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    Teufelskind Joshua
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Teufelskind Joshua
    Von Christoph Petersen

    Egal ob Damien in der Das Omen-Reihe, der ungeborene Embryo in Roman Polanskis Rosemaries Baby oder auch die Kopf verdrehende Regen Teresa in William Friedkins Der Exorzist – Teufelskinder sind ein beliebtes Thema in Hollywoods Horror-Historie. Auch der 9-jährige Joshua in George Ratliffs gleichnamigem Thriller ist ein Satansbraten aller erster Güte. Allerdings unterscheidet er sich doch in einem elementaren Punkt von seinen filmgeschichtlichen Vorbildern: Er ist weder besessen, noch sonst irgendwie von spirituellen Mächten beeinflusst oder gar der Teufel höchstpersönlich. Er ist einfach nur ein ausgesprochen intelligenter kleiner Junge, der halt ein wenig egoistischer, berechnender und gewissenloser als seine gemeinen Altersgenossen zu Werke geht. Dabei gelingt Ratliff das Kunststück, das bitterböse Treiben des diabolischen Sprösslings stets in glaubhaften und nachvollziehbaren Bahnen zu halten. Als Ergebnis ist so ein spannender, tiefschwarzer und auf jeden Fall sehenswerter Psycho-Thriller inklusive überzeugender Besetzung dabei herausgesprungen.

    Zwar benimmt sich das 9-jährige Wunderkind Joshua (Jacob Kogan) nicht unbedingt normal, aber dennoch könnten die Cairns zumindest auf den ersten Blick ohne weiteres als New Yorker Upper-Class-Vorzeigefamilie durchgehen: Vater Brad (Sam Rockwell) verdient als Banker an der Wall Street einen dicken Haufen Kohle und begleitet seinen Sohn trotzdem regelmäßig zu seinen Fußballspielen, Mutter Abby (Vera Farmiga) schmeißt zuverlässig den Rest des Haushalts. Doch dann stellt sich erneuter Nachwuchs ein, die kleine Lily wird geboren. Die Anspannung ist groß, hatte sich Joshua in seiner Anfangszeit doch einst als unerträglicher Schreihals entpuppt, der seine Mutter mit seinem Geplärre gar in tiefe Depressionen stürzte. Doch die Ängste scheinen unbegründet, Lily erweist sich als ausgesprochen ruhiges Baby. Während sich die Eltern über den stillen Familienzuwachs freuen, keimt in Joshua offenbar so etwas wie Eifersucht. Und mit einem Mal, kurz nachdem die Meerschweinchen in Joshuas Schulklasse elendig verreckt sind, fängt Lily dann doch noch an zu schreien. Und hört wochenlang nicht wieder damit auf...

    Spoiler! Zunächst weiß man als Zuschauer gar nicht so recht, was man mit dem stets etwas merkwürdig auftretenden Joshua nun eigentlich genau anfangen soll. Zwar deutet vieles, eigentlich sogar alles darauf hin, dass der kleine Musterknabe hinter der Latte an frischen Familienproblemen steckt, doch zu 100 Prozent sicher kann man sich einfach nicht sein. Die Spannungsschraube dreht sich in diesen Momenten angenehm langsam, wird aber doch konsequent immer weiter angezogen. Nachdem die Mutter, die wegen ihrer Tablettensucht in die Klinik abgeschoben wird, erst einmal ausgeschaltet ist, entbrennt dann ein offener Psychokrieg zwischen Vater und Sohn. Erst hier wird es schließlich richtig, richtig böse. Spoiler Ende In Sachen Inszenierung besinnt sich Ratliff dabei auf angenehm klassische Werte. Schnelle Schnitte und die anderen billigen Taschenspielertricks, auf die in letzter Zeit immer mehr Regisseure zurückgreifen, um den Mangel an Atmosphäre zu übertünchen, sucht man hier weitestgehend vergeblich. Bis auf einige geschickt gelegte falsche Fährten ist die Story gradlinig erzählt und mit klaren Einstellungen in Szene gesetzt. Hier erzeugen die Bilder im Kopf des Zuschauers noch subtilen Horror, und nicht einfach nur epileptische Anfälle. Als besonderes Schmankerl am Rande ist unbedingt noch der Auftritt von Joshuas Großmutter Hazel (Celia Weston) zu nennen. Sie nutzt das Chaos im Hause ihres Sohnes dazu aus, ihrem Enkel ihren erzkonservativen christlichen Glauben aufzudrücken. So hat gerade sie sich den ihr beschiedenen Abgang dann auch redlich verdient.

    An vorderster Front haben sich hier zwei Darsteller eingefunden, die schon seit längerer Zeit von verschiedenen Seiten als kommende Hollywood-Superstars ausgerufen wurden, denen der ganz große Durchbruch aber doch immer verwehrt blieb. Spätestens nach der Hauptrolle in George Clooneys Geständnisse - Confessions Of A Dangerous Mind schien Sam Rockwell eine strahlende Zukunft bevorzustehen, doch außer mittelgroßen Auftritten in Tricks und Per Anhalter durch die Galaxis kam überraschend wenig nach. Und auch im kommenden Brad-Pitt-Western Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford hat es wieder nur für die zweite Geige gereicht. Vera Farmiga rückte zuletzt als Therapeutin von Matt Damon in Martin Scorseses Oscar-Gewinner Departed: Unter Feinden in den Fokus der Öffentlichkeit. Aber auch zuvor hatte sie in Einbruch und Diebstahl sowie Running Scared bereits hervorragende Arbeit abgeliefert. Doch so schnell sie in diesen Fokus gerückt war, so schnell war sie zumindest bei den durchschnittlichen Filmkonsumenten auch schon wieder daraus verschwunden.

    Betrachtet man nun die überzeugenden Leistungen der beiden in „Joshua“, möchte man fast schon wieder von einem drohenden Karrieresprung anfangen, doch so langsam sollte man sich wohl mit der Fehlerhaftigkeit dieser Prognose anfreunden. Farmiga verkörpert die an Depressionen zugrunde gehende Mutter in jeder Sekunde intensiv und glaubhaft, spielt dabei angenehm häufig auch gegen die Sympathien des Publikums an – wäre „Joshua“ ein Drama, wäre sie wohl zumindest in den erweiterten Kreis der Oscar-Anwärterinnen eingedrungen. Rockwell hält sich mit seinem stets etwas dreckig anmutenden Charme zunächst noch zurück, dreht dann aber, sobald im Psychokrieg mit seinem Sohn das Feuer eröffnet wird, doch noch so richtig auf. Trotz dieser beiden ansprechenden Darstellungen ist es schlussendlich doch der begabte Nachwuchs, der den Erwachsenen rücksichtslos die Schau stiehlt. Obwohl Joshua ein abgrundtief böser und tiefschwarzer Charakter ist, dürften dem diabolisch aufspielenden Jacob Kogan in seiner ersten Kinorolle doch eine Vielzahl der Zuschauerherzen zufliegen.

    Fazit: Toll gespielter, klassisch inszenierter Thriller, der auf simple Schockeffekte überwiegend verzichtet und stattdessen mit psychologischem Horror direkt im Kopf des Publikums punktet.

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