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    Elsa und Fred
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Elsa und Fred
    Von Lars Lachmann

    Dass das Leben auch noch im Alter voller Überraschungen stecken kann, zeigt Marcos Carnevale mit seiner erfrischenden Liebeskomödie „Elsa und Fred“, in der zwei Menschen um die Achtzig noch einmal die große Liebe erfahren dürfen. Abgesehen davon, dass es sich bei diesen um zwei Gleichaltrige handelt, erinnert er stellenweise fast ein wenig an Hal Ashbys unkonventionellen und lebenslustigen Kultfilm Harold And Maude. Zugleich ist Carnevales Komödie eine ganz persönliche Hommage an Federico Fellinis Klassiker Das süße Leben (OT: „La dolce vita“).

    Nach dem Tod seiner Frau zieht der 78-jährige Alfredo (Manuel Alexandre) auf Initiative seiner Tochter Cuca (Blanca Portillo) in ein kleineres Apartment. Seine neue Nachbarin ist die exzentrische Argentinierin Elsa (China Zorrilla), die sich gleich am Tag des Umzugs mit Alfredos Tochter anlegt, nachdem sie versehentlich beim Ausparken die Scheinwerfer von Cucas Wagen zertrümmert. Elsa zeigt sich jedoch extrem uneinsichtig, als es darum geht, für den Schaden aufzukommen. Ihrem Sohn, dem erfolgreichen Geschäftsmann Gabriel (Roberto Carnaghi), ist die Geschichte hingegen sehr peinlich. Er stellt sogleich einen Scheck für die Reparaturkosten aus und bittet Elsa, ihn Alfredos Tochter zukommen zu lassen. Aber die denkt gar nicht daran. Stattdessen versucht sie, den gutmütigen Alfredo mit einer frei erfundenen Geschichte von der schwierigen finanziellen Situation ihres Sohnes um den Finger zu wickeln, bis sich dieser schließlich erbarmt und ihr anbietet, die Kosten selbst zu übernehmen. Ein Körnchen Wahrheit in Elsas inszenierter Geschichte findet sich allerdings insofern, als ihr zweiter Sohn Alejo (Gonzalo Urtizberea), ein erfolgloser Künstler, tatsächlich finanziell nicht gerade gut gestellt ist. In Elsa findet er seine einzige Befürworterin, welche ihm dann auch den von Gabriel ausgestellten Scheck eigenmächtig überlässt, um ihm seinen Traum von einer teuren Vernissage zu erfüllen. Gleichzeitig setzt sie ihre enorme Energie dazu ein, das Herz von Alfredo nach allen Regeln der Kunst zu erobern...

    Ihren besonderen Reiz erhält diese Liebesgeschichte vor allem durch die Gegensätzlichkeit ihrer beiden Hauptfiguren. Wie ein Wirbelwind schiebt sich die extrovertierte und emotionale Elsa in das Leben des ordentlichen, korrekten und etwas melancholischen Hypochonders Alfredo. Dabei zeichnet sie sich durch ihre extrem eigene Sichtweise und Einstellung zu vielen Dingen des Lebens aus. Dies geht oftmals auch so weit, dass sie gewisse Tatsachen wie zum Beispiel die Situation ihrer beiden Söhne, vor allem aber was ihre eigene Person und Vergangenheit angeht, gern etwas verdreht und bewusst in einem anderen Licht darstellt. Aber trotz ihrer kleinen Macken, die oftmals eine große Wirkung nach sich ziehen, ist Elsa im Grunde eine unglaublich liebenswerte Frau. Und das bekommt auch Alfredo zu spüren, selbst wenn ihn ihre Eskapaden so manches Mal an den Rand des Nervenzusammenbruchs führen.

    Tatsächlich ist Elsa mit ihrer kecken Art und ihrer Angewohnheit, so zu reden, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, die treibende Kraft in dieser Liebeskomödie. Doch damit allein würde die eigentliche Komik des Films nicht halb so gut funktionieren, wenn Alfredos trockene und absolut treffende Kommentare nicht wären, die den zahlreichen Repliken noch mal die Krone aufsetzen. Er bringt an vielen Stellen einfach die absolut passenden Konter. Wie zum Beispiel in einem szenischen Höhepunkt, als er im Begriff ist, Elsa ihren größten Wunsch zu erfüllen und mit ihr die berühmte Szene aus Fellinis Das süße Leben am Trevi-Brunnen in Rom nachzuerleben. Für Elsa ist es selbstverständlich, dass alles bis ins kleinste Detail stimmen muss, und nachdem er bereits eine schwierige Aufgabe bewältigt hat (ein kleines Kätzchen herbeischaffen), weist sie ihn an (ebenso wie Marcello Mastroianni), für dieses noch ein Glas Milch aufzutreiben. Dies scheint zur nächtlichen Zeit so gut wie unmöglich, doch Elsa entgegnet nur, dass Marcello es schließlich auch geschafft habe. Alfredo gibt daraufhin nur treffend zu bedenken, dass dieser das Glas damals natürlich von einem Mitglied des Filmteams erhalten hätte...

    Mit China Zorilla und Manuel Alexandre, die beide bereits auf eine lange Leinwandkarriere zurückblicken können, sind die beiden Hauptfiguren ideal besetzt. Es ist erstaunlich, mit welch dynamischem Drive es den beiden trotz ihres hohen Alters gelingt, die Komödie zum Laufen zu bringen. Auch wenn es sich bei „Elsa und Fred“ in erster Linie um ein Feelgood-Movie handelt, werden die Begrenzungen und Probleme des Alterns dabei keineswegs völlig außen vor gelassen. Dieser Aspekt, sowie die Tatsache, dass der anfangs resignierte Witwer Alfredo durch die Begegnung mit Elsa im Laufe der Handlung noch einmal eine entscheidende persönliche Entwicklung durchläuft, verleiht dem Geschehen dabei zusätzliche Tiefe. Auf diese Weise gelingt es Marcos Carnevale, den Zuschauer mit seinem Film bestens zu unterhalten als auch zu berühren – ein Plädoyer, das Leben bis zuletzt zu leben und zu genießen.

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