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    Schröders wunderbare Welt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Schröders wunderbare Welt
    Von Christoph Petersen

    Es war ein schon beinahe wahnsinniges Mammutprojekt, das fast zwangsläufig in der Pleite enden musste. In der größten freitragenden Halle der Welt, dem in der Lausitz errichteten Cargolifter-Dome, sollte mitten in Brandenburg eine florierende Luftschiffindustrie erblühen. Doch der Bankrott stand noch vor dem ersten fertig gestellten Zeppelin vor der Tür. Der malaiische Investor Colin Au erkannte am schnellsten die Gunst der Stunde, konnte mit seinem „Tropical Islands“-Projekt Insolvenzverwalter und Politiker überzeugen. Nun zieren künstlicher Sandstrand und Palmen den gigantischen Bau. Ein einmaliger Vorgang, an den nun Regisseur und Autor Michael Schorr seinen nach Schultze Gets The Blues zweiten Langspielfilm lose anlehnt. In „Schröders wunderbare Welt“ verfolgt der titelgebende Frank Schröder seine Vision vom tropischen Paradies an der polnisch-tschechisch-sächsischen Grenze. Dabei wartet der Film zwar wieder mit solchen lakonisch-skurrilen Szenen auf, die auch schon Schorrs Erstling zierten, allerdings fehlt dieses Mal leider das emotionale Interesse für die Figuren. Auch wenn fast jede der fein beobachteten Pointen zündet, fällt so das Mitfühlen und –fiebern in den meisten Momenten leider flach.

    Mit der Völkerverständigung ist das so eine Sache. Diese Erfahrung muss auch Frank Schröder (Peter Schneider) machen, als er in seiner Heimat Tauchritz das gigantische künstliche Tropenparadies „Lagunenzauber“ errichten will. Mitten im Niemandsland des deutsch-polnisch-tschechischen Dreiländerecks soll dieses mit EU-Mitteln geförderte Zeichen grenzüberschreitender Zusammenarbeit entstehen. Dumm nur, dass es sich als wesentlich schwieriger als gedacht erweist, die Offiziellen der beteiligten Nationen ins selbe Boot zu holen. Krukovsky (Stanislaw Jaskólka), Chef des polnischen Kraftwerks, das dem Tropenparadies einheizen soll, ist zwar willig, nur endet sein technisches Verständnis leider beim Ölen einer Kinderschaukel. Der tschechische Bürgermeister Janacek (Igor Bares) hat hingegen einzig und allein sein örtliches Golfevent im Kopf. Und Franks Onkel Wigbert (Gerhard Olschewski), der mit drei saufenden Teenagern die schlesische Befreiungsfront bildet, stemmt sich gar mit falschen Wölfen gegen das Projekt. Nur mit vereinten Kräften könnte es so doch noch gelingen, den exzentrischen amerikanischen Investor Gregory (Jürgen Prochnow) von Tauchritz und seinen Vorzügen zu überzeugen…

    Was man Filmemacher Schorr zu allererst zugute halten muss, ist sein wirklich originärer Stil – auch wenn er ihn nun bereits zum zweiten Mal in die Waagschale wirft. Müsste man ihn trotz seiner Einzigartigkeit dennoch einordnen, könnte man es mit einer Mischung aus Peter Thorwarths Satire Goldene Zeiten, dem lakonisch-dorfigen Humor des frühen Detlev Buck und den Werken der amerikanischen Excentric-Regisseure à la Wes Anderson (Die Royal Tenenbaums, Die Tiefseetaucher) oder Alexander Payne (About Schmidt, Sideways) versuchen. Den Nagel auf den Kopf trifft aber auch diese Annäherung nicht. Bei Schorr ist nahezu jede Szene wie eine Miniatur-Versuchsanordnung, die er mit seinem scharfen Blick für das Absurde zielsicher zu einer meist zündenden Pointe führt. Zwischen politischer und sozialer Satire, zwischen Anspruch und Kalauer nähert er sich so seinen skurrilen Figuren und ihren noch skurrileren Vorhaben und Ansichten. Verpackt sind diese kleinen Beobachtungen in große Cinemascope-Bilder. Und im Fall von „Schröders wunderbare Welt“ gelingt es auch endlich mal einer Komödie, dieses Format voll und ganz zu rechtfertigen, ein interessantes, entdeckungswürdiges Bild jagt das nächste.

    Dass Schorr hier trotz aller Qualitäten dennoch nicht der große Wurf gelungen ist, hat mehrere Gründe. Zum einen ist der Film mit seinen stolzen 114 Minuten gerade in Anbetracht der Tatsache, dass hier ohne durchgängigen Spannungsbogen meist für sich allein stehende Szenen aneinandergereiht werden, die nur selten wirklich auseinander hervorgehen, schlicht eine knappe halbe Stunde zu lang. Noch viel schwerer wiegt aber, dass es kaum gelingt, emotionale Bindungen zu den Figuren aufzubauen. Wo Horst Krause als unvergessen-lakonischer Akkordeon-Held in Schultze Gets The Blues noch jede Szene an sich riss, bleibt Peter Schneider (Der rote Kakadu) nun weitestgehend blass, nicht einmal seine vorsichtige Liebe zur erfolglosen Musikmanagerin Maria (Michaela Behal) lässt das Publikum mitfiebern. Ohne Gefühle wirken einige der lang gezogenen Einstellungen so nicht wie geplant hintergründig, sondern stattdessen statisch, manche gar ein wenig langweilig. Und auch der restliche Cast haut einen nicht vom Hocker, lediglich ein uriger Gerhard Olschewski als schlesischer Terroristenführer und ein Jürgen Prochnow (Das Boot, Bierfest) als jagdwütig-exzentrischer US-Investor bleiben im Gedächtnis hängen.

    „Schröders wunderbare Welt“ ist ein buntes Sammelsurium an humorigen Beobachtungen und Miniaturen, mit dem Regisseur und Autor Michael Schorr aufgrund fehlender Emotionen und akuter Überlänge allerdings nicht ganz an die Qualität seines wunderbar lakonischen Spielfilmerstlings Schultze Gets The Blues anknüpfen kann.

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