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    Megamind
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Megamind
    Von Björn Becher

    Im Animationsfilm gab es schon immer besonders große gestalterische und erzählerische Freiheiten. Das gilt nicht zuletzt für die Helden und Hauptfiguren: Dort wo buchstäblich alles möglich ist, durften auch ein hässlicher und furzender grüner Oger („Shrek"), eine Ansammlung diverser Spielzeuge („Toy Story"-Trilogie) oder ein alter Rentner („Oben") große Abenteuer erleben und wenn schon nicht die ganze, so zumindest ihre eigene Welt retten. Nun interessieren sich die Animationskünstler zunehmend auch für die Bösewichte, ohne die es solche strahlenden Helden gar nicht gäbe und auch dabei zeigen sie großen Einfallsreichtum. In „Ich - Einfach unverbesserlich" wollte der (gar nicht so) gemeine Gru den Mond stehlen, um der größte Schurke der Welt zu werden. Und im neuesten 3D-Animationsstreich aus dem Hause Dreamworks steht nun ein richtig fieser Halunke im Zentrum der Handlung: Megamind, der Inbegriff des Super-Schurken und Gegenspieler für Heroen wie Superman & Co. Doch natürlich hat auch dieser Fiesling eine weiche Seite und wird schnell zum Sympathieträger für Groß und Klein. Regisseur Tom McGrath („Madagascar") persifliert gekonnt klassische Superheldenthemen und verfällt erst gegen Ende mehr und mehr in die bis dahin so treffend auf die Schippe genommenen Muster.

    Schon seit sie als Babys nach der Zerstörung ihrer jeweiligen Planeten von ihren Eltern auf die Reise geschickt wurden und schließlich auf der Erde landeten, sind sie erbitterte Rivalen: Superheld Metro Man (Originalstimme: Brad Pitt/Deutsche Synchronisation: Oliver Welke) und Erzbösewicht Megamind (Will Ferrell/Bastian Pastewka). Während Megamind mit seinem devoten Handlanger Minion (David Cross/Oliver Kalkofe) immer wieder teuflische Pläne schmiedet, stoppt ihn Metro Man jedes Mal und bringt ihn ins Gefängnis. Doch als Megamind mal wieder die schöne Journalistin Roxanne Ritchi (Tina Fey) entführt, um Metro Man herauszufordern, passiert das Unglaubliche: Der Held verliert und nur noch ein Skelett bleibt zurück. Megamind ist nun urplötzlich Herrscher über Metro City und kann die Stadt sowie ihre Einwohner nach Belieben terrorisieren. Doch wo ist der Spaß, wenn einen niemand stoppen kann? Er braucht folglich einen neuen Widersacher. Doch das aus den DNA-Resten von Metro Man gewonnene Superhelden-Serum landet durch einen Unfall in den Venen des dicken Kameramanns Hal (Jonah Hill), der erst einmal einen Helden-Kurs braucht und leider von der alten „Spider-Man"-Weisheit über die große Verantwortung, die mit besonderen Kräften einher geht, noch nichts gehört hat. Und verkompliziert wird die Situation auch noch dadurch, dass sich die schöne Roxanne ausgerechnet jetzt in den Bibliothekar Bernard verliebt, hinter dem sich niemand anderes als der von ihr verhasste Megamind verbirgt...

