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    Columbus Day
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Columbus Day
    Von Björn Becher

    Zuletzt war es um Val Kilmers Karriere nicht gerade zum Besten bestellt. Filme mit dem einstigen Batman-Darsteller landen mittlerweile recht oft direkt in den Videotheken. Den absoluten Tiefpunkt hat er dabei jüngst mit dem unterirdischen Rache-Actioner Conspiracy erreicht. Kilmer schien auf dem besten Weg, es den abgestürzten ehemaligen Action-Ikonen Steven Seagal und Wesley Snipes gleichzutun und nur noch billige C-Ware in Osteuropa zu produzieren. Das DVD-Cover von „Columbus Day“ verstärkt diese Befürchtung nun noch: Kilmer hält gleich zwei silberne Knarren in seinen Händen. Erwartet uns der nächste müllige Actioner von der Stange? Doch die negativen Erwartungen zerstreuen sich schnell, „Columbus Day“ geht nämlich in eine völlig andere Richtung. Das clevere Drehbuch von Newcomer Charles Burmeister ist neben gut aufgelegten Darstellern die größte Stärke dieser ruhigen und hochinteressanten Low-Budget-Überraschung, deren Vermarktung als Action-Trash sich – zum Glück (!) - als großer Schwindel entpuppt.

    Dieb John (Val Kilmer) ist sich sicher, den Coup seines Lebens gelandet zu haben. Um sich endlich in Florida zur Ruhe setzen zu können, muss er das Diebesgut nun nur noch an den Mann bringen. Doch die potentiellen Käufer verlegen kurzfristig den Treffpunkt. Während John sofort klar ist, dass er übers Ohr gehauen werden soll, kommt diese Erkenntnis für seinen Partner Manny (Richard Edson) zu spät. Er wird umgelegt. Nun sitzt John mit der Beute im Echo Park von Los Angeles fest. Er wendet sich an seinen alten Bekannten Max (Wilmer Valderrama), der verspricht, innerhalb einer Stunde einen neuen Abnehmer aufzutreiben. Während sich der zur Untätigkeit verdammte John im Park versteckt, entschließt er sich, mit den Frauen in seinem Leben zu telefonieren und seine Beziehungen zu kitten: Er spricht mit seiner Tochter Alana (Ashley Johnson), mit der er seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehr hat und die nichts von ihm wissen will. Während er sich der Anrufe seiner aktuellen Bekanntschaft Cheryl (Ivana Milicevic) erwehrt, versucht er, sich mit seiner Ex-Frau Alice (Marg Helgenberger) auszusöhnen. Im Park selbst befindet sich außerdem noch der vorlaute und neugierige Junge Esteban (Bobb`e J. Thompson), der John immer wieder in ein Gespräch verwickelt…

    In den ersten fünf Minuten scheint sich der vom DVD-Cover erweckte Eindruck noch zu bestätigen. Zwei schnellen Actionszenen folgt ein übertrieben cool posierender Val Kilmer – die Erinnerungen an die Supergurke Conspiracy kommen sofort wieder hoch. Doch dann nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung. „Columbus Day“ ist nämlich kein Action-Thriller, wie uns die PR-Abteilung des Verleihs weismachen will. Vielmehr präsentiert Regisseur Burmeister ein feinfühliges Drama mit kleineren Thrillereinschüben. Das Geschehen bleibt im Wesentlichen auf den Echo Park beschränkt, von wo aus John mit den drei Frauen in seinem Leben telefoniert. Daneben entwickelt sich langsam eine Freundschaft zwischen dem Dieb, der seine verkorkste Vergangenheit hinter sich lassen will, und dem kleinen farbigen Jungen, der im Echo Park immer wieder seinem schweren Leben entflieht. Hier liegt eine Stärke von „Columbus Day“. Vorsichtig und nicht ohne Rückschläge wird die Beziehung des ungleichen Duos intensiviert, bis sie schließlich richtige Freunde werden.

    Das klappt nur, weil die Chemie zwischen den beiden Darstellern einfach stimmt. Gerade für die Besetzung des kleinen Bobb`e J. Thompson (Idlewild, Die Gebrüder Weihnachtsmann) als Esteban verdient die Casting-Abteilung ein besonderes Lob. Allerdings schmälert die Synchronisation seine Performance deutlich, da der Slang des dauerplappernden Frechdachses kaum stimmig ins Deutsche zu übertragen ist. Auch Kilmer geht in seiner Rolle des übergewichtigen, gealterten und grauhaarigen Diebes auf. Dass er hier außergewöhnlich viel Herzblut in seine Performance steckte, zeigt sich auch daran, dass er den Makeup-Artist, der ihn jeden Morgen älter schminkte, aus eigener Tasche bezahlte und zum allerersten Mal auch als Produzent bei einem Film fungierte. Einer von zahlreichen weiteren Produzenten ist übrigens Hollywoodstar Kevin Spacey (Die üblichen Verdächtigen, American Beauty).

    Auch sonst stehen die Beziehungen zwischen den Figuren stets im Vordergrund. Johns Versuch, sich mit Ex-Frau und Tochter auszusöhnen, rückt immer wieder in den Mittelpunkt. Wo der Dieb anfangs noch glaubt, er könne die Fehler der Vergangenheit mit seinem neu gewonnenen Reichtum ausbügeln, muss er nach und nach erkennen, dass es Mehr bedarf. Die nebenher verlaufende Thrillerhandlung verleiht dem Plot die nötige Spannung. Gangster und Cops sind John auf den Fersen, jeder Parkbesucher ist ein potentieller Widersacher. Gegen Ende wird das Tempo deutlich angezogen: John sieht nur noch eine Möglichkeit, sein Diebesgut zu versilbern, und geht dafür einen riskanten Deal ein. Daneben sorgt Burmeister, der bisher nur ein Kurzfilm und eine Musikdokumentation (beides Festivalfavoriten) inszeniert hat, noch mit einem weiteren Kniff für zusätzliche Spannung: Die genauen Umstände des Raubes und warum John die Beute in der Eröffnungsszene erst einem unbekannten Mann (Mark Kelly) brutal abjagen musste, bleiben lange im Dunkeln. Erst in immer wieder eingeschobenen Rückblenden wird dieses Puzzle nach und nach aufgelöst.

    Eine besondere Erwähnung verdient auch Wilmer Valderrama. Der einstige Die wilden Siebziger-Star überrascht Fans der Serie und ist im Vergleich mit seiner Rolle als latent homosexueller Austauschschüler Fez nicht wiederzuerkennen. Mit deutlich mehr Muskelmasse, einer ganz anderen Stimme und etwas Gangsterslang beweist er Vielseitigkeit und zeigt Casting-Agenten, dass er nicht nur Komödien drauf hat. Mit serie,5-Star Marg Helgenberger ist ein weiteres bekanntes Seriengesicht in einer größeren Nebenrolle zu sehen.

    Fazit: Auch wenn „Columbus Day“ direkt in den Videotheken landet, in Deutschland ein irreführendes DVD-Cover besitzt (Kilmer hat im Film nicht einmal zwei Pistolen und schon gar keine so coolen silbernen) und nur schlappe sieben Millionen Dollar gekostet hat, sind vorschnelle Schlüsse verfehlt. Das Drehbuch von Burmeister, das im Vorfeld einen von der Oscar-Academy veranstalteten und von Paramount gestifteten Drehbuchpreis für Nachwuchsautoren gewann, legt den Fokus ganz gezielt auf den zwischenmenschlichen Bereich und gibt so den Schauspielern die Möglichkeit, zu glänzen. Zwei Dinge sind gewiss: 1. „Columbus Day“ wird für große Enttäuschungen sorgen. Denn der gemeine Actionfan, der sich auf einen krachenden Videoabend freut, wird mit dem betont ruhig erzählten, erst im Finale an Tempo zulegenden Drama nicht viel anfangen können. 2. Regisseur und Autor Charles Burmeister wird auch in Zukunft ganz gewiss noch von sich hören lassen!

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