreif-Humor entgegengesetzt. Das wirkt zwar mitunter befremdlich, aber auch herrlich ehrlich und erinnert angenehm an Monty Python.

    Fazit: „00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter" ist ein konsequent aus der Hüfte geschossener Anti-Film, anarchisch und kompromisslos. Kritiker Helge Schneiders wird dieser Film nicht bekehren und für seine Anhänger ist er ohnehin Pflichtprogramm. Mit einem hanebüchenen Drehbuch und Hauptdarstellern, die agieren wie Rehe im Scheinwerferlicht, findet eine Unterscheidung zwischen lustig und lachhaft gar nicht erst statt.

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