    Wer an Superhelden denkt, hat zuallererst Superman, den strahlenden, unfehlbaren Kämpfer gegen das Böse im Sinn. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Macher von „Megamind" genau diesen für ihre Persiflage ins Visier nehmen. Die „Superman"-Comics und ihre Verfilmungen werden geradezu ausgeplündert, das geht sogar so weit, dass Megamind seinem neuen Widersacher Hal als Marlon-Brando-Karikatur (mit einer Prise Mr. Miyagi aus „Karate Kid") gegenüber tritt, um ihn als angeblicher Vater aus dem All fit für den neuen Job als Weltenretter zu machen. Natürlich ist auch der strahlend weiße, von den Massen bejubelte Metro Man ein Ebenbild von Superman. Wer nun glaubt, aus dieser überdeutlichen Anlehnung entstünde ein Problem, sieht sich schnell getäuscht. Die kreativen Köpfe hinter Megamind (u.a. gehören dazu übrigens Guillermo del Toro, Justin Theroux und Ben Stiller) demaskieren ihren Superman nämlich systematisch und er steht als das da, was auch das Vorbild mittlerweile längst geworden ist: ein langweiliger, eitler Gockel. Dieser Kniff unterstreicht noch einmal, dass der Schurke hier der eigentliche Held ist, zumal Megamind von Anfang an als eloquenter Ich-Erzähler auftritt. Und so bleibt dem blauen Großkopf die Gunst des Publikums auch noch erhalten, nachdem er sich seines Widersachers entledigt hat.

    Die Identifikation mit dem Schurken, die für „Megamind" entscheidend ist, wird erheblich dadurch erleichtert, dass alle Pläne des verbrecherischen Genies fehlschlagen. Und so hat der Zuschauer von der ersten Minute an Mitleid mit ihm und möchte den kleinen Megamind am liebsten tröstend in den Arm nehmen, wenn Klassenliebling und Oberschleimer Metro Man mal wieder seinen neuesten Schulstreich durchkreuzt. Hier gelingt auch der Spagat zwischen der Unterhaltung für Jung und Alt hervorragend. Während die Kleinen ihren Spaß an den tollpatschigen Fehltritten haben und der Sidekick Minion - ein (Achtung aufgepasst!) Fisch im Wasserglas auf einem Roboter-Gorilla-Körper – bei allen Generationen punkten kann, freut sich der Film- und Comicfan über Zitate und Anspielungen im Minutentakt. Es ist spürbar, dass die Filmemacher hier liebevoll den Helden ihrer eigenen Kindheit huldigen. Einer ganzen Armada von Comicfiguren wird genauso Reverenz erwiesen wie John McClane aus „Stirb langsam" und „Karate Kid". Und wenn Megamind auf Beutezug geht, dann werden natürlich nicht nur die Mona Lisa oder Werke von Caravaggio und Cézanne geklaut, sondern auch der „Malteser Falke" und ein Schlitten namens „Rosebud".

    Mit dem Duell Megamind gegen Metro Man, der höchst romantischen Liebesgeschichte sowie dem aberwitzigen Verhältnis des Superbösewichts zu seinem Handlanger verfügt der neueste Dreamworks-3D-Streich gleich über mehrere außergewöhnlich gelungene Figurenkombinationen, die aber in der zweiten Filmhälfte leider etwas ins Abseits geraten, denn dort tritt Fettwanst Hal alias Superheld Tighten immer stärker in den Mittelpunkt. Während dessen Ausbildung nicht zuletzt durch die hervorragende Darbietung von Will Ferrell (und auch von Bastian Pastewka in der deutschen Fassung) als Marlon-Brando-Parodie „Space Dad" noch ein großer Spaß ist, dient Tighten danach nur noch der moralischen Wende des Films. Altbekannte pädagogische Lehrsätze, die in einem Animationsfilm, der sich auch an Kinder richtet, leider nicht fehlen dürfen, prägen dieses letzte Drittel, das dadurch etwas abgeschmackt daherkommt.

    Fazit: „Megamind" erzählt eine altbekannte Geschichte aus einer etwas anderen Perspektive und das macht dank vieler witziger Figuren Spaß. Ganz auf dem Niveau der Konkurrenz von Pixar ist der neueste Dreamworks-Animationsfilm aber nicht. Während „Oben" oder „Toy Story 3" mit einer ganzen Reihe erstaunlicher 3D-Sequenzen aufwarteten, die auch erzählerischen Mehrwert besitzen, ist die Dreidimensionalität in „Megamind" trotz einiger gelungener Flugeinlagen kaum mehr als ein nettes Zusatzfeature.

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