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    Blackout
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Blackout
    Von Martin Soyka

    Es gibt Konstellationen, die Filmemacher seit jeher reizen. Einen Thriller auf engstem Raum zu inszenieren zum Beispiel. Alfred Hitchcock träumte davon, einen Film zu drehen, der ausschließlich in einer Telefonzelle spielt - was in der jüngerer Vergangenheit mit Nicht auflegen! und „Liberty Stands Still“ sogar mehr oder weniger konsequent umgesetzt wurde. Mit Das Rettungsboot] hat Hitchcock persönlich einen ähnlich gelagerten Film gedreht, der ausschließlich in der titelgebenden Nussschale auf hoher See spielt. Nun wagt der aus Mexiko stammende Nachwuchsregisseur Rigoberto Castañeda etwas Ähnliches. Er hat als Schauplatz einen Fahrstuhl gewählt. Leider bleibt der angestrebte Erfolg aus. „Blackout“ ist zwar bemüht, aber über weite Strecken auch langweilig und vorhersehbar.

    Es ist Wochenende, als der Zufall drei grundverschiedene Menschen in dem Fahrstuhl eines annähernd ausgestorbenen Hochhauses zusammenführt. Claudia (Amber Tamblyn) ist auf dem Weg zu ihrer im Sterben liegenden Großmutter. Der wenig sympathische Punk Tommy (Armie Hammer) will zu seiner Freundin, um diese aus den Händen ihres saufenden und prügelnden Vaters zu befreien. Und Arzt Karl (Aiden Gillen), der älteste der drei, muss sein Appartement, das offenbar in einem völlig inakzeptablen Zustand ist, säubern, bevor seine kleine Tochter vorbeischneit. Es kommt, wie es kommen muss: Der Fahrstuhl bleibt stecken. Alle Versuche der Insassen, auf sich aufmerksam zu machen oder sich aus eigenen Kräften zu befreien, scheitern. Je länger die Krisensituation andauert, desto blanker liegen die Nerven. Bis sich schließlich zeigt, dass einer der Drei eine dunkle Seite hat, von denen keiner der anderen etwas ahnt...

    ...das ist der Stoff, aus dem B-Movie-Träume gemacht sind: ein Maximum an Spannung bei einem Minimum an filmischem Aufwand. Dummerweise verzichtet Regisseur Castañeda aber darauf, seinen Film mit überraschenden Wendungen anzureichern. Und der einzige nennenswerte Storytwist wird dann auch noch auf dem DVD-Cover verraten. Castañeda erzählt in den Extras, dass dieser Film sein erster amerikanischer ist und er sich mit dem Prozess des Filmemachens dort schwer tat. Das ist dem Film leider deutlich anzumerken. Tatsächlich näherte er sich der Handlung, indem er fiktive Lebensläufe der Figuren verfasste, um herauszufinden, wie sie ticken. Dann überlegte er sich, wie man das Innere eines Fahrstuhls möglichst interessant in Szene setzt, zumal mehr als die Hälfte des Films dort spielt. Das alles ist sehr löblich, aber was einen Film zusammenhält, ist nun mal die Geschichte. Und was passieren wird, weiß eigentlich jeder, noch bevor der Film überhaupt gestartet ist.

    Es gelingt nicht, der sattsam bekannten Ausgangssituation etwas Neues hinzuzufügen. Stattdessen wälzt sich der Film in Klischees: In einem Haus mit mindestens neun Stockwerken sind nur fünf Wohnungen besetzt. Gleichwohl hat keiner der Protagonisten ein Problem damit, einen altersschwachen Fahrstuhl zu betreten. Jeder hat es selbstverständlich eilig. Die Frau ist zudem Asthmatikerin. Der junge Punk hat eine versteckte weiche Seite und der softe Arzt einen versteckten harten Kern. Die Liste ließe sich ohne weiteres noch eine ganze Weile weiterführen. Die Story wirkt wie aus einem Setzbaukasten für Drehbuchautoren.

