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    Das Genie und der Wahnsinn
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Das Genie und der Wahnsinn
    Von Daniela Leistikow

    Wie unterscheidet man Genie von Wahnsinn? Kopernikus wirkte sicher auf viele Zeitgenossen wie ein Wahnsinniger, als er das heliozentrische Weltsystem beschrieb. Und Russell Crowe hat in A Beautiful Mind als schizophrener Mathematiker gezeigt, dass Genie und Wahnsinn oft nahe beieinander liegen. In der dänischen Komödie „Das Genie und der Wahnsinn“ von Tomas Villum Jensen müssen sich diese beiden schwer zu unterscheidenden Extreme erst zusammenraufen, bevor sie Meisterleistungen vollbringen können.

    Tonny (Ulrich Thomson, Adams Äpfel) ist eine tickende Zeitbombe: Das kleinste Ärgernis und der gerade aus dem Gefängnis entlassene Vater schlägt alles und jeden zusammen. Seine Ex-Frau Tanja (Ellen Hillingso) lässt ihn die Kinder nur ein paar Stunden pro Monat sehen. Als Tonny mit Sohn und Tochter ins Kino geht, gibt es leider nur noch Karten für das hochgelobte Meisterwerk „The Murderer“ des dänischen Regisseurs Claus Volter (Nikolaj Lie Kaas). Alles andere als begeistert von dem prätenziösen Kunstfilm verlangt Tonny nach der Vorstellung sein Geld zurück und nimmt das halbe Kino auseinander – doch den Eintritt bekommt er nicht erstattet. Daraufhin macht er Regisseur Volter ausfindig, um Wiedergutmachung zu verlangen, wird am Set mit einem Statisten verwechselt und ernsthaft verletzt - er könnte das Studio auf Millionen verklagen! Doch stattdessen verlangt Tonny, bei Volters neuem Film Co-Regisseur und Autor zu werden. Ninjas, Kanonen und Schießereien sind alles, was Tonny an Filmen reizt – der Kampf zwischen Genie und Wahnsinn beginnt: Nur wer ist hier was?

    Wenn Regisseur Volter darauf besteht, dass sein Name mit einem weichen „V“ ausgesprochen wird, er in einem Golfwagen am Set herumfährt und sich wie ein störrischer Dreijähriger in eine Ecke stellt – Hände vor dem Gesicht und wie am Spieß schreiend – wenn etwas nicht so läuft, wie er es gern hätte, wird eins klar: „Das Genie und der Wahnsinn“ macht sich mit Verve über einen berühmten dänischen Regisseur lustig, bei dem sich Kritiker und Publikum nicht immer einig sind, ob er genial oder verrückt ist - Lars von Trier. Die Figur des Claus Volter mag überzogen sein, aber wenn Volter nach dem Flop seines neuesten Meisterwerks an den Kinokassen und einem Verriss in der New York Times sagt „I don't consider it a serious paper; after all, it's American“ – ist das wirklich gute Satire. Tomas Villum Jensens Film wimmelt nur so von wunderbar durchgedrehten Charakteren und ihren exzentrischen Abenteuern. Leider braucht der kompliziert-skurrile Plot zu lange, bis er wirklich in Fahrt kommt. Man weiß nicht so recht, wo das alles noch hinführen soll und wenn man dann mitten im unterhaltsamen Teil ist, ist dieser viel zu schnell vorüber.

    Mit seinen beiden Hauptdarstellern Ulrich Thomsen und Nikolaj Lie Kaas hat Tomas Villum Jensen bereits in „Adams Äpfel“ als Schauspieler zusammengearbeitet. Vielleicht hatten die Drei die Idee zu „Das Genie und der Wahnsinn“ ja am Set von „Adams Äpfel“? Endlich mal einen Film drehen, der den Machern genauso viel Freude bereitet, wie den Zuschauern – so wie bei Tonny während der Dreharbeiten zu „Explodierende Bombe“.

    Wirkt die Figur Tonny anfangs wie ein Wikinger auf Speed, so vollzieht sich zum Ende hin ein erstaunlicher Lerneffekt. Auch Regisseur Volter gewinnt ein paar Einsichten, die er Tonny zu verdanken hat. Nikolaj Lie Kaas und Ulrich Tomsen haben als ungleiches Regie-Duo eine gute Chemie. Auch die Nebenrollen sind gut bis okay besetzt, bleiben aber wegen der Anzahl an Charakteren, die in nur 90 Minuten Spielzeit eingeführt werden, zuweilen etwas blass. Überzeugend sind Tonnys Bruder als zwanghafter Immobilienmakler und der Filmproduzent als Vaterfigur, die das finanzielle Risiko trägt, während Volter das künstlerische Risiko eingeht, wie letzterer behauptet. Kunst, das wird in „Das Genie und der Wahnsinn“ klar, ist als Begriff ebenso dehnbar wie Genie und Wahnsinn. Während es Tonny mehr um Unterhaltungskunst geht, versucht Volter alles, um wahre Kunst zu erschaffen. Unglücklicherweise ist das Künstlergehabe das einzige, was er bisher zur Perfektion gebracht hat.

    Fazit: Auch „Das Genie und der Wahnsinn“ ist nicht perfekt, bietet aber zumeist gute Unterhaltung. Exzentrische Hauptcharaktere und witzige Szenen können die Schwächen im Plot zwar nicht aufwiegen, aber wer leichte Unterhaltungskunst der manchmal schwerverdaulichen Kunst eines Lars von Trier vorzieht, wird an „Das Genie und der Wahnsinn“ seine Freude haben. Eingefleischte Von-Trier-Fans sollten eine gehörige Portion Selbstironie parat haben, sonst könnte das Gefühl aufkommen, man sei im falschen Film – so wie das bei Tonny und seinen Kindern im umgekehrten Sinne der Fall war.

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