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    Love Vegas
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Love Vegas
    Von Andreas Staben

    „What Happens In Vegas, Stays In Vegas“ - Mit dem Originaltitel spielen die Macher von „Love Vegas“ auf einen fast sprichwörtlichen Ausnahmezustand an, denn in der Metropole der Spieler und Ganoven, der Vergnügungssüchtigen und Verzweifelten, die mitten in der Wüste von Nevada als neonglitzernde Glücksverheißung aus dem Boden gestampft wurde, gelten eigene Gesetze. Hier wird die Nacht zum Tag und Existenzen können auf vielerlei Art auf den Kopf gestellt werden. Drehbuchautorin Dana Fox (The Wedding Date) macht sich die Besonderheiten der schnelllebigen Glitzerwelt gleich in doppelter Hinsicht zunutze, indem sie einer spontanen Blitzheirat einen Millionengewinn folgen lässt. Was sich als Gewinnkombination an den Kinokassen erweisen soll, hat allerdings höchstens den Charme eines System-Lottoscheins. Der angenehme Nervenkitzel und das Spannungsmoment eines guten Spiels fehlen der Komödie, die der Brite Tom Vaughan mit Starbesetzung inszenierte. An Stelle von Esprit und Stil treten grob kalkulierte Effekte, mechanisch greift ein Rädchen ins andere bis alles seine zweifelhafte Ordnung hat. Für Romantik ist in dieser Liebesgeschichte kein Platz.

    Zwei Frustrierte, ein Gedanke: Nachdem ihr Verlobter vor allen ihren Freunden Schluss mit ihr gemacht hat, sucht Joy McNally (Cameron Diaz) mit ihrer Freundin Tipper (Lake Bell, „Surface“, „Boston Legal“) Zerstreuung bei einem Kurztrip nach Las Vegas. Dorthin hat es auch Jack Fuller (Ashton Kutcher), der soeben vom eigenen Vater (Treat Williams, Es war einmal in Amerika, „Prince of the City“) gefeuert wurde, und seinen Kumpel Hater (Robert Corddry, Blind Wedding, Old School verschlagen. Nach einer feuchtfröhlichen Nacht erwachen Joy und Jack ohne Erinnerung, aber mit Eheringen. Als Jack mit Joys letztem Vierteldollar den Jackpot eines einarmigen Banditen knackt, ist das Chaos komplett. Die Frischvermählten gönnen einander nicht einen Cent des Gewinnerschecks von drei Millionen Dollar. Ein Richter (Dennis Miller) soll den Streit schlichten und friert das Geld kurzerhand ein. Die Eheleute wider Willen sollen sechs Monate lang ernsthaft an ihrer Beziehung arbeiten, regelmäßige Termine bei einer Paartherapeutin (Queen Latifah, Chicago, Haus über Kopf) sind Pflicht. Wer gegen die Auflagen verstößt, bekommt nichts. Joy zieht zu Jack und ein Kleinkrieg beginnt, bei dem jeder den anderen zu einem Fehltritt verleiten will. Gegen Ende des halben Jahres fangen die Streithähne dann an, ihre Prioritäten zu überdenken.

    Viele romantische Komödien werden von einer betont konstruierten Ausgangssituation geprägt. Das zusammenzuführende Paar muss die ungewöhnlichsten Hindernisse überwinden, durch einen erzwungenen Wechsel wird zugleich der Wandel der Figuren eingeleitet. Am Anfang stehen oft absurde Wetten wie in Wie werde ich ihn los - in 10 Tagen und in 40 Tage und 40 Nächte oder wahnwitzige wettähnliche Varianten, etwa wenn Sarah Jessica Parker Matthew McConaughey im Auftrag seiner Eltern Zum Ausziehen verführt. Da scheint es naheliegend, die Handlung in der Stadt des Glücksspiels anzubahnen, formuliert wird die Aufgabe für die Protagonisten aber schließlich durch das Diktum eines eigenwilligen New Yorker Richters, das als reiner dramaturgischer Kunstgriff erscheint. Für Joy und Jack bedeutet die Verpflichtung zum Eheversuch vor allem, sich vor der Therapeutin ins rechte Licht zu setzen und den jeweils anderen zugleich möglichst schlecht aussehen zu lassen. Da Gier und Gehässigkeit mehr oder weniger ausgeprägt fast alle Personen des Films antreiben, geht es bei der Liebesprobe in erster Linie um Sabotage und Täuschung. Statt einfach eine Zweckgemeinschaft einzugehen, lassen Jack und Joy, durch ihre Freunde Hater (!) und Tipper angestachelt, eine Gemeinheit der anderen folgen. Irgendwo ist in dieser Handlung, die aus den nominellen Flitterwochen einen verdeckten Scheidungskrieg macht, womöglich eine schwarzhumorige Satire verborgen, aber die Gags erreichen kaum einmal ein dafür angemessenes Niveau. Zumeist kommt es nicht über In-die-Spüle-Pinkeln und Die-Badezimmertür-Ausbauen hinaus.

