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    Miffo
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Miffo
    Von Stefan Ludwig

    Ein evangelischer Pfarrer hat die Schnauze gestrichen voll von seinem langweiligen Elternhaus. Bei seiner Freundin kann er es aber auch nicht lange aushalten. Er entscheidet sich für die Annahme einer freien Stelle in der Kirche eines namenlosen, heruntergekommenen Vorortes. Dort angekommen kann ihm niemand sagen, wo sich das Gotteshaus denn überhaupt befindet. Endlich gefunden, trifft er auf einen gealterten Pfarrer. Der hat den Glauben an den Nutzen des Gottesdienstes in der Gegend praktisch aufgegeben und starrt mit dem Fernglas in die nahe gelegene Moschee. Die ist nämlich viel besser besucht, erklärt er und fragt sich, wie „die“ das anstellen.

    „Miffo“ lässt sich am ehesten als Tragikomödie bezeichnen. Der angehende Zuschauer stelle sich eine romantische Komödie mit Substanz vor und erhalte so eine ungefähre Vorstellung, was da auf ihn zukommt. Der Humor dabei ist schwarz – wie fast schon üblich bei skandinavischen Produktionen. Regisseur Daniel Lind-Lagerlöf verleiht dem Film gemeinsam mit Kameramann Olof Johnson ein verhältnismäßig ausgeklügeltes und interessantes Aussehen, besonders bei der Perspektivenwahl macht sich das bemerkbar.

    Als Tobias (Jonas Karlsson) seine erste Predigt hält, fehlt es ihm nicht an Leidenschaft, sondern an Zuschauern. Also macht er sich auf, um seiner Gemeinde statt in der Kirche an der Haustür zu begegnen. Auch das stößt auf Widerstand, keiner bittet ihn über die Türschwelle. Bis er auf die kecke Carola (Livia Millhagen) trifft, die ihn als erstes um 500 Kronen anhaut. Er gibt ihr das Geld und nach diesem ersten Vertrauensbeweis lernen die beiden sich schnell mit ein wenig Schnaps als Hilfestellung kennen.

    Nun ist es nicht gerade Standard, einen Pfarrer als Hauptfigur zu setzten und beim Storygrundgerüst einer romantischen Klamotte fällt außerdem auf, dass Carola im Rollstuhl sitzt und sich die beiden zusätzlich in einem so genannten sozialen „Brennpunkt“ begegnen – also im Prinzip in einer Gegend der Armen. Denen geht es trotz mangelndem Geld aber ziemlich gut und sie werden gemäß dem herrschenden Vorurteil als faule Trinker dargestellt. Trotzdem wird es nicht flach. Die Themen Behinderung, soziales Elend und verliebte Pfarrer nun in einen Film zu packen, wäre Hollywood jedenfalls nicht im Traum eingefallen.

    Nun könnte alles so einfach laufen mit der fröhlichen und gerissenen Carola. Doch Tobias ist ein Zauderer. Wenn es ernst wird, läuft er davon. Und so flüchtet er im unpassenden Moment und stützt sich anschließend auf die fixe Idee, Carola könnte doch mal schön selbst die Initiative ergreifen. Das klappt allerdings entgegen alle Wahrscheinlichkeit und die beiden verlieben sich ineinander. Beim baldigen Besuch im Elternhaus wird Tobias dann auch auf die „Gefahren“ einer Beziehung mit einer gehbehinderten Person hingewiesen – schließlich fällt da der Skiurlaub ins Wasser.

    Das Interessante an der Geschichte sind die angesprochenen Tabuthemen, die schlichtweg mit Humor genommen werden. Carola macht sich über ihren Zustand einfach selbst lustig. Das Aufgreifen der bekannten Klischees über sozial schlechter gestellte Menschen bewegt sich auf ähnlicher Ebene. Doch die teilweise auch dramatischen Dialoge sind durchaus mit Intelligenz versehen und gewähren dem Zuschauer dabei noch einen lohnenswerten Einblick in eine Welt, die der braven bürgerlichen, aus der Tobias entsprungen ist, entgegengestellt ist. Dies ist die Leistung von „Miffo“ - die Verbindung von sozialer und gesellschaftlicher Kritik mit Unterhaltungswert.

    Und dies schafft die schwedische Produktion dann auch noch spielerisch, ohne sich damit in irgendeinem Moment schwer zu tun. Nur fällt der Film dann aber leider nach den ersten zwei Drittel hinter seine Möglichkeiten zurück. Dann nämlich setzt das übliche Hin und Her ein, dass der durchschnittliche Kinogänger bereits auswendig kennt, wenn er nur eine romantische Komödie gesehen hat. Sie kriegt ihn nicht, er kriegt sie nicht, sie kriegt ihn nicht und sofort… Das wird zwar nicht unbedingt langweilig in Szene gesetzt, ist es aber nun mal spannungstechnisch ein alter Hut. Warum Drehbuchautorin Malin Lagerlöf hier nicht den anfänglichen Einfallsreichtum fortsetzen konnte, bleibt fraglich.

    Nun wäre „Miffo“ kein Meisterwerk mit einem anderen letzten Teil. Es wäre ein ungewöhnlicher Unterhaltungsfilm mit schwarzem Humor im richtigen Maße – weit weniger dunkel als etwa „In China essen sie Hunde“ vorgemacht hat. Es fehlt hierzu auch an Tiefgang bei den Charakteren, die sich dann doch zu leicht kategorisieren lassen. Tobias der etwas einfältige Feigling, der sich von der lebensfrohen Carola vereinnahmen lässt. Die spießigen Eltern und die zerrissene Familie. Doch muss hierbei auch beachtet werden, dass es dem Film eben darum geht, die sozialen Gegensätze darzulegen – und das lässt sich auf der gewählten Ebene eben gut bewerkstelligen. Mit zu vielschichtigen Charakteren wäre hier auch einiges an Witz verloren gegangen.

    Jonas Karlsson macht seine Sache sehr gut und spielt den sympathischen Pfarrer, der sein Leben nur unschwer selbst auf die Beine stellen kann, mit der angemessenen Mischung aus gelegentlicher Coolness und Trotteligkeit. Livia Millhagen schafft es die ausgeflippte Rohlstuhlfahrerin als die interessanteste Figur zu gestalten. „Miffo“ ist eine schwedische Komödie, die auf vielfältige Weise unterhält – die größte Leistung liegt in der geschickten Herangehensweise an schwierige Themen, die den Zuschauer zu fesseln, statt abzuschrecken weiß.

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