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    Yankee
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Yankee
    Von Björn Becher

    Der Italo-Western war Spielwiese für zahlreiche Filmemacher. Die zu den Hochzeiten recht günstigen Produktionskosten gepaart mit dem sicheren Kassenerfolg sorgten dafür, dass sich die Regisseure oftmals kreativ austoben durften. So gibt es Dutzende Genrewerke, die voll von visuellen Spielereien und außergewöhnlichen Szenen sind. Ein Prunkstück in diese Richtung stellt „Yankee“ von Tinto Brass dar. Der spätere Skandalerotikfilmemacher („Caligula“, „Salon Kitty“, Monamour) drehte 1965 seinen einzigen Beitrag zum Genre, ging dabei mit seinen ungewöhnlichen Kameraperspektiven, seiner Symbolik und seiner Farbgebung sogar so weit, dass der Produzent zur Schere griff. In Deutschland bringt das Label Koch Media „Yankee“ nun die weltweit erste ungekürzte DVD auf den Markt und macht so einen der inszenatorisch originellsten Western, der sogar Maestro Sergio Leone beeinflusste, einem breiteren Publikum zugänglich.

    Als Story für seinen avantgardistischen Film dient Tinto Brass ein recht abgegriffener, im Western oft verwendeter Plot: An der Grenze zu Mexiko regiert der „Große Concho“ (Adolfo Celi) mit seiner Verbrecherbande. Eines Tages kommt ein namenloser Yankee (Philippe Leroy) in die Gegend. Der stellt sich erst bei Concho vor, um dann nach und nach dessen Männer umzulegen, um das hohe Kopfgeld zu kassieren. Als er schließlich auch noch Conchos Freundin Marita (Mirella Martin) entführt, wird es dem kulturell interessierten Verbrecherboss zu viel und er macht Jagd auf den Pistolero.

    Die Story ist wahrlich nicht das Prunkstück von „Yankee“ und sicher nicht der Grund, warum man sich den Film anschauen sollte. Im wesentlichen folgt er der später noch unzählige Male im Italo-Western genutzten Geschichte des mysteriösen Fremden, der ein paar Banditen aufmischt, ihnen zuerst überlegen ist, dann geschnappt und gefoltert wird, um sich aber zu befreien und wie der Yankee hier so schön sagt, „das Spiel weiter gehen“ lässt. Was „Yankee“ aber außergewöhnlich macht und vom Gros des Genres abhebt, ist die einzigartige Bebilderung. Brass hat einen starken Hang zum dekadenten Stil, was sich vor allem an den eindrucksvoll ausgestatteten Sets und der famosen Photographie zeigt. Wenn der Yankee ein paar Mannen des großen Concho in eine Miene lockt, lässt Brass eine ausgezeichnete Schnittfolge und Bildkomposition auf den Zuschauer einprasseln, die atemberaubend wirkt. Auch später, wenn der Held mit den Banditen sein Spiel in einer verfallenen Stadt treibt, setzt der Regisseur die Verstörung der orientierungslosen Opfer des Revolverhelden perfekt in die Bildsprache um.

    Zwei Szenen aus „Yankee“ gingen später sogar in die Westerngeschichte ein. Die Galgenszene aus Spiel mir das Lied vom Tod, in der der Junge seinen Vater aus den Schultern tragen muss, gehört sicher zu den bekanntesten Westernszenen überhaupt. Was aber die wenigsten wissen: Sergio Leone hat sie aus „Yankee“ geklaut, wo Brass schon auf diese Idee kam. Zudem gibt es in „Yankee“ ein paar augenzwinkernde Szenen beim Barbier (der amüsanterweise hier auch zugleich den Beruf des Totengräbers ausübt). Das avanciert nicht nur innerhalb dieses Films zum Running Gag, sondern die Aufnahmen finden sich in sehr ähnlicher Form auch in dem sehr stark vom Italo-Western inspirierten Eastwood-Film Ein Fremder ohne Namen sowie in Mein Name ist Nobody wieder.

    Nicht nur die Inszenierung, sondern auch die Besetzung liegt deutlich über dem Durchschnitt. Mit Adolfo Celi, der ein Jahr vorher schon einen exzellenten Bond-Bösewicht gab (in James Bond 007 – Feuerball), ist der Große Concho exzellent besetzt. Er liefert das Paradebeispiel des hässlichen und herrischen Westernbanditen ab. Mit dem viel beschäftigten Philippe Leroy (Nikita, „Das Loch“, „Mannaja – Das Beil des Todes“, „Milano Kaliber 9“) wurde ein ausgezeichneter Gegenpart gecastet. Er darf ein amüsantes und spannendes Katz-und-Maus-Spiel mit den Banditen treiben und dabei seinen Part sehr augenzwinkernd und ironisch interpretieren.

    Gepaart mit dem außergewöhnlichen, die Szenerie sehr treffend untermalenden Trompeten-Soundtrack von Nini Rosso ergibt „Yankee“ eines der außergewöhnlichsten Italo-Western-Werke, das für Genrefans ein Pflichtkauf darstellt. Vor allem, da die neue DVD von Koch Media (siehe DVD-Kritik) den Film in Deutschland erstmals ungeschnitten zugänglich macht und qualitativ überzeugen kann.

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