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    FAQs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    FAQs
    Von Christoph Petersen

    Homosexuality – The Party believes that the practice of sodomy tears at the fabric of society, contributes to the breakdown of family unit, and leads to the spread of dangerous, communicable diseases.

    Bis in die 70er Jahre hinein gab es in vielen Genres florierende Underground-Szenen, die ihre Filme abseits von Hollywood ohne jegliche Rücksicht auf Zuschauererwartungen oder den „guten“ Geschmack produzierten – vor allem im Horror- und Pornobereich gab es hier viele raue, ungeschliffene Filmperlen zu entdecken. Doch die großen Studios wurden schnell neidisch auf den Erfolg der Low-Budget-Genreware und der Midnight Movies, auch sie wollten ihr Stück vom Kuchen abhaben: So wurden die Anführer der Underground-Bewegung von George A. Romero bis zu John Waters kurzerhand eingekauft und zukünftig ein wenig stärker auf Massentauglichkeit getrimmt. Dies hat zur Folge, dass heutzutage selbst Folterschocker wie Hostel von großen Verleihern in die Kinos gebracht werden und dadurch einen erheblichen Teil ihres verruchten Charmes verlieren. Ein Genre hat jedoch bis heute seine Stellung als Underground-Kino beibehalten – wirkliches Queer-Cinema, wie es Everett Lewis mit seinem schlagfertigen homosexuellen Thriller-Drama „FAQs“ abliefert, und nicht nur die entschärfte, romantisierte Version à la Brokeback Mountain, hat sich bis heute noch nie richtig bis in den Mainstream-Bereich hinein durchsetzen können. Und beachtet man, mit welchem knallharten rebellischen Charme Lewis in „FAQs“ zu einem Kreuzzug gegen alles Konservative antritt, kann man dazu eigentlich nur sagen: Und das ist auch gut so!

    Homosexual behavior is contrary to the fundamental, unchanging truths that have been ordained by God, recognized by our country´s founders and shared by the majority of Texans.

    Gerade wurde India (Joe Lia) bei einem Pornodreh um seine Gage beschissen, da wollen ihm auch noch zwei Schwulenhasser die Hölle heiß machen. Ein Glück, dass Destiny (Allan Louis), eine farbige XXL-Drag-Queen, rechtzeitig zur Stelle ist, um India mit ihrer Halbautomatik zu beschützen und den schicken Wagen der beiden Prügelknaben gleich mal so richtig zu demolieren. Unter folgenden Bedingungen erklärt sich Destiny bereit, den orientierungslosen India bei sich aufzunehmen: 1. Keine Drogen. 2. Soviel Sex so oft und mit wem Du willst, aber immer mit Kondom. 3. Mindestens zwei Stunden am Tag wird nackt rumgelaufen, wir brauchen uns unserer Körper nicht zu schämen. Schon bald stößt ein weiterer junger Schwuler zur ungewöhnlichen Wohngemeinschaft, der auch die lesbische Automechanikerin Lester (Minerva Vier) angehört, hinzu: Spencer (Lance Lee Davis) hat sich vorgenommen, seine verhassten Eltern mit einer Bombe in die Luft zu sprengen, verliebt sich aber zunächst einmal in India. Da India einst von Destiny gehört hatte, dass Schwulenhasser meist selbst homosexuell sind, beschließt er gemeinsam mit Spencer, die beiden Schlägertypen, die ihm noch kurz zuvor nach dem Leben getrachtet hatten, aus ihrer reaktionären „Weißer Gartenzaun“-Vororthölle zu befreien…

    Homosexuality must not be presented as an acceptable “alternative” lifestyle in our public education and policy, nor should “family” be redefined to include homosexual “couples”.

    „Our Kisses are like Bombs going off in the Straight World.“ In „FAQs“ wird der Queer-Livestyle propagiert, dass der durchschnittliche Texaner wohl mit ca. zweieinhalb Herzkaspern pro Minute aus der Kinovorstellung gestolpert käme. Wenn ein Hetero mal einen Satz sagen darf, kommt dabei bestenfalls folgendes raus: „There is no bad talking about the Republican Party in here. It´s the only Thing between right and the Shithole you are!“ Trotzdem gleitet der Film dabei nie in billige Polemik ab, sondern vertritt im Endeffekt eine angenehm versöhnliche Weltsicht. Vor allem die Zeichnung der homosexuellen Familie, die sich aus den bei Destiny Gestrandeten zusammensetzt, ist sehr gut gelungen und funktioniert auch emotional hervorragend. In allerletzter Konsequenz wird so die homosexuelle Community in Destinys Auffangstation als subversiver Gegenentwurf zum Vorzeigeclan der heterosexuellen Weißen, der Brady Family, porträtiert - nur mit dem Unterschied, dass es in „FAQs“ die einzelnen Familienmitglieder halt auch mal miteinander treiben.

    We are opposed to any granting of special legal entitlements, recognition of privileges including, but not limited to, marriage between persons of the same sex, custody of children by homosexuals, homosexual partner insurance or retirement benefits

    Zwar ist bei „FAQs“ alles erlaubt, was Spaß macht und die texanische Rechte zur Weißglut bringt, trotzdem geht

    Lewis in Sachen Inszenierung so ambitioniert und routiniert zur Sache, dass die schwierigen Independent-Bedingungen nur in den allerwenigsten Augenblicken überhaupt auffallen, wirklich stören tut das überschaubare Budget nie. Teilweise ist sogar das Gegenteil der Fall, wenn Lewis die inszenatorische Finesse auspackt und so manche Sequenz allerhöchsten filmischen Ansprüchen gerecht werden lässt. So ist jede Szene von „FAQs“ ein ungebremster Volltreffer in das Gesicht des reaktionären Amerikas, nur dass dies hier von Lewis so mutig, spannend und unterhaltsam rebellisch in Szene gesetzt wird, dass zum Schluss wohl nur Bush höchstpersönlich nicht feiernd mit einstimmen würde.

    We oppose any criminal or civil penalties against those who oppose homosexuality out of faith, conviction, or belief in traditional values. – We pray God bless Texas. God bless the U.S.A. God bless us all!

    (Aus dem Wahlprogramm der Texan Republican Party für 2004)

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