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    Vicky Cristina Barcelona
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Vicky Cristina Barcelona
    Von Ulf Lepelmeier

    Die Irrungen und Wirrungen der Liebe sind ein zentrales, immer wiederkehrendes Thema im Werk des New Yorker Regisseurs Woody Allen (Manhattan, Hannah und ihre Schwestern, Der Stadtneurotiker). Auch in seinem filmischen Spanienausflug „Vicky Christina Barcelona“ geht es wieder um die unterschiedlichen Facetten der Liebe und die spannende Frage, ob nur die unerfüllte Liebe romantisch sein kann. Dabei machen vor allem die hervorragenden Darstellerleistungen den leicht durchschaubaren Liebesreigen vor der sonnendurchfluteten Kulisse Barcelonas zu einem spritzig-amüsanten Filmvergnügen.

    Die Freundinnen Vicky (Rebecca Hall) und Cristina (Scarlett Johansson) verbringen den Sommer bei Vickys entfernten Verwandten in Barcelona. Vicky ist eine sehr pragmatische Person, die im Anschluss an den Spanienurlaub mit ihrem Verlobten in den sicheren Hafen der Ehe einlaufen will. Cristina ist hingegen eine leidenschaftliche Romantikerin, die lieber ihren Gefühlen als purem Sachverstand folgt. Als der Künstler Juan Antonio (Javier Bardem) in einem Restaurant auf die New Yorkerinnen zugeht, sie in sein Haus in Oviedo einlädt und ihnen ohne Umschweife mitteilt, mit ihnen schlafen zu wollen, ist Vicky entsetzt, während Cristina sofort dem Charme des Spaniers erliegt. Trotz Vickys Bedenken fliegen sie schließlich doch mit Juan Antonio, der ihnen die Sehenswürdigkeiten Oviedos zeigt und sich als wahrer Gentleman entpuppt. Bald ist auch Vicky von dem Maler fasziniert, der immer wieder von seiner leidenschaftlichen Beziehung zu seiner impulsiven Ex-Frau Maria Elena (Penélope Cruz) berichtet, die angeblich mit einem Messer auf ihn losgegangen ist…

    „Als ich das Drehbuch zu schreiben begann, wollte ich einzig und allein eine Geschichte entwickeln, in der Barcelona als eigenständige Figur fungiert. Ich wollte dieser Stadt Reverenz erweisen, denn ich liebe sie sehr, wie ich überhaupt Spanien liebe. Barcelona ist erfüllt von visueller Schönheit und besitzt einen überaus romantischen Charakter.” - Woody Allen

    Nach seinen drei Filmen im verregneten, nebelbehangenen England (Match Point, Scoop, Cassandras Traum) hat sich Woody Allen nun auf einen filmischen Abstecher in die spanische Metropole Barcelona begeben, in der die katalanische Kultur pulsiert. Im Lande des Frauenverstehers Pedro Almodóvar wandelt Allen dann auch auf den Spuren seines Regiekollegen und stellt das Gefühlsleben dreier Frauen in den Mittelpunkt seines Films. Doch für Melodramatik ist hier trotzdem kein Platz. Neid und Missgunst drängen nie in den Vordergrund, die fröhliche Grundstimmung eines Sommerurlaubes herrscht trotz amouröser Verflechtungen stets vor.

    Obwohl der Zuschauer frühzeitig durchschaut, auf welche komplizierten Beziehungsverwicklungen der Film hinausläuft, bleibt die Dreiecksgeschichte dank pointierter Dialoge stets frisch und unverbraucht. Etwas befremdlich erscheint zu Beginn der Hörspielcharakter des Films. Immer wieder schaltet sich ein allwissender Erzähler in die Handlung ein, der zeitliche Sprünge überbrückt und einem die Gedankengänge der Protagonisten näher bringt. Doch schnell entpuppt sich die erklärende Stimme aus dem Off als amüsantes Stilmittel. Zudem werden in „Vicky Cristina Barcelona“ die konträren Kunst- und Moralvorstellungen der neuen und der alten Welt gegenübergestellt. Außerdem spielt der Film genüsslich mit Klischees wie etwa der angeblichen Leichtigkeit des Künstlerdaseins.

    Allens derzeitige Muse Scarlett Johansson (Die Insel, Das Mädchen mit dem Perlenohrring, Lost In Translation) gibt die leidenschaftliche Cristina zwar gekonnt, steht hier aber dennoch etwas im Schatten ihrer Darstellerkollegen. Javier Bardem (Das Meer in mir, Die Liebe in den Zeiten der Cholera) stellt hier nach der Verkörperung des furchteinflößenden Killers in No Country For Old Men seine Wandlungsfähigkeit erneut unter Beweis. Er versteht es, dem zunächst machohaft erscheinenden Künstler nach und nach viele charmante Facetten zu verleihen. In erster Linie sind es dann aber Rebecca Hall (Prestige, Frost/Nixon) und vor allem Penélope Cruz (Alles über meine Mutter, Sahara, Bandidas), die dem rundum betörenden Cast die Krone aufsetzen. Hall spielt Vicky, die ihr Leben nur scheinbar im Griff hat und mit der Zeit bemerkt, dass sie ihr Dasein mit ihrem Verlobten in New York auf Dauer wohl doch nicht ausfüllen wird, woraufhin sie in tiefen Selbstzweifeln versinkt. Dabei geht Hall so sehr in ihrer Rolle auf, dass sie den Wandel ihrer Figur für den Zuschauer jederzeit greifbar macht. Penélope Cruz, die Allen in Volver so begeisterte, dass er sie sogleich in seinem nächsten Werk besetzte, ist die perfekte Wahl. Ihre Maria Elena ist durch Carlos’ Erzählungen zwar den ganzen Film hindurch präsent, betritt aber erst im letzen Drittel auch physisch die Bühne. Mit der Ankunft der feurigen Maria Elena nimmt der Film zusätzliche Fahrt auf, die ihm merklich gut tut. Cruz geht in ihrer Rolle als umtriebige, sich ihren Stimmungsschwankungen schamlos hingebende Maria Elena zur Gänze auf und sorgt so für die spaßigsten Szenen und witzigsten Sprüche des Films.

    Barcelona und Oviedo sind wichtige Bestandteile des Films. Die Schönheit der Orte wird von südländischen Klängen (allen voran dem entspannten Song „Barcelona“ von Giulia y Los Tellarinis) untermalt und von der Kamera hervorragend eingefangen. Bisweilen kommt einem Allens neues Werk mit seiner Hervorhebung der romantischen Natur, der extravaganten Bauten Antoni Gaudís, der kleinen Galerien und urigen Restaurants gar wie ein Werbefilm für Katalonien und das Fürstentum Asturien vor.

    Fazit: „Vicky Cristina Barcelona“ ist eine Hommage an die Schönheit Kataloniens und eine frische Sommerbrise im Oeuvre des Stadtneurotikers, der sich für sein nächstes Projekt wieder vom alten Kontinent verabschieden und in sein geliebtes New York zurückkehren wird. Doch vor seiner Abfahrt in die neue Welt kredenzt der Regisseur zu zarten Gitarrenklängen einen leichtbekömmlichen, heiteren Film mit spritzigen Dialogen, einem hervorragend aufgelegten Cast und einer großartigen Performance von Penélope Cruz, der einen die Leichtigkeit des Seins unter der Sonne Spaniens im dunkeln Kinosaal genießen lässt.

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