    Selbst die Lust an der Zote kann Vergnügen bereiten, aber wenn zum Ende hin die Kehrtwende versucht wird und das kindische Treiben ernsthaft in einer charakterlichen Läuterung münden soll, dann wird die Willkür der Reißbrettstrategen überdeutlich. Und in einer Erzählung, der die Zwischentöne fehlen, besitzen einige der Wendungen einen schalen Beigeschmack, das tendenziell restaurative Element des Genres wird auf unangenehme Weise auffällig. Der arbeitslose Jack entdeckt den Wert solider Handarbeit, verdient sich den Respekt seines Vaters und kann nun selbst für seine zukünftige Familie sorgen, der sich Joy vollständig widmen kann, da sie ihren Wall-Street-Job und ihre Karriere aufgibt. Nebenbei zeigt sich im platten Porträt ihrer asiatischen Konkurrentin um die Beförderung weniger der wahre Kern eines Vorurteils als ein latenter Rassismus. Jeder kriegt schließlich, was er verdient.

    Vorhersehbarkeit und das Spiel mit Klischees gehören zu den typischen Merkmalen des Genres. Dem altbekannten Schema kann durch originelle Einzelheiten und vor allem auch durch eine geschickte Besetzung immer wieder neues Leben eingehaucht werden. Mit Cameron Diaz und Ashton Kutcher wurden für „Love Vegas“ immerhin zwei komödienerprobte Stars verpflichtet, beide treten auch gewohnt extrovertiert und quirlig auf, schließen sich damit aber letztlich nur der grobschlächtigen Erzählweise des Films an. Kutcher hat als tumber Michael Kelso in „Die wilden Siebziger“ über Jahre hinweg die Kunst der Begriffsstutzigkeit kultiviert, die auch in „Ey Mann – Wo is' mein Auto?“ zum Tragen kommt. In „Love Vegas“ wirkt diese Routine ähnlich wie in Voll verheiratet und in Partyalarm vollkommen uninspiriert. Auch Diaz liefert in diesem Sinne Gewohntes, erneut zeigt sie eine ausgeflippte Tanzeinlage, was sich nach Drei Engel für Charlie und Super süß und super sexy allerdings erheblich abgenutzt hat. Der Eindimensionalität ihrer Charaktere können beide nichts hinzufügen. Die vielbeschworene Chemie, der magische Funke, der Traumpaare entstehen lässt, ist hier nicht zu spüren.

    Der fehlenden Subtilität des Drehbuchs entspricht die wenig feinfühlige Inszenierung von Tom Vaughan, der in die gleiche Kerbe des Überspitzten und Übertriebenen schlägt, etwa in einer fast hysterischen Schnittfolge, in der endlos wiederholtes Kreischen des Wortes „Vegas“ sowie völlig überdrehtes Verhalten, die Entschlussfassung zum Nevada-Trip begleitet. Viele Passagen in „Love Vegas“ sind in einer Weise umgesetzt, dass nicht nur bei einer aufwändigen Taxiverfolgungsjagd der Eindruck eines ständigen Wettkampfs verstärkt wird. Wenn Jacks Kumpel Hater, der zugleich sein Anwalt ist, vor Gericht unpassenderweise in Ekstase gerät, weil er tatsächlich einmal – natürlich ohne eigenes Zutun – einen Fall gewonnen hat, bringt das diese Sichtweise auf den Punkt: Gewinnen ist alles. Dem „deutschen“ Titel, der das Formelhafte des Films hervorhebt, fehlt nur noch ein Ausrufungszeichen.

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