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    Repo! The Genetic Opera
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Repo! The Genetic Opera
    Von Nicole Kühn

    Zwielichtige Gestalten, Gothik-Style und fetzige Songs: „Repo! The Genetic Opera” hat alles, was ein gelungenes Feel-Good-Grusical braucht. Mit seiner schaurig-schönen Fantasy-Story um die aus einem Dornröschenschlaf erwachende Shilo tritt Darren Lynn Bousman in die Fußstapfen von Jim Sharman und liefert nach mehr als 30 Jahren einen würdigen Nachfolger für dessen Kultmusical The Rocky Horror Picture Show. Ob die durchgeknallte Skurrilitätenshow den gleichen Kultstatus erlangt, bleibt abzuwarten. Aber auf jeden Fall bietet sie anderthalb Stunden prall gefüllt mit Sex, Drugs & Rock ‘n‘ Roll (in umgekehrter Hierarchie), bissigen Seitenhieben auf die Medienwelt und einer phantasievollen Ästhetik. Man hätte dem Regisseur von Saw II, Saw III und Saw IV kaum zugetraut, etwas anderes als genussvoll in Szene gesetzte Grausamkeiten am menschlichen Körper zu inszenieren. In der mit heftigem Augenzwinkern vorgetragenen, tragischen Geschichte zeigt er nun aber eine geradezu romantische Ader. Doch so überraschend ist die Wandlung dann auch wieder nicht. Immerhin hat Bousman das „Repo!“-Musical bereits vor seinem Saw-Ruhm auf der Bühne inszeniert.

    In einer futuristisch-schauermärchenhaften Szenerie erwacht die Neugier des Mädchens Shilo (Alexa Vega), das von einer seltenen, unheilbaren Blutkrankheit geschwächt ist. Gegen die vom besorgten Vater Nathan (Anthony Head) auferlegte Abschirmung von der Außenwelt im golden-düsteren Käfig begehrt sie immer stärker auf. Umso mehr, als ihr von dem zwielichtigen Konzernchef Rotti Largo (Paul Sorvino) Heilung in Aussicht gestellt wird. Bald jedoch merkt Shilo, dass die Welt voller Maskeraden ist: Hinter der Gesundheitsmaschinerie von Rotti Largo verbirgt sich skrupellose Geld- und Machtsucht, während ihr Vater mit einem dreckigen und sehr blutigen Geschäft eine frühere Schuld zu begleichen sucht. Um die zentralen Figuren herum tummeln sich jede Menge dysfunktionaler Typen: Da sind die um die Erbschaft buhlenden Kinder Rottis, Amber (herrlich mit ihrem Image spielend: Paris Hilton), Luigi (Bill Moseley) und Pavi (Nivek Ogre), da ist die mystisch-schöne Sängerin Blind Mag (Sarah Brightman) und schließlich der zwielichtige Grave-Robber (Terrance Zdunich), der als weitsichtiger moderner Narr allwissend durch die Geschichte führt.

    Natürlich geht es in diesem kunterbunten Zirkus nicht um die psychologische Entwicklung der einzelnen Figuren. Vielmehr stehen sie archetypisch für all das, was die Menschen im Verborgenen umtreibt: der Wunsch nach Selbstbestimmung, der so groß ist, dass man auch bewusst Risiken dafür in Kauf nimmt; Schuld, Neid, Gier, Sehnsucht nach ewigem Leben, nach Schönheit und nach Erlösung. Die Drehbuchautoren Darren Smith und Terrance Zdunich packen all diese großen Themen in eine wahnwitzige Geschichte, die sich durchaus mal logische Sprünge erlaubt, um wirkungsvolle Auftritte zu ermöglichen. Dazu braucht es klar konturierte Figuren, die sich aufgrund ihrer Erlebnisse dem Bösen oder dem Guten verschrieben haben.

    Die stimmliche Gewalt der Darsteller ist sehr unterschiedlich ausgeprägt, was dem Spaß jedoch kaum Abbruch tut, da die zentralen Rollen weitgehend überzeugen. Herausragend in dieser Hinsicht sind Sarah Brightman und Alexa Vega (Spy Kids). Schauspielerisch und tänzerisch wird dem Ensemble nicht allzu viel abverlangt, weil die vielen Handlungsstränge und Figuren in der schrillen, bunten Szenerie den Blick auf die einzelnen Charaktere überlagern. Das Ganze funktioniert nicht zuletzt aufgrund der überschwänglichen Ausstattung und dem gewitzten Einsatz filmischer Mittel. Das düstere Endzeitambiente wird bevölkert von einer schicken Gesellschaft, die munter Romantik- und Erotiklook miteinander kombiniert. Dazwischen schieben sich Rückblenden, die in Comic- und Stummfilmästhetik die Verstrickungen der Figuren erhellen.

    Wesentlich zum Charakter des Films trägt auch die mitreißende Musik bei. Die beiden Verantwortlichen, Darren Smith und Terrance Zdunich, transportieren ausdrucksstark die Emotionen der Beteiligten, lassen die Musik erzählen und treffen dabei schnörkellos den richtigen Ton. Ein so einprägsamer Knaller wie der „Time Warp“ aus der „Rocky Horror Picture Show“, der direkt in die Beine geht und auch ohne die zugehörige Show wunderbar funktioniert, ist allerdings nicht dabei. Dazu fehlt dann auch der entsprechende Tanz, der zum Nachahmen einlädt. Insgesamt hätte es sich sicher gelohnt, ein wenig mehr in die Choreografien des Leinwand-Musicals zu investieren.

    Letztlich entfaltet auch die inhaltliche Ebene nicht die Kraft, die den Aufenthalt des jungen Paares Brad und Janet im alten Schloss Frank N. Furters zum Kult werden ließ. Die sexuelle Befreiung spielt hier nur noch eine Nebenrolle und kann weder provozieren noch frenetisch gefeiert werden. An ihre Stelle tritt das Recht auf Individualität, das sich gegenüber einer auf Perfektion und Unsterblichkeit ausgerichteten Genmedizin behaupten muss. Das Thema wird damit zwar auf eine aktuelle Ebene gehoben, es fehlt ihm jedoch der unmittelbare Lustfaktor. Und es fehlt eine zentrale Figur, an der sich die Auswüchse der Unsterblichkeitsutopien in unmittelbarer Form als fehlgeleitete Sehnsüchte erweisen. Dennoch ist „Repo! The Genetic Opera“ ein vergnüglicher Trip in eine fantastische Welt, die lautstark und bunt das Leben und die Freiheit feiert.

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