    Das Problem von lokal eng begrenzten Schauplätzen ist, dass dem Filmemacher kaum Möglichkeiten bleiben, das Medium auszureizen. Daher wird meist der Trick angewendet, die Geschichte zu „lüften“, also den eigentlichen Schauplatz zu verlassen und anderes zu zeigen. Dass dabei das Konzept verwässert oder gar ruiniert wird, nimmt man eben in Kauf. Diesen Fehler begeht Castañeda gleich in doppelter Hinsicht, denn er verlässt nicht nur immer wieder den Fahrstuhl und das Haus, sondern spickt den Film außerdem mit Rückblenden, wobei er maßlos übertreibt: Mindestens die gefühlte Hälfte von dem, was in den Rückblenden offenbart wird, ist für die Geschichte völlig irrelevant. Es bremst sie einfach nur aus - [[serie,12 in der Sparversion sozusagen.

    Der Film verlässt sich voll darauf, dass der Zuschauer völlig schockiert ist, wenn sich im Laufe einer Rückblende plötzlich herausstellt, dass einer der netten Fahrstuhlfahrer in Wahrheit ein Lustmörder ist - was übrigens bereits auf dem DVD-Cover verraten wird. Und tatsächlich ist der Rückblendenmord wahrlich nichts für schwache Nerven. Doch die Drastik hätte eigentlich gar nicht Not getan. Und psychologisch durchdacht sind die Morde auch nicht: Während sich der Täter im Fahrstuhl als Verächter des anderen Geschlechts outet, wirkt seine frühere Tat wie die eines Künstlers. Das geht nicht wirklich zusammen. Offenbar ging es dem Regisseur bei der fraglichen Rückblende allein darum, eine möglichst schicke Optik zu präsentieren.

    Ist der vorhersehbare Twist endlich enthüllt, sind zwei Drittel des Films vorüber und die Luft ist endgültig raus. Von da an bleibt nur noch das Warten auf die obligatorische Gewalteruption im letzten Akt. Diese enttäuscht zumindest Gorehounds nicht, geht es doch noch mal verdammt blutig zur Sache, auch wenn bereits völlig klar ist, wie der Film enden wird. Da wirkt es beinahe wie Hohn, wenn sich Regisseur und Cast im DVD-Bonus direkt auf die Großmeister Hitchcock und De Palma beziehen.

    Nebenher ging es Castaneda auch um das Thema Schicksal. Ist es Zufall, dass ausgerechnet diese drei Menschen sich im Fahrstuhl wiederfinden - oder ist es vorherbestimmt? Diese zentrale Frage wird dem Film vorangestellt, aber später weder herausgearbeitet noch beantwortet. Gibt es das Schicksal nun oder nicht? Hinterher ist der Zuschauer genauso schlau wie vorher. Man ist geneigt zu sagen, dass alles, was den Protagonisten im Film widerfährt, vorherbestimmt ist, weil Autor Ed Dougherty tief in die Klischeekiste gegriffen hat und deshalb alles so geschieht, wie es - im Kino - einfach geschehen muss. Ein Thriller wie ein Zug auf Schienen.

    Positiv zu bemerken ist das Spiel der Hauptdarsteller. Sie mühen sich redlich, dem verquasten Drehbuch Leben einzuhauchen. Ausstattung und Kamera sind auch okay, vor allem die reizvollen Kontraste zwischen der monochromen Welt des Fahrstuhls und der farbenprächtigen Außenwelt sind gut herausgearbeitet. Die käsigen Effekte am Ende überzeugen weniger, sind aber offensichtlich dem geringen Budget geschuldet. All das reicht aber nicht, um den Film vor dem Absturz zu retten. Wer einen richtig spannenden Fahrstuhl-Thriller sehen möchte, sollte deshalb besser auf Carl Schenkels „Abwärts“ zurückgreifen.

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