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    Der Sohn von Rambow
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Der Sohn von Rambow
    Von Julian Unkel

    Nachdem Sylvester Stallone voriges Jahr bereits Rocky reaktivierte, holte er in diesem Frühjahr auch noch seine zweite große Rolle aus dem Vorruhestand zurück. John Rambo konnte zwar mit seinen brachialen Kampfszenen gut unterhalten, hatte mit dem weiterhin unerreichten ersten Teil aber nur noch wenig gemein. Dafür wird dem inzwischen über 25 Jahre alten Rambo nun von anderer Stelle Ehrerbietung erwiesen: In „Der Sohn von Rambow“ (das zusätzliche „W“ musste - trotz Unterstützung von Stallone - aus Lizenzgründen angehängt werden) drehen zwei Kinder ihre ganz eigene Version des Action-Klassikers. Dem Briten Garth Jennings (Per Anhalter durch die Galaxis) glückte damit nicht nur eine Liebeserklärung an das Kino im Allgemeinen und an Rambo im Speziellen, sondern auch eine der schönsten und witzigsten Geschichten, die es dieses Jahr auf der Leinwand zu bestaunen gilt.

    Eine englische Kleinstadt zu Beginn der 1980er Jahre: Der elfjährige Will Proudfoot (Bill Milner) wächst in einer strenggläubigen Familie auf, der Kontakt zu Film und Musik ist ihm verboten, in der Schule gilt der fantasievolle Junge als Außenseiter. Auch der gleichaltrige Lee Carter (Will Poulter) ist alles andere als beliebt, allerdings aus vollkommen anderen Gründen: Um seinem älteren Bruder zu imponieren, legt sich Lee mit allem und jedem an und ist an der Schule als Bully verschrien. Auch der gutgläubige Will wird von Lee, als die beiden sich per Zufall kennenlernen, vorerst nur ausgenutzt. Doch dann bekommt Will eine von Lee im Kino abgefilmte Fassung von „Rambo: First Blood“ zu sehen und entwickelt eine Filmidee, von der auch Lee begeistert ist. Mit der Videokamera von Lees Bruder und mit Will in der Hauptrolle drehen die zwei ungleichen Freunde - immer darauf bedacht, dass weder Lees Bruder noch Wills Familie dahinterkommen - „Der Sohn von Rambow“, um mit diesem bei einem Jugendfilmwettbewerb der BBC anzutreten…

    2005 nahm sich der frühere Musikvideo-Regisseur Garth Jennings, der unter anderem Clips für R.E.M., Blur und Fatboy Slim inszenierte, mit seinem ersten Spielfilm gleich etwas Großes vor: Die Verfilmung von Douglas Adams Kultroman Per Anhalter durch die Galaxis, die dann auch eher zwiespältig aufgenommen wurde. Für das Drehbuch zu „Der Sohn von Rambow“ ließ er sich hingegen von seiner Kindheit inspirieren – laut eigener Aussage erwachte auch in ihm die Lust am Filmen, als ihm sein Bruder einst eine Raubkopie von Rambo vorspielte. Diese persönliche Verbindung zu der Handlung ist „Der Sohn von Rambow“ jederzeit anzumerken, denn Jenkins inszeniert den Film mit dem gleichen kindlichen Eifer, mit dem auch seine Protagonisten zu Werke gehen. Er reichert die Szenen mit ebenso albernen wie komischen Ideen an, verliert dabei aber nicht das Gespür für die nachdenklichen Stellen, nimmt für einige Einfälle auch kleinere Glaubwürdigkeitsverluste in Kauf und stattet seine Figuren bei den Dreharbeiten ihres Films mit einer ähnlichen Kreativität aus, wie es auch Michel Gondry in Abgedreht getan hat.

    Viele seiner besten Szenen bezieht der Film aus den ambitionierten Schulhof-Dreharbeiten (zum Beispiel, wenn Will und Lee in einer kurzen Montage gleich mehrere wahnwitzige Stuntideen hintereinander ausprobieren) und natürlich dem wirklich sehr witzigen Endprodukt, das es im Finale in voller Länge zu sehen gibt. Doch auch wenn es gerade wegen dieser Szenen eigentlich durchgehend etwas zu lachen gibt, funktioniert „Der Sohn von Rambow“ nicht nur als Komödie. Jenkins erzählt ebenfalls von den individuellen Problemen, die den beiden Kindern auf dem Sprung zur Jugend im Wege stehen: Will versucht, sich mehr und mehr von den Fesseln zu lösen, die ihm der strenge Glauben seiner Familie angelegt hat, und Lee kämpft, von den eigenen, reichen Eltern vernachlässigt, um die Anerkennung seiner einzigen wirklichen Bezugsperson, seinem Bruder. Und zuletzt gibt „Der Sohn von Rambow“ auch noch - unterstützt durch die Musik von Duran Duran, The Cure & Co. - ein amüsantes Porträt der 80er Jahre ab, das zwar stellenweise stark überzogen ist (im Oberstufenraum der Schule geht es zu wie in einer Disco), aber gerade deshalb als aus den Augen eines Kindes betrachtet so authentisch wirkt.

    Eine Geschichte aus der Sicht von Kindern zu erzählen und trotzdem für eine erwachsene Zielgruppe ansprechend zu gestalten, war schon immer eine große Herausforderung – Garth Jenkins meistert sie mit Bravour. Einen großen Anteil daran hat die Wahl der beiden Hauptdarsteller: Sowohl Bill Milner (Jahrgang 1993) als auch Will Poulter (1994), die hier beide in ihrer ersten nennenswerten Rolle zu sehen sind, spielen ihren Part absolut glaubwürdig und sympathisch. Als dritter Kinderdarsteller sticht Jules Sitruk heraus, der als klischeebeladener französischer Austauschschüler für zahlreiche Lacher sorgt. Erwachsene braucht es da kaum noch: Lediglich Jessica Stevenson (erfand gemeinsam mit Simon Pegg die Kultserie „Spaced“, aus der Shaun Of The Dead und Hot Fuzz entstanden sind) hat als Wills langsam am eigenen Glauben zweifelnde Mutter einige gute Szenen, ansonsten gehört der Film aber komplett den Kindern.

    Es ließe sich als Schwäche sicherlich anführen, dass auch „Der Sohn von Rambow“ wieder einmal einer klassischen Indie-Dramaturgie folgt und in dieser Hinsicht kaum zu überraschen vermag. Doch dafür gelang Regisseur Jenkins ein mit viel Kreativität und sichtlicher Drehfreude inszeniertes Feel-Good-Movie über Film, Freundschaft und Familie, das zudem noch mit einer sehr schönen Aussage aufwarten kann: Kino – und sei es auch das Metzelkino eines Sylvester Stallone – verbindet!

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