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    Untraceable
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Untraceable
    Von Jürgen Armbruster

    Der amerikanische Filmjournalist und Blogger John Campea von TheMovieBlog.com veröffentlichte im Juni 2007 eine Liste mit acht Dingen, die er in Filmen auf keinen Fall mehr sehen möchte („The 8 Things I’m Sick Of Seeing in Movies“, http://www.themovieblog.com/2007/06/the-8-things-im-sick-of-seeing-in-movies). Diese äußerst kurzweilig zu lesende Liste ist nicht mehr und nicht weniger als ein „Best Of“ der allerübelsten Klischees, die Hollywood in seiner langen Geschichte jemals zustande gebracht hat und jedem eingefleischten Filmfan bereits mehr als nur einmal die Zornesröte ins Gesicht getrieben haben dürften. Rund ein halbes Jahr später – im Januar 2008 – musste Campea feststellen, dass Gregory Hoblits Internet-Thriller „Untraceable“ tatsächlich das Kunststück fertig gebracht hat, vier dieser acht „Über“-Klischees in einem einzigen Film unterzubringen. Es dürfte daher wenig verwundern, dass „Untraceable“ ein dummer Film ist, den nur die gut besetzen Hauptrollen und eine zumindest in weiten Teilen straffe Inszenierung vor dem totalen Desaster bewahren – jedenfalls irgendwie.

    Jennifer Marsh (Diane Lane) ist Spezialistin des FBI für Internet-Kriminalität. Ihr Alltag besteht aus Identitätsdiebstählen, Computerviren und Kinderpornographie – bis sie eines Tages auf vollkommen neuartige menschliche Abgründe stößt. Auf der Website KillWithMe.com werden Menschen live über das Internet grausam zu Tode gefoltert. Das Perfide: Je mehr User die Website besuchen, desto schneller stirbt das Opfer. Selbstverständlich spricht sich die Existenz dieser Seite schnell herum und kaum jemand kann dem Reiz des Verbotenen widerstehen, wodurch jedem neuen Opfer nur noch weniger Zeit bleibt. Jennifer wird mit der Leitung der Sonderermittlungskommission beauftragt, doch ihrem Team um Detective Eric Box (Billy Burke) und Agent Griffin Dowd (Colin Hanks) gelingt es nicht, den Killer ausfindig zu machen. Und auch eine Verbindung zwischen den Opfern existiert scheinbar nicht. Jennifer und ihre Mitarbeiter tappen vollkommen im Dunkeln. Egal was sie machen, der Killer scheint ihnen immer mindestens einen Schritt voraus zu sein.

    Sündenpfuhl Internet. Jede Profiler- bzw. Krimiserie, die etwas auf sich hält, hat diesem Thema gefühlt bereits mindestens eine Episode gewidmet. Als besondere Inspirationsquelle dürfte dem vergleichsweise unerfahrenen Autorentrio Allison Burnett, Mark Brinker und Robert Fyvolent die Folge „Das Zeichen“ aus der Serie „Criminal Minds“ gedient haben, die mehr als nur eine Parallele zu „Untraceable“ aufweist. Aber auch im Spielfilmbereich gibt es zahlreiche Vorbilder. „Untraceable“ fühlt sich ein wenig an wie eine Mischung aus Saw, FearDotCom und Feed. Das hört sich zwar nun nicht unbedingt sehr vertrauenserweckend an, ist aber nicht zwangsläufig böse gemeint. Besser gut geklaut als schlecht erfunden. Und vor diesem Hintergrund wurden einige richtige Entscheidungen getroffen. Die Folterszenen erreichen zwar nie die Intensität des großen Vorbilds „Saw“, sind jedoch ausreichend makaber, um die Gorehounds bei der Stange zu halten. Und auch der eigentliche Ermittlungsplot ist trotz der haarsträubenden Erklärungsversuche, warum die Quelle der Website selbst von einem Spezialistenteam des FBI nicht aufgespürt werden kann, gefällig genug, um zumindest in der ersten Filmhälfte in Kombination mit Gregory Hoblits (Dämon, Das perfekte Verbrechen) gefälliger Inszenierung für Kurzweil zu sorgen.

    Dann werden allerdings einige kapitale Fehler begangen. So wird die Identität des Killers viel zu früh gelüftet, wodurch sich der Film in arge Erklärungsnöte bringt und sich selbst den Wind aus den Segeln nimmt. Denn die Beweggründe für dessen Handeln, die von Diane Lane nahezu aus dem Nichts mit einem mehrminütigen Monolog gelüftet werden, sind reichlich absurd und vollkommen überkonstruiert. In dieser Phase beginnen auch die eingangs erwähnten Probleme mit den Klischees und der Liste von John Campea. Klischee Nr. 1: In Filmen beherrscht jeder den Morse-Code. Klischee Nr. 2: Wenn irgendjemand in Filmen eine wichtige Feststellung gemacht hat, so wird diese Person garantiert von irgendetwas vollkommen Belanglosem abgelenkt und stirbt, bevor sie ihre Entdeckung einer anderen Person mitteilen kann. Mit einer fast schon traumwandlerischen Sicherheit begeht „Untraceable“ eine filmische Todsünde nach der anderen und sorgt so dafür, dass der Film vollkommen unnötig in die Länge gezogen wird und letzten Endes einen überaus unbefriedigenden Eindruck hinterlässt. Nüchtern betrachtet, besteht „Untraceable“ eigentlich aus dem Stoff, aus dem solide Serienunterhaltung gemacht wird – aufgebläht auf kinotaugliche 100 Filmminuten.

    Und somit liegt es einmal mehr an den Schauspielern, die Kohlen aus dem Feuer holen zu müssen. Neben der gewohnt routiniert aufspielenden Diane Lane (Untreu, Die Hollywood-Verschwörung, Jumper) ist es dabei vor allem der ungemein charismatische Billy Burke („24“, Im Feuer, Das perfekte Verbrechen, der den Zuschauern trotz allen Mängeln noch den Zugang ermöglicht. Doch letztlich machen die hervorragend besetzten Schauspieler den Film mit seiner haarsträubenden zweiten Hälfte eben nur leidlich erträglich, jedoch keinesfalls empfehlenswert.

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