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    Die Katze
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Die Katze
    Von Robert Cherkowski

    Dass der Prophet im eigenen Land oft nichts gilt, ist bekannt. Oft wird er verkannt und verschrien, doch das schlimmste was ihm passieren kann, ist vergessen zu werden. Ein Prophet des deutschen Genrekinos war und ist zweifellos Dominik Graf, der inzwischen zwar wie kaum ein anderer deutscher Regisseur in Ehren gehalten wird, dessen frühe Kinofilme aber immer noch zu wenig beachtet werden. So kommt es, dass Dominik Grafs grandioser Bankraub-Thriller „Die Katze" (und noch mehr der Kassenflop „Die Sieger") trotz eines beachtlichen Staraufgebotes und einigen Production-Values, die den Vergleich zur internationalen Konkurrenz nicht zu scheuen brauchen, heute nur eingefleischten Kennern ein Begriff sind. Es wird Zeit, den Schleier zu lüften und einen der stärksten Graf-Filme wieder zu entdecken. Denn wer das Glück hat, den 1988 gedrehten Geniestreich sehen zu können, wird seinen Augen kaum trauen: So wild, abgründig, clever und doppelbödig kann auch das deutsche Kino sein, wenn es sich nur traut. „Die Katze" ist nicht nur einer der besten deutschen Genrefilme, sondern einer der besten deutschen Filme schlechthin.

    Es sollte der große Tag für den ausgekochten und perfektionistischen Profigangster Probek (Götz George) werden. Über Monate hat er den Überfall auf eine Bankfiliale geplant und nichts dem Zufall überlassen. Eigens für den großen Coup hat er eine Affäre mit Jutta Ehser (Gudrun Landgrebe), der Frau des Filialleiters (Ulrich Gebauer) begonnen, die eine Schlüsselrolle in seinem ausgefeilten Plan einnimmt. Als Mastermind überwacht er den Bruch vom gegenüberliegenden Luxus-Hotel, während die Drecksarbeit vom brutal auftretenden Junghein (Heinz Hoenig) und dem jungen Britz (Ralf Richter) erledigt wird. Bald jedoch zeigen sich die ersten Löcher im eigentlich perfekten Plan, die der nicht minder clevere Kommissar Voss (Joachim Kemmer) auszunutzen gedenkt. Es beginnt ein Nervenpoker, den nicht alle überleben werden.

    Der vor allem fürs Fernsehen aktive Dominik Graf genoss es in seinem bis dato größten Kinofilm sichtlich, nach allen Regeln der Kunst an der Spannungsschraube zu drehen, harte Action zu inszenieren und die Erwartungshaltungen zu unterlaufen. Wo deutsches Kino sonst (damals wie heute) unter der eigenen, vermeintlichen Bedeutsamkeit ächzt, zielt Graf vor allem auf durchdachte Unterhaltung ab, die gerade dadurch in den besten Momenten an Großmeister wie Melville oder Chabrol erinnert. Gerade die enorme Präzision, mit der ein erschreckend kaltes Psychogramm der Protagonisten gezeichnet wird, gemahnt an die französischen Polizeifilme, die Graf so verehrt.

    Kaltschnäuzig, doppelzüngig, durchtrieben und egoistisch agieren die Antihelden in „Die Katze", liefern sich gegenseitig ans Messer und bestätigen immer wieder den Ausspruch „der Mensch ist des Menschen Wolf". Jede der unterschiedlichen Beziehungen scheint nur auf den eigenen Gewinn hin ausgelegt zu sein: Probek tobt mit Jutta vor allem deshalb durch die Betten, um an die große Kohle zu kommen, während diese nur nach einem Ausweg aus der Ehe mit dem eiskalten Bankier Ehser sucht. Dieser wiederum beginnt bald sein eigenes Süppchen zu kochen – Hier traut keiner dem nächsten und ist nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Ob der Coup gelingt oder nicht wirkt da fast nebensächlich, die guten Zeiten sind so oder so vorbei, wie der immer wieder erklingende Song „Good Times" der Animals ironisch unterstreicht.

    Dass man dennoch um das Leben dieser Unsympathen bangt, liegt nicht zuletzt an dem hervorragend aufgelegten Darstellerensemble. Götz George berserkert sich mit vollem Körpereinsatz durch die Szenerie und auch wenn er ein egomanes Ekel gibt, fällt es schwer, die Blicke von seiner fiebrigen Performance abzuwenden. Gudrun Landgrebe wiederum liefert eine Femme Fatale der Extraklasse ab und verleiht ihrer komplex angelegten Rolle zusätzlich emotionale Fallhöhe. Von Frauenfiguren wie ihr kann sich das Kino heute noch eine dicke Scheibe abschneiden. Das gleiche gilt für Charakterköpfe wie Heinz Hoenig und Ralf Richter, die unter der konzentrierten Regie Grafs eine Intensität erreichen, die den Film auf fesselnde Art an den Rand der Psychose treiben. Wenn man sieht, in welch lahmen Produktionen sie sich heute zum Affen machen, muss man traurig feststellen, dass der deutsche Film schlicht zu klein für ihre Leinwandpräsenz war und ist. Ulrich Gebauer als gehörnter Gatte mit eigener Agenda und Joachim Kemmer als abgebrühter Kommissar beweisen sich unterdessen als Meister des Understatements und trumpfen mit Zurückhaltung und Genauigkeit auf. Allein dabei zuzusehen, wie sie ihre Stirn in Falten legen und langsam aber sicher Licht ins intrigante Dunkel bringen ist eine wahre Freude. Immer unnachgiebiger wird sich dieses unter Strom gesetzte Ensemble hier im Laufe des Filmes umkreisen bis sich die Spannung in einem Finale entlädt, das auch ohne Action-Budenzauber enorme Wirkung entfaltet. Denn zu diesem Zeitpunkt hat Graf seine Figuren perfekt auf einem emotionalen Schachbrett positioniert und setzt sie so gekonnt Schachmatt, dass dieses Endspiel dem Publikum lange in Erinnerung bleibt.

    Fazit: Wenn „Die Katze" nach 118 packenden Minuten ihr bitteres Ende findet, traut man seinen Augen kaum und atmet tief und erschöpft durch – Wissend, dass man gerade ein Thriller-Meisterwerk gesehen hat, das internationalen Genre-Beiträgen problemlos das Wasser reichen kann.

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