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    Das Leben, das ich immer wollte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Das Leben, das ich immer wollte
    Von Nicole Kühn

    Das Leben ist wie eine große Bühne, getrieben von der Suche nach der großen Liebe und den wahren Gefühlen schlüpfen die Menschen in Rollen und setzten sich Masken auf, um ihr Gesicht nicht zu verlieren. Regisseur Guiseppe Piccioni verwebt in seinem Liebesfilm „Das Leben, das ich immer wollte“ zwei Erzählebenen – die äußere Filmhandlung in der Gegenwart und die Dreharbeiten zu einem Kostümfilm – so kunstvoll, dass beide sich gegenseitig kommentieren und ineinander greifen. Damit entwirft er nicht nur einen atmosphärisch stimmigen Film, der hinter die eigenen Kulissen schaut, sondern gleichzeitig auch eine Reflektion über das Wesen der Schauspielkunst und darüber, wie untrennbar Spiel und echtes Leben miteinander verknüpft sind. Dem Kampf um die eigene Authentizität, den die Protagonisten untereinander gleichermaßen wie mit sich selbst führen, verleihen die beiden Hauptdarsteller dabei unprätentiöse Glaubwürdigkeit.

    Bei einem Vorsprechen zum aufwändigen Kostümfilm „Das Leben das ich immer wollte“ treffen die beiden Schauspieler Stefano (Luigi Lo Cascio) und Laura (Sandra Cecarelli) aufeinander. Während der Part des viel beschäftigen Profis als männliche Hauptrolle bereits fest besetzt ist, wird Laura als nicht mehr ganz junge Newcomerin gecastet - zum Ärger Stefanos, der bereits seine gute Freundin Chiara (den beeindruckenden Hauptdarstellern in nichts nachstehend: Galatea Ranzi) sicher in der Rolle gesehen hatte und zudem mit dem impulsiven Spiel Lauras nicht zu Recht kommt. Dennoch rufen die ersten Proben für die zur letzten Jahrhundertwende spielende Liebestragödie in beiden romantische Gefühle hervor, aus denen schnell mehr wird. Doch so rosig, wie es anfing, bleibt es nicht lange. Stefano, der anfänglich die Rolle des Mentors für die beruflich unerfahrene Laura übernommen hatte, kann mit ihrem offensichtlichen und schnellen Erfolg, vor allem aber mit ihrer immer deutlicher werdenden Selbstsicherheit nicht umgehen und drückt seine verletzte Eitelkeit in kindischer Trotzigkeit aus. Worauf die unter der starken Schale sehr verletzliche Laura mit Rückzug und Vorwürfen reagiert. Wiederholt versuchen beide, die Nähe zum anderen wieder zu finden, um dabei doch nur zu zeigen, dass sie nicht am anderen hängen – ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, das nicht viel anderes als Angst und Hilflosigkeit ausdrückt…

    Der Stoff dieses wunderbaren Films ist fein und nach einem klug durchdachten Muster gewoben, jeder Handlungsfaden zieht sich geschmeidig durch die verschiedenen Zeiten und Räume der Handlung, um sich an anderer Stelle wieder einzufügen. Leichthändig dirigiert Piccioni sein bis in die Nebenrollen sehr präzise spielendes Ensemble durch die miteinander korrespondierenden Handlungsebenen, ohne eine der Figuren der Lächerlichkeit allzu offensichtlicher Parallelen oder Symbolismen zwischen ihrem Leben und ihrer Rolle preiszugeben. Vielmehr stellen sich für jede Person vielsagende Bezüge zu ihrer Film-im-Film-Rolle her, die ihr die Möglichkeit geben, eine neue Perspektive auf sich selbst zu finden, neue Handlungsmuster zu erproben oder Konflikte in einem anderen Gewand (im wahrsten Sinne des Wortes) auszuleben.

    Der im Film zu inszenierende Kostümfilm wird unaufdringlich zur Folie der modernen Gesellschaft: während dort die großen Gefühle sich wohl weniger trotz als gerade wegen des gesellschaftlichen Korsetts der damaligen Zeit zu Höhenflügen emporschwingen und die unmögliche Liebe gegen alle Wahrscheinlichkeit unsterblich machen kann, gelingt es den Menschen in einer Atmosphäre der (fast) absoluten gesellschaftlichen Freiheit nicht, ihre Gefühle zu definieren und dem Anderen adäquat mitzuteilen. Das Ringen mit sich selbst findet bei Lo Cascio und Ceccarelli in jeder Mine, in jeder Geste und Bewegung seinen Widerhall. Dankenswerter Weise hütet sich „Das Leben das ich immer wollte“ davor, in ein Beklagen der modernen Beziehungsunfähigkeit mit dem Ergebnis serieller Monogamie und Zweckbindungen zu verfallen. Genau in den Momenten, die das große Drama heraufzubeschwören drohen, lässt er mal dem Zuschauer, mal seinen Filmfiguren ein befreiendes Lachen angedeihen. Durch diese Leichtigkeit wirkt der Film trotz seiner Spieldauer von über zwei Stunden weder anstrengend noch ermüdend, sondern unterhält aufs Beste.

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