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    Shine a Light
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Shine a Light
    Von Christian Horn

    Film-Biographien, sogenannte Biopics, laufen seit einiger Zeit vermehrt im Kino und erreichen sogar in der Spitze gute Besucherzahlen; das Versprechen, beziehungsweise das Gütesiegel „based on a true story“ funktioniert. Die Identifikation des Zuschauers mit den Protagonisten ist leichter zu erreichen, wenn „das alles wirklich passiert ist“ (selbstverständlich ist gerade dies oftmals nicht der Fall; Freiheiten in der dramaturgischen Gestaltung sind dem Filmemacher – wenn er sie denn kenntlich macht – nicht anzulasten, sondern in der Regel sogar notwendig). Von diesen Bio Pics hat sich eine Spielart als besonders beliebt erwiesen: die Musiker-Biografie. Ob es nun Johnny Cash ist (Walk The Line), Ray Charles (Ray) oder Bob Dylan (I’m Not There; freilich hier sehr frei umgesetzt) oder Gus van Sant sich an den Mythos des „Nirvana“-Sängers Kurt Cobain anlehnt (Last Days). Und wahrscheinlich ist es dem kommerziellem Erfolg, von zumindest „Walk The Line“ und „Ray“ zu verdanken, dass der klassische Konzertfilm wieder in den Fokus rückt: Aktuell laufen U2 3D und Martin Scorseses (Taxi Driver, Departed) „Rolling Stones“-Hommage „Shine A Light“, der die diesjährige Berlinale eröffnet hat, im Kino.

    Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei „Shine A Light“ – in Opposition zu Jean-Luc Godards experimentellem Stones-Film „Sympathy For The Devil“ (1968) – um einen ganz klassischen Konzertfilm handelt. Abgesehen von wenigen, klug platzierten und oft humorvollen Interview-Mitschnitten und einem kurzen Einführungsteil filmt Scorsese, der schon in Bob Dylan - No Direction Home den Spuren einer Musiklegende folgte, zwei exklusive Auftritte der Rolling Stones im New Yorker Beacon Theatre ab.

    Das Besondere daran ist vor allem die technische Umsetzung: 14 Kameras kommen zum Einsatz (nicht die üblichen vier oder fünf), alle bedient von erfahrenen Kameramännern, von denen die meisten schon mit dem Oscar prämiert worden sind; unter anderem Robert Richardson (Aviator), John Toll (Last Samurai), Andrew Lesnie (Herr der Ringe - Trilogie) und Emmanuel Lubezki (Sleepy Hollow). So entstehen Bilder, die so in einem Konzertfilm nicht üblich sind und weit über den Durchschnitt hinaus gehen. Gestik und Mimik der Stones werden präzise eingefangen und der Zuschauer bekommt Momentaufnahmen geboten, die er auf einem Live-Konzert nie mitbekommen könnte. Die tiefen Furchen, Schluchten und Spalten in den charismatischen Gesichtern der „ältesten Rockband der Welt“ sind deutlich erkennbar; und trotzdem wird der Überblick über die gesamte Location nicht aufgegeben. Das ist, abgesehen von den Bildern, vor allem durch die gelungene Montage möglich, die sich dem Rhythmus der Musikstücke und der Struktur des gesamten Konzertes anpasst - und die Tongestaltung, die mit viel Aufwand und Liebe zum Detail betrieben worden ist (so werden etwa die im Bild gezeigten Musikinstrumente auf der Tonebene hervorgehoben).

    Doch es ist nicht allein die technisch hervorragende Umsetzung, die „Shine A Light“ gelungen werden lässt; es sind auch die Stones selbst. Mick Jagger, Keith Richards, Ron Wood und Charlie Watts versprühen auch im hohen Alter noch jede Menge Energie und können ihre Songs mit der nötigen Kraft transportieren. Dass auf der Playlist zahlreiche Klassiker stehen, wie etwa „Start me up“, „Brown sugar“ oder„(I can get no) satisfaction“, macht es ihnen natürlich wesentlich leichter. Und dann gibt es da noch die sehenswerten Gastauftritte prominenter Musiker: Blues-Legende Buddy Guy, Jack White und Christina Aguilera interagieren sehr schön mit den Stones und bieten eine absolut sehenswerte Performance.

    Die bereits erwähnte Einführungssequenz in das Konzert ist für die Etablierung der Atmosphäre nicht unerlässlich. Der Bühnenaufbau, die Songauswahl und das Debattieren über die effektivsten Kamerapositionen vermitteln dem Zuschauer ein Gefühl für den hohen Aufwand, der betrieben worden ist, um die Stimmung der Konzerte für das Kino adaptieren zu können. Außerdem baut sich eine Spannung auf, die der vor einem realen Konzertbesuch nicht unähnlich ist. Als Ex-Präsident Bill Clinton die Bühne betritt und den Auftritt der „Rolling Stones“ ansagt (der Anlass der Konzerte ist Clintons 60. Geburtstag), entsteht fast schon der Eindruck, als sei man selbst live dabei – aber eben nur fast, schließlich sitzt man, hoffentlich, bequem in einem Kinosessel.

    Ob man die Musik der „Rolling Stones“ nun mag oder nicht: fest steht, dass Martin Scorsese einen ambitionierten Konzertfilm gedreht hat, der technisch sehr professionell umgesetzt worden ist und sich dadurch von der Mehrzahl der Musikfilme deutlich absetzt